Für Folge 2 von Prioritäten habe ich mit dem Juristen Stephan Hobe über sein Fachgebiet – das Weltraumrecht – gesprochen. Stephan Hobe ist Professor an der Universität zu Köln und Direktor des Kölner Instituts für Luftrecht, Weltraumrecht und Cyberrecht.
Ressourcen
- Website des Kölner Instituts für Luftrecht, Weltraumrecht und Cyberrecht
- Fachliteratur zum Weltraumrecht:
- Space Law, Stephan Hobe, 2. Edition
- Space Law, Francis Lyall und Paul B. Larsen, 2. Edition
- Pioneers of Space Law, Stephan Hobe (Hrsg.)
- Our World in Data hat eine Themenseite zur Erkundung des Weltalls und der Nutzung von mehr und mehr Satelliten.
- Toby Ord hat wunderschöne Bilder unserer Erde, die von Apollo-Astronauten geschossen wurden, restauriert: Earth Restored
- Von 80,000 Hours gibt es einen Artikel über Space Governance als Feld, in dem möglicherweise viel Gutes tun kann. Der Fokus liegt auf den Auswirkungen des Weltraumrechts auf die langfristige Zukunft. Enthält auch weiterführende Links.
- Zeitschrift für die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen: 60 Jahre Weltraumrecht
- Im angesprochenen Paper Eternity in Six Hours legen Armstrong und Sandberg dar, wie vergleichsweise schnell die Kolonialisierung des Weltalls gehen könnte.
Kapitelmarkierungen
[00:00:00] Intro
[00:01:46] Das Gespräch beginnt: Stephan Hobes Weg zum Weltraumrecht und die frühe Geschichte des Weltraumrechts
[00:08:23] Sputnik 1 als Ausgangspunkt für die Schaffung des Weltraumrechts
[00:15:25] Die fünf großen Weltraumverträge 1967 bis 1979 und ihre Ge- und Verbote
[00:27:33] Eine Nutzungsordnung für den Weltraum
[00:42:03] Aneignung des Mars: der Fall SpaceX und die Frage der Souveränität
[00:48:57] Verdreckung des (geostationären) Orbits
[00:59:45] ISS-Vertrag
[01:06:07] Weltraumpolitik heute
[01:17:22] Suche nach extraterrestrischem Leben und potentielle galaktische Expansion der Menschheit
[01:29:40] Outro
Transkript
[00:00:00] Stephan Dalügge: Für Folge 2 von Prioritäten habe ich mit dem Juristen Stephan Hobe über sein Fachgebiet – das Weltraumrecht – gesprochen. Stephan Hobe ist Professor an der Universität zu Köln und Direktor des Kölner Instituts für Luftrecht, Weltraumrecht und Cyberrecht.
Wir reden, in dieser Reihenfolge, über: die Genese des Weltraumrechts nach der Beförderung des ersten künstlichen Satelliten Sputnik 1 in die Erdumlaufbahn durch die Sowjetunion, den Weltraum als Staatengemeinschaftsraum, die großen internationalen Weltraumverträge und ihre Ge- und Verbote, die Nutzung des Weltraums durch mehr und mehr Satelliten, die Förderung von Ressourcen auf Himmelskörpern – vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft – und über die Rolle der Menschheit im Kosmos.
Möglicherweise leben wir zu einer menschheitsgeschichtlich wichtigen Zeit. Wir, als Menschheit, werden reicher und reicher und mächtiger durch den technologischen Fortschritt. Bezogen auf den Weltraum heißt das: Wir könnten nahe der Zeit leben, in der wir anfangen, die Ressourcen unseres Sonnensystems und unserer Galaxie zu nutzen. Wenn wir bald dazu in der Lage sein werden und Anreize bestehen, dies zu tun, wäre es gut, sich vorher auf eine Reglementierung solcher Aktivitäten zu einigen.
Wie im Gespräch ersichtlich werden wird, ist der Weltraum zwar kein anarchischer, rechtsfreier Raum, jedoch besteht auch keine feste Nutzungsordnung und Zielkonflikte zwischen Akteuren treten zunehmend zu Tage.
Wenn dieser Podcast gefällt, freue ich mich über Weiterempfehlung und/oder eine positive Bewertung. Das hilft, um andere auf den Podcast aufmerksam zu machen. Ein Transkript und weiterführende Links sind wie immer auf der zu dieser Folge gehörenden Website zu finden. Der Podcast wird finanziert von Open Philanthropy. Ich bin Stephan Dalügge. Viel Spaß beim Hören.
[00:01:42] Stephan Dalügge: Herr Hobe, vielen Dank, dass Sie heute mit mir sprechen.
[00:01:45] Stephan Hobe: Sehr gerne!
[00:01:46] Stephan Dalügge: Fangen wir damit an, was Sie zum Weltraumrecht geführt hat.
[00:01:49] Stephan Hobe: Das ist eigentlich eine lange Geschichte, die ist schon einen Moment her, wie sich ja denken lässt. Ich hatte eigentlich zunächst mit Weltraumrecht ganz wenig am Hut – Ich war Völkerrechtler oder wollte gerne eine völkerrechtliche Dissertation schreiben und ging zu einem Institutsdirektor in Kiel und fragte ihn, ob ich denn eine seerechtliche Dissertation anpeilen sollte, und er sagte: „Ja, lieber Freund, junger Freund, das ist zwar eine gute Idee, aber da ist schon fast alles geschrieben. Versuchen Sie es doch mal mit dem Weltraumrecht.“ Und ich muss ehrlich sagen, ich war völlig verdutzt, weil mir bis dato nicht bewusst war, dass es irgend so etwas wie Weltraumrecht gab. Nun beschäftige ich mich seit dreißig, vierzig Jahren schon mit dieser Materie.
[00:02:31] Stephan Dalügge: In welchem Jahr war das, als Sie Ihre Dissertation angefangen haben?
[00:02:33] Stephan Hobe: Das war in den 1980er Jahren. Ja, 86, 87.
[00:02:39] Stephan Dalügge: Und die haben Sie dann schlussendlich über die Ressourcennutzung gemacht?
[00:02:43] Stephan Hobe: Ja, das war eine Mischung: Neue Weltwirtschaftsordnung, also internationales Wirtschaftsrecht, mit Weltraumrecht, aber im Kern gar nicht so sehr eine weltraumrechtliche Arbeit, sondern eigentlich eine Arbeit, die sich sehr stark fokussiert hat, im internationalen Wirtschaftsrecht.
[00:02:59] Stephan Dalügge: Das heißt, das Weltraumrecht war zu dem Zeitpunkt ja noch ein sehr neues Recht und da gab es diese großen Weltraumverträge, aber was die im Einzelnen bedeuten, war eben noch sehr offen. Ist zu einem großen Teil immer noch offen, oder?
[00:03:11] Stephan Hobe: Vor allem das Thema „Wirtschaftliche Nutzung“ war im Grunde genommen etwas, was weit in der Zukunft lag. Allerdings gab es eine große Diskussion. Die gab es schon vorher im Seerecht, wo es um Fragen der Verteilung natürlicher Ressourcen und der Nutzungschance für natürliche Ressourcen ging. Es war – dies im Kern – der Kampf des globalen Südens gegen den globalen Norden, um bessere Ausbeutungsmöglichkeiten, um eine neue Weltwirtschaftsordnung. Die Kolonien, die der globale Süden im Wesentlichen darstellt, behaupteten nicht ganz zu Unrecht, sie seien überall immer zu kurz gekommen, weil sie erstens immer zu spät seien und zweitens technologisch und drittens finanziell unterprivilegiert seien. Insofern verlangten sie nach strukturellen Änderungen des Weltwirtschaftsrechts, aber auch einem gesicherten Zugriff auf Ressourcen und zwar einmal des Tiefseeboden, wie aber auch der Ressourcen der Himmelskörper oder bestimmte orbitaler Positionen.
[00:04:12] Stephan Dalügge: Beide sind Staatengemeinschaftsräume.
[00:04:15] Stephan Hobe: Beides als Staatengemeinschaftsräume, genau. Da ist das dann erstmals sozusagen komplementär zum internationalen Wirtschaftsrecht durchexerziert worden, in diesen starken Gemeinschaftsräumen. Genau.
[00:04:26] Stephan Dalügge: Fangen wir mal noch ein paar Jahrzehnte früher an. In den 1930ern haben Luftrechtler schon über Weltraumrecht spekuliert. Zu einem Zeitpunkt als noch keine nationalen Weltraumprogramme da waren, zu einem Zeitpunkt, an dem auch noch nicht genau definiert war oder nicht klar war: „Wird das möglich sein? Wann wird das möglich sein?“ – Was haben die sich für Gedanken gemacht?
[00:04:47] Stephan Hobe: Ja, das ist interessant. Eigentlich ist ja die älteste Schrift jetzt genau einhundert Jahre alt. Das ist ein Deutscher gewesen, der hier entsprechend – Hermann Oberth – der den berühmten, der das kleine Büchlein geschrieben hat „Mit der Rakete zu den Planetenräumen“. [Anm.: Der korrekte Titel lautet „Die Rakete zu den Planetenräumen“.] Und da hat er gezeigt, dass es nicht nur Sinn macht, in den Luftraum zu gehen, sondern dass man darüber hinaus auch im Weltraum was werden kann. Und es ist ein Deutsch-Tscheche gewesen, der 1932 – Vladimir Mandel – der die Idee hatte, das müsste eigentlich auch rechtlich auszugestalten sein. Denn Hermann Oberth war natürlich Techniker, war Bahnmechaniker. Sein Schüler war übrigens Wernher von Braun, der später sozusagen eine doppelte Karriere gemacht hat. In Anführungszeichen auf deutscher und später auf amerikanischer Seite.
[00:05:36] Stephan Dalügge: Genau, im deutschen Kriegstreiben involviert und später für die Amerikaner. Und Mandel hatte im Grunde schon die Einsicht, dass es gut wäre, wenn das Luftrecht zwar Sache der Staaten ist, wenn die Staaten über ihren Luftraum eine Souveränität haben, aber wenn das Weltall ein Staatengemeinschaftsraum ist?
[00:05:59] Stephan Hobe: Genau, diese Grundidee gibt es eigentlich eben seit den 1930er Jahren, dass der Weltraum etwas anderes ist als der Luftraum. Man hat aber auch sozusagen schon auch aus Dingen, die seit 1910 sich im Luftrecht abgespielt haben, das dringende Bedürfnis gehabt, irgendwie den Luftraum besser kontrollieren zu können. Nicht zuletzt aus Gründen, die mit bewaffnetem Konflikt zu tun gehabt haben. Es sind zwei Kriege gewesen, 1914-18 und danach. Und da war es ganz wichtig, sozusagen diesen Schutzschild zu haben. Insofern hat man relativ klar – wir sprechen von 1919, wo eigentlich klar war: Es gibt staatliche Souveränität über den Luftraum – und die große Leistung danach ist, dass Mandel sagt, das kann aber nicht für den Weltraum gelten. Das muss anders behandelt werden. Es ist so etwas wie ein Staatengemeinschaftraum. Er spricht das noch nicht so aus, aber er meint es der Sache nach.
[00:06:56] Stephan Dalügge: Juristen lieben doch Definitionen. Warum haben die nicht festgelegt, wo der Luftraum aufhört?
[00:07:01] Stephan Hobe: Das ist damals eine höchst heikle Frage gewesen. Juristen lieben Definitionen, Juristen lieben Klarheit, aber dann, wenn sie so sehr angewiesen sind auf naturwissenschaftliche Vorgänge, wie dies sehr häufig im Bereich Luftrecht und Weltraum der Fall ist, dann schweigen sie auch. Heute ist etwa die Frage der Abgrenzung des Luftraums vom Weltraum, die Höhe dieser Abgrenzung, wieder total streitig geworden. Man hat ursprünglich gemeint, ja, das muss so ungefähr bei neunzig Kilometern liegen – die berühmte von Kármán-Linie – und hat es dann sein Bewenden sein lassen: was drunter ist, ist der Luftraum, was drüber ist, ist der Weltraum – ohne eigentlich mal sich wirklich darüber Gedanken zu machen, ob es ein einziges luftrechtiges Vehikel gibt, welches in einer Höhe von neunzig Kilometern sich überhaupt bewegen kann? Die höchsten Flugzeuge, die wir je erlebt haben, sind in 27 Kilometern Höhe. Da ist natürlich, doch da ist noch Luft nach oben, kann man sagen und insofern ist heute die Diskussion: was ist eigentlich mit dem Raum dazwischen, dem sogenannten MESO Space. Aber das sind andere Dinge, die wir vielleicht hier gar nicht so intensiv behandeln sollten.
[00:08:08] Stephan Dalügge: Ja, im Grunde sind die Weltraumrechtler sich ungefähr einig, dass es 80-120 sein sollten. Satelliten sind ja bei, selbst die niedrigsten, sind bei über 200. Flugzeuge sind bei elftausend.
[00:08:20] Stephan Hobe: Elf Kilometer, ja genau. Elf Kilometer ist die Reiseflughöhe.
[00:08:23] Stephan Dalügge: Ja und dann gibt es noch gewisse Ballons, die sind noch höher oder so. Aber immer noch alle im Luftraum. Okay. Und dann gab es den zweiten Weltkrieg. Dann kam der kalte Krieg. Und die Ära, in der man dann angefangen hat Weltraumrecht zu schreiben, hat im Grunde 1957 angefangen oder mit Sputnik 1?
[00:08:42] Stephan Hobe: Das wird man so sagen können, ja. Sputnik ist – der 4. Oktober 1957 – ist ein zu Unrecht von vielen, als ein nicht wesentlicher Tag der Weltgeschichte angesehen worden. Es ist der Tag, an dem den Amerikanern klar wurde, dass sie, was sie ja gezeigt hatten in Hiroshima und Nagasaki, nicht mehr als einzige den Weltraum dominieren können und ihr nukleares Arsenal im Weltraum nutzen können. Das wird klar. Und damit wird klar, dass es zu einer Form von Wettrennen kommt. Der Kalte Krieg war in seiner größten Blüte. Und in diese Zeit fällt – wir sprechen natürlich auch von der Problematik Schweinebucht in den 1961ern, Kuba, Missile Crisis – in diese Zeit fällt dann die Evolution des Weltraumrechts.
[00:09:33] Stephan Dalügge: Und den Amerikanern ist das klar geworden, weil die gesagt haben, wenn die Sowjets einen Satelliten in den Orbit schießen können, dann können Sie auch einen Interkontinent haben.
[00:09:43] Stephan Hobe: So ist es, ganz genau, das ist dieses richtige Schlussfolgerung gewesen. Und so war es dann ja auch und am Anfang war das nun auch für die Amerikaner extrem schwierig, denn die Russen, die ja propagandistisch große Meister sind, haben ihre ganzen Erfolge am Anfang glänzend vermarktet. Sie haben den erste Hund in den Weltraum geschickt. Sie haben mit Juri Gagarin den ersten Menschen in den Weltraum geschickt. Sie waren eben nach mit Sputnik mit dem ersten Satelliten dabei. Und das hat den damaligen Präsidenten der Vereinigten Staaten, John F. Kennedy, 1961 so nervös gemacht, dass er gesagt hat – in einer State of the Union Adress – gesagt hat, dass die Vereinigten Staaten alle Anstrengungen unternehmen würden, um einen Menschen zum Mond zu schicken – es war aber nicht von Menschen die Rede, es war nur von Männern die Rede – einen Mann auf den Mond schicken würden, „before this decade is out“.
[00:10:40] Stephan Dalügge: Was sie dann auch geschafft haben.
[00:10:41] Stephan Hobe: Was sie dann auch geschafft haben, eben im Juni, Juli 2000 – 1969, pardon.
[00:10:48] Stephan Dalügge: Es gab sogar selbst kurz nach dem zweiten Weltkrieg, gab es in Amerika schon die Überlegung von Leuten wie John von Neumann, ob sie nicht die Sowjets angreifen sollten, bevor sie Atomwaffen haben. Haben sie dann zum Glück nicht gemacht. Dann haben die Amerikaner erkannt, die Sowjets haben jetzt auch die Möglichkeit uns innerhalb von einer halben Stunde oder so mit Interkontinentalraketen zu erreichen. Wir müssen das regulieren. Und haben das aber nicht bilateral gemacht mit der Sowjetunion, sondern dann hat das in den Vereinten Nationen angefangen. Wie hat das am Anfang seine Anfäng genommen?
[00:11:23] Stephan Hobe: Ja, das ist eine sehr richtige Feststellung, die Sie gemacht haben, denn es hätte natürlich die theoretische Möglichkeit bestanden, dass die einzigen Weltraummächte, die UdSSR und die USA das bilateral hätten abhandeln können. Aber es gab damals große Bedenken gegen ein solches Vorgehen aufgrund der dann fehlenden Legitimation. Man wusste, dass diese Bewegung aufkamen, man musste die sogenannte sich entwickelte Welt des globalen Südens mit einfangen. Man wollte ja zumindest deren, ja, nicht sich gegen die entscheiden ausdrücklich und sofern brauchte man auch deren okay oder jedenfalls Gleichgültigkeit. Insofern wurde ein Sonderausschuss der Generalversammlung der Vereinten Nationen geschaffen, der mit seinen zwei Unterausschüssen, einem rechtlichen und einem wissenschaftlichen technischen, dann entsprechende Vertrags- Dokumente vorbereiten sollte. Das sollte das Ziel sein. Es sollten sozusagen rechtliche Meilensteine für die menschliche Nutzung des Weltraums oder jedenfalls des kleinen Teils des Weltraums – es geht ja nur um das Sonnensystem – der nutzbar war und uns bekannt war, das sollte gemacht werden. Und das gelang dann auch am Anfang relativ gut.
[00:12:42] Stephan Dalügge: Genau man hat dann wenig später angefangen da drin zu verhandeln und der war am Anfang noch relativ klein, oder? Ich glaube 18 Mitglieder, aber heute ist der viel größer.
[00:12:50] Stephan Hobe: Ganz genau, heute sind es über 100.
[00:12:52] Stephan Dalügge: Ja, was wahrscheinlich auch die Rechtsprechung oder die Rechtsgenese, das Schaffen von Recht, schwieriger macht, weil die mit einem Konsensprinzip operieren.
[00:13:02] Stephan Hobe: Darauf müssen wir gleich unbedingt eingehen. Ja, tatsächlich. Also diese Quantität, also der über 100 Staaten mehr, die jetzt sich im Weltraumausschuss bewegen, dort Mitglied sind, das wirkt sich, das schlägt um in Qualität, weil – Sie sprechen das mit Recht an – das sogenannte Konsensus-Prinzip dazu führt, dass im Kern alle Bestimmungen, bis in den letzten Buchstaben hinein, vom Konsens geprägt sein müssen. Man hat das eingeführt, damals auch aus Rücksicht auf den globalen Süden, weil man nicht wollte, dass die das Gefühl haben, abgehängt zu werden. Also sollten Sie überall die Möglichkeit ihres Vetos haben. Heute, jedenfalls gehöre ich zu den stärksten schärfsten Kritikern dieses Prinzips, weil ich meine, dass wir uns dadurch, was den Rechtsfortschritt angeht, selbst völlig unnötig Fesseln auferlegen. Und meines Erachtens spricht auch die reine Tatsache, dass es nach dem furiosen Beginn zwischen 1967 und 1979 mit fünf internationalen Verträgen seit 1979 keinen weiteren Vertrag gegeben hat. Das sind fast 40 Jahre.
[00:14:21] Stephan Dalügge: Den ISS-Vertrag?
[00:14:23] Stephan Hobe: Ja, wenn wir jetzt mal in diesen Vereinten-Nationen-Setting… hat es kein weiteres Setting gegeben. Es gab noch Verträge, völlig richtig. Es gab auch in anderen Bereichen noch Verträge, aber hier eigentlich nicht.
[00:14:37] Stephan Dalügge: Ja, habe ich auch bei anderen Weltraumrechtlern gelesen, dass im Grunde dann wohl auch in dem Komitee gemerkt wird, da werden dann teilweise Leute ohne auch vielleicht die nötige Expertise eingesetzt. Und es wird eigentlich…
[00:14:52] Stephan Hobe: Naja, ich glaube vor allem die großen Mächte – das ist das eigentlich Bedenkliche, und wir haben drei überragend große Weltraummächte: Russland, die Vereinigten Staaten und China – haben überhaupt kein Interesse. Denn jedwede weitere Verrechtlichung bedeutet ja ein Limit an eigener Bewegungsfreiheit. Also lehnen Sie das von vornherein ab und sie können es ablehnen, indem sie nur den kleinen Finger heben und sagen: Ich glaube, es besteht kein Interesse daran, dass wir dieses Thema weiterverfolgen. Das kann es eigentlich nicht sein.
[00:15:25] Stephan Dalügge: Wir gehen jetzt mal durch die fünf großen Weltraumverträge und da sehen wir ja auch schon, dass bei dem letzten, bei dem Mondvertrag in 79, schon die wichtigsten Staaten im Weltraum den nicht mehr ratifiziert haben. Fangen wir an mit dem Weltraumvertrag von 1967, dem „Outer Space Treaty“, der eigentlich die Grundsätze festlegt. Ich würde gerne einmal durch die Ge- und Verbote durchgehen.
[00:15:52] Stephan Hobe: Gerne. Ich kann Ihnen das einfach mal so kurz aufzählen im Kern. Stipuliert der Vertrag zunächst die Möglichkeit der Nutzung und der Erforschung des Weltraums. Macht das aber in einer Art und Weise, dass er das nicht unkonditioniert macht. Er sagt in einer sprachlich etwas schwierig nachzuvollziehenden Weise, das müsse alles zum Nutzen und zum Vorteil der gesamten Menschheit passieren. Whatever that means.
[00:16:21] Stephan Dalügge: Artikel 1 legt fest: Also forschen dürfen wir alle. Und wir dürfen es auch explorieren und sogar „use of“ – also „Nutzen“ ist drin. Andererseits dürfen wir es uns nicht einfach so aneignen.
[00:16:32] Stephan Hobe: Ja, das sagt dann Artikel 2, das sagt dann, man darf es sich aber nicht aneignen. Und Artikel 1 sagt eben – dieses Merkwürdige, was ich eben erwähnte – das muss alles zum Nutzen der gesamten Menschheit sein. Das ist schwierig. Mit wirklichem, mit wirklicher Substanz zu füllen. Ich habe selbst versucht – ich erinnere mich noch, für den von uns herausgegebenen größeren Kommentar, den wohl bedeutendsten Kommentar zu den Weltraumverträgen – ich habe über ein halbes Jahr gesessen und die Dokumente immer wieder angeguckt, und oftmals den Kopf geschüttelt. Man will wohl eins damit erreichen und darauf würde ich es mal jetzt zusammenfassen: Monopolstellungen einzelner Staaten bei der Nutzung und Erforschung des Weltraums sollen weitestgehend ausgeschieden werden. Es soll immer auch ein Benefit für die gesamte Menschheit sein. Da soll also diese Form des Staatengemeinschaftsraums zum Ausdruck kommen, aber dann sagen Sie sehr richtig: Man darf sich weder den Weltraum – das ist auch schier unmöglich – noch eine der Himmelskörper, eben aus unseres Sonnensystems, aneignen.
Das heißt – darum wird es deutlich – die Flagge, die amerikanische Flagge auf dem Mond, heißt nicht, dass das jetzt der einundfünfzigste Staat der Vereinigten Staaten wäre, sondern das heißt: hier war ein Mensch und Menschen sind in eine neue Dimension vorgedrungen unseres Universums und dann gibt es, sagt Artikel 3 des Weltraumvertrages: Das Weltraumrecht ist ein spezielles Recht, aber es ist möglich, wenn eine Frage nicht restgültig aus dem Weltraumrecht beantwortet werden kann, Rückgriff auf allgemeine Regeln des Völkerrechts zu nehmen. Und Artikel 4 ist dann eigentlich…
[00:18:19] Stephan Dalügge: Das heißt, wie passieren Schlichtungen im Weltraum?
[00:18:22] Stephan Hobe: Naja zum Beispiel, um ein Beispiel dafür zu geben, sofort komme ich auf Ihre Frage zurück: Es gibt nur sehr schwächliche Regeln zum Umweltschutz im Weltraum. Es wäre also möglich auf Prinzipien und Umweltschutz-Regeln aus Verträgen, anderen Verträgen, vorzugehen und die auch auf weltraumrechtliche Sachverhalte anzuwenden. Weil es kein spezielles, richtiges Recht dort gibt. Schlichtung ist der schwächste Teil, denn das ganze Weltraumrecht kennt eigentlich, außer im Haftungsbereich, nicht wirkliche Schlichtungsregeln. Es gibt auch kein Weltraumgericht soweit. Man würde, Staaten würden dann einander für bestimmte Vergehen vor dem internationalen Gerichtshof verklagen.
[00:19:10] Stephan Dalügge: In Den Haag.
[00:19:11] Stephan Hobe: In Den Haag. So würde das wohl laufen müssen.
[00:19:13] Stephan Dalügge: Haben Sie aber noch nie gemacht, selbst als mal Satelliten kollidiert sind, haben sie darauf verzichtet?
[00:19:18] Stephan Hobe: Nein, das haben sie noch nicht gemacht. Das werden wir vielleicht später noch behandeln, warum das alles nicht passiert ist. Artikel 4 ist die Vorschrift, über die man am wenigsten sprechen wollte, denen Weltraummächten 1967 aber die wichtigste Vorschrift überhaupt war. Sie ist die Demilitarisierungsvorschrift, die eine ganz merkwürdig kryptische Form hat.
[00:19:41] Stephan Dalügge: Nuklearwaffen werden da drin erwähnt, nicht?
[00:19:43] Stephan Hobe: Nuklearwaffen werden erwähnt, die dürfen aber nicht auf Himmelskörpern stationiert werden. Und die dürfen auch nicht, und das ist jetzt das etwas feinziselierte, die dürfen auch nicht im Weltraum in Umlaufbahnen um die Erde benutzt werden. Wenn Sie sich aber genau angucken, wie Interkontinentalraketen funktioniert, dann brauchen die keinen vollen Orbit die Erde, sondern die brauchen immer nur einen halben Orbit. Und das wussten auch alle von Anfang an.
[00:20:13] Stephan Dalügge: Und die wollte man nicht ausschließen. Die Interkontinentalraketen…
[00:20:15] Stephan Hobe: Die wollte man gerade nicht ausschließen.
[00:20:17] Stephan Dalügge: Die Interkontinentalraketen bleiben nicht nur im Luftraum, die werden dann schon über 100 Kilometer hoch. Sie brauchen aber nur den…
[00:20:24] Stephan Hobe: ... halben Orbit, genau.
[00:20:26] Stephan Dalügge: Nur den halben Orbit und deswegen ist es nicht ausgeschlossen, dass wir die benutzen.
[00:20:28] Stephan Hobe: So ist es.
[00:20:29] Stephan Dalügge: Leider.
[00:20:30] Stephan Hobe: Trickreich! Ja, möglicherweise, wenn man Realist ist, wird man sagen: Welche Staaten sind jemals bereit gewesen sich den Ast, auf dem sie sitzen, auch selbst abzusägen?
[00:20:47] Stephan Dalügge: Eben weil es in einem Nuklearkrieg keinen Gewinner gibt.
[00:20:49] Stephan Hobe: Ja, es ist ja genau das gleiche wie zu sagen, wie auch der Besitz von Nuklearwaffen, der nicht verboten ist, was wahrscheinlich auch sehr sinnvoll ist, also nicht verboten ist, aber wo jedenfalls über den nicht Verbreitungsvertrag versucht wird zu kontrollieren zu können, wo das Zeug ist und wo es verwendet wird und dass es nicht in terroristische Hände kommt.
[00:21:09] Stephan Dalügge: Ja, ich sage schade deswegen, weil man sich ja auch vorstellen könnte, dass die Abschreckung, die nukleare Abschreckung, wenn man die haben möchte, funktionieren würde mit den anderen zwei Möglichkeiten Nuklearwaffen einzusetzen. Wir könnten ja auch nur Nuklearwaffen in U-Booten haben und mit Flugzeugen.
[00:21:28] Stephan Hobe: Das stimmt natürlich. Das stimmt natürlich. Aber man hat eben diese Dimension immer mit eingepreist sozusagen.
[00:21:34] Stephan Dalügge: Die große Kritik an den Interkontinentalraketen ist ja, dass wir sie so sehr kurzfristig einsetzen können. Und dann sind die in dreißig Minuten von Wladiwostok in Washington und man kriegt dann fünfzehn Minuten vor Einschlag, der amerikanische Präsident, die Nachricht: Auf uns wird geschossen, möchten Sie zurückschießen? Im Grunde.
[00:21:55] Stephan Hobe: Genau, völlig richtig. So, um schnell noch den Weltraumvertrag zu Ende zu machen: Sehr weitblickend hat Artikel 6 des Weltraumvertrages, spricht davon, dass auch private Unternehmen Dinge in den Weltraum, Raketen in den Weltraum und Weltraumobjekte in den Weltraum schießen können. Was einem Kompromiss entsprang. Die Sowjetunion hatte es überhaupt nicht mit irgendwelchen privaten Aktivitäten. Die Amerikaner wollten das um jeden Preis. So hat man – das ist vergleichsweise, das ist ein guter Kompromiss gewesen – man hat gesagt, das ist möglich, aber nur unter der Bedingung, dass das bei einem Staat angedockt wird. Das geht nur sozusagen, wenn eine staatliche Erlaubnis für ein Privatunternehmen vorliegt. So wie heute etwa SpaceX von Elon Musk, die Erlaubnis der Vereinigten Staaten einholen muss, für jeden Staat.
[00:22:49] Stephan Dalügge: Und der Staat haftet letztlich.
[00:22:51] Stephan Hobe: Der Staat haftet dann dafür und da wird das eben sozusagen festgemacht. Genau.
[00:22:55] Stephan Dalügge: Und kann deswegen, hat den Anreiz, das zu regulieren und zu sagen, mach das ordentlich, versichere dich und so weiter.
[00:23:01] Stephan Hobe: Versichere dich zum Beispiel, sehr schön, genau. Dann gibt es noch, und das können wir jetzt etwas provisorischer machen, das Prinzip der Registrierung: Alle Weltraumobjekte, Satelliten und ähnliches, müssen registriert werden. Das Prinzip der Haftung: Staaten, nicht private Staaten, haften. Der sogenannte Startstaat haftet dafür, wenn durch, von seiner Fläche oder in seinem Tun, gestartete Unternehmen, Flugkörper, Weltraumkörper schaden. Und dann gibt es eben den unseligen schon angesprochenen unseligen Artikel 9, der in einer doch noch etwas sehr mittelalterlich anmutenden Form von Umweltschutz spricht, aber keine wirkliche Umweltschutzbestimmung ist, was ich jetzt nicht im Einzelnen ausführen möchte. Das ist da, wo allgemeines Völkerrecht tätig werden müsste. Summa summarum: Der Weltraumvertrag ist heute auch immer noch ein wichtiger Vertrag, der wohl wichtigste von allen. Von 113 Staaten ratifiziert, also relativ gut akzeptiert, der alle wesentlichen Prinzipien – Prinzip der Nutzung, Symbole der Menschheit, der Nichtaneignung, der begrenzten militärischen Nutzung, der Anwendung allgemeinen Völkerrechts, der privaten Nutzung, der Registrierung, der Haftung und des Umweltschutzes – zum Inhalt hat und damit tatsächlich die wichtigste Grundlage bis heute für menschliche Aktivität im Weltraum.
Was danach gekommen ist, sind sozusagen Spezifizierung bestimmter Prinzipien, die schon im Weltraumvertrag angelegt sind.
[00:24:42] Stephan Dalügge: Der Weltraumvertrag selber, ich hab da mal reingeguckt, der ist relativ kurz, überraschend kurz eigentlich. Man versteht den auch irgendwie als Laie und kann sich aber gut vorstellen, okay, wenn da jetzt nur Registrierung steht oder wenn da steht „Die Erkundung soll Anliegen der Menschheit sein“, dass das dann ausbuchstabiert werden wird.
[00:24:58] Stephan Hobe: Richtig.
[00:24:59] Stephan Dalügge: Teilweise in den anderen internationalen Verträgen und dann im nationalen Recht.
[00:25:03] Stephan Hobe: Richtig. Und so war es tatsächlich und wenn wir wieder weiter schnell durch die Weltraumordnung gehen, das geht ganz schnell jetzt: Es gibt dann eine Rettungsprinzip, auch im Weltraumvertrag. Wenn Astronauten in Stress, in Disstress kommen, muss ihnen zu Hilfe gekommen werden. Und das ist in der Rettungs-Konvention von 1968 nochmal ausbuchstabiert. Dann, das wichtige schon angesprochene Haftungsabkommen, das Prinzip der Staatenhaftung dafür, dass ein in den Weltraum gestartetes Objekt, entweder im Weltraum oder gegenüber einem Flugzeug oder auf der Erde, Schaden anrichtet, dann muss der entsprechende Staat nach bestimmten Bedingungen, unter bestimmten Bedingungen haften.
[00:25:53] Stephan Dalügge: 1972, also der Startstaat oder das Unternehmen, was in dem Startstaat eben angesiedelt ist. Aber letztendlich…
[00:26:02] Stephan Hobe: Immer der Staat.
[00:26:03] Stephan Dalügge: Immer die Verantwortung beim Staat. Der kann nur regulieren wie sein Unternehmen, wie gesagt, versichert sein muss und so weiter. Der müsste dem anderen Staat, dem Geschädigten, Entschädigungen zahlen und so weiter, die der andere aber dann letztendlich verlangen kann, aber wenn sie sich nicht einig werden, dann, wie gesagt…
[00:26:23] Stephan Hobe: Dann müsste man das Klagewegen durchsetzen.
[00:26:26] Stephan Dalügge: Würde das in Den Haag verhandelt werden.
[00:26:27] Stephan Hobe: Das würde wohl in Den Haag verhandelt werden, ja. Dann haben wir noch…
[00:26:29] Stephan Dalügge: Dann haben wir noch Registrierung.
[00:26:32] Stephan Hobe: Richtig. Jedes Weltraumobjekt, also Satellit oder Rakete und so weiter, muss in einem nationalen Register festgehalten werden. Und diese Information muss dann dem Generalsekretär der Vereinten Nationen – nach Wien, dort ist die Weltraum-Administration, nicht in Washington und nicht in New York – übermittelt werden. Das ist sozusagen da festgelegt und dann eben schließlich, der von Ihnen schon angesprochene, höchst problematische, Mondvertrag, der eigentlich die Ausführung des Prinzips der Nutzung des Weltraums und der Himmelskörper sein sollte.
[00:27:11] Stephan Dalügge: Und deswegen auch… Bisher alle, die wir genannt haben, sind ziemlich breit ratifiziert.
[00:27:15] Stephan Hobe: Richtig, ja.
[00:27:16] Stephan Dalügge: Der Mondvertrag aber nur von 18 Staaten.
[00:27:18] Stephan Hobe: Und das, und Saudi Arabien hat schon angekündigt, dass sie zum ersten Januar nächsten Jahres austreten werden. Dann sind es also nur noch siebzehn.
[00:27:25] Stephan Dalügge: Ach toll… Und weder die USA, noch Russland, noch China sind dabei. Der Versuch…
[00:27:30] Stephan Hobe: Frankreich hat gezeichnet, aber auch nicht ratifiziert, ja.
[00:27:33] Stephan Dalügge: Der Versuch, diese Nutzungsordnung, die in dem Weltraumvertrag angedacht ist, etwas weiter auszubuchstabieren. Im Weltraumvertrag steht: Die Nutzung ist erstmal allen Staaten gestattet. „Use of“ steht dabei und soll Anliegen der Menschheit sein. Aber welche Interpretationen sind da jetzt die entscheidendsten? Wo kommen sich Staaten am ehesten in die Quere?
[00:27:59] Stephan Hobe: Dieser Mondvertrag von 1979 ist wiederum inspiriert worden – da kommen wir auf eine frühere Wendung unseres Gesprächs zurück – von den Diskussionen im internationalen Seerecht. In den 1970er Jahren ist über die Neuordnung des Meeresbodens verhandelt worden. Es war dieser Approach und der Claim der Entwicklungsländer zu sagen, nun lass uns nicht immer zu kurz kommen. Gib uns auch mal was vom Kuchen. Ihre Idee war damals, eine internationale Behörde zu etablieren, die Zertifikate für die Nutzung des Meeresbodens geben sollte gegen Geld. Und dieses Geld, nicht unerheblich viel, sollte unter allen Staaten verteilt werden.
[00:28:50] Stephan Dalügge: Und die Entwicklungsländer sind sogar spezifisch erwähnt, die sollen besonders berücksichtigt werden.
[00:28:54] Stephan Hobe: Richtig, genau. Und diese Idee, die nachher ein bisschen verwässert wurde, aber im Kern so in Kraft getreten ist, stand Pate und wurde immer unter dem Stichwort des gemeinsamen Erbes der Menschheit gehandelt, dass nämlich der Meeresboden das gemeinsame Erbe der Menschheit sei und das hat man eins zu eins aufgenommen, so spricht Artikel 11 des Mondvertrages auch davon, dass der Mond und seine Ressourcen das gemeinsame Erbe der Menschheit sei. Jetzt kommt aber das Problem: Der Mondvertrag nimmt erste sehr allgemein gehaltene Konturen dieser Idee auf, buchstabiert sie aber nicht bis zu Ende aus, und sagt dann ausdrücklich im Absatz 5 des Artikels 11: Das soll bitte erst dann ausbuchstabiert werden, wenn konkrete Nutzung des Mondes möglich werden wird.
[00:29:47] Stephan Dalügge: Ja, habe ich auch gelesen. Und selbst als Laie habe ich schon gedacht, eigentlich genau falsch, weil dann ja die Zielkonflikte viel mehr da sind.
[00:29:54] Stephan Hobe: So ist es. Und ich kann Ihnen mehr als nur zustimmen. Deshalb mahnen wir, mahnen wir, mahnen wir und sagen: Kommt zu Potte! Es ist schon fünf vor zwölf oder zwei vor zwölf. Denn jetzt gibt es ja schon konkrete Claims. Es gibt Unternehmen, die würden nichts lieber als da oben kommen. Die Amerikaner berühmen sich, sie könnten sogar Lizenzen dafür ausgeben, dass man das alles dürfe, was leider rechtlich etwas fehlsam ist, aber wahrscheinlich wohl beraten so erzählt wird. Und deshalb wäre es eigentlich dringend angezeigt, dass wir eine solche spezifische Nutzungsordnung bräuchten.
[00:30:33] Stephan Dalügge: Wann würde das Weltraumrecht dann klar? Meinen Sie, die wussten schon, als sie über den Weltraumvertrag, den ersten, verhandelt haben, die wirtschaftliche Nutzung, auch der Ressourcen-Abbau wird kommen oder hat man das dann etwas später realisiert und dann angefangen?
[00:30:51] Stephan Hobe: Also mir scheint es so zu sein. Ich bin nicht Zeitzeuge, aber jedenfalls diesbezüglich, habe das nicht aktiv mitgemacht. Es scheint mir so zu sein, dass man tatsächlich – uns heute etwas merkwürdig scheinend - 1967 hauptsächlich an die militärische Komponente gedacht hat. Die stand ganz im Mittelpunkt. Der Artikel 4, das war überhaupt das, was alle bewegt hat und dass man dann gesagt hat: Na ja, es wird – und das hat man natürlich dann auch sozusagen kursorisch mitbehandelt – na ja, man muss ja auch mal drüber nachdenken, ob man nicht vielleicht auch irgendwann irgendwelchen Nutzen daraus ziehen kann. Aber das ist für viele ganz weit weg gewesen, ganz amorph gewesen. Ich glaube, dass das sich schon geändert hatte – befruchtet von der Diskussion des Seerechts – sich geändert hatte, als man über das Mondabkommen angefangen hat zu verhandeln. Da stand das vielen schon sehr deutlich vor Augen, dass es jetzt darum gehe, aus diesen sehr allgemeinen wolkigen Bestimmungen, wie dem Artikel 1 des Weltraumvertrages, mal sozusagen konkret zu werden und konkret zu sagen, wer was denn bekommen soll.
[00:31:56] Stephan Dalügge: Und Ressourcen können wir vielleicht einmal nennen. Die wichtigsten wären im Grunde Mineralien auf dem Mond oder auf Asteroiden. Und was auch als Ressource behandelt wird, ist manchmal tatsächlich der Raum oder einen geostationären Orbit, der besonders wertvoll ist, weil Satelliten in einem konstanten Verhältnis zur Erdoberfläche stehen. Und der eben nur begrenzt…
[00:32:18] Stephan Hobe: Sehr richtig. Sogenannte Satellitenparkplätze. Ja, denn der geostationäre Orbit kennt nur eine begrenzte Anzahl von Satellitenparkplätzen. Dadurch wird das eine begrenzte Ressource und dadurch entsteht für Juristen ein Verteilungsproblem. Wer soll denn dazu Zugriff haben? Ewig kann man den nicht besetzen, weil das ja wieder gegen das internationale Weltraumrecht verstoßen würde, wonach man sich nichts auf Dauer aneignen kann. Deshalb muss man sich auch solche Satellitenparkplätze immer wieder zuweisen lassen ausdrücklich, kann sie theoretisch aber auch verlieren.
[00:32:52] Stephan Dalügge: Kostet das derzeit was? Die werden ja nicht versteigert oder sowas.
[00:32:55] Stephan Hobe: Die werden nicht versteigert. Nein, das ist ein vergleichsweise sehr kostengünstiges Antragsverfahren bei der International Telecommunication Union.
[00:33:02] Stephan Dalügge: Eigentlich schade. Wenn Sie jetzt selber interpretieren dürfen oder selber das Recht machen dürfen: Wie stellen Sie sich die ideale Nutzungsordnung vor? Würde man Auktionen benutzen und das dann irgendwie zwischen Staaten, die Gewinne verteilen?
[00:33:18] Stephan Hobe: Das ist eine sehr, sehr gute, sehr schwierige Frage. Wie stelle ich mir das vor? Ich habe schon… Wir könnten uns drei Perspektiven vorstellen. Die eine würde tatsächlich, analog dem Seerecht, auch hier möglicherweise eine andere Hürdenstruktur, eine Art von Verteilung vorsehen, wobei das auch Umverteilungselemente haben könnte. Ich kann mir also das Recht dort bohren zu können, auf dem Mond oder sonst wo, auf dem Mars, das kann ich mir durch eine Lizenz erkaufen, muss dann aber ständig und anständig auch in den Pott tun. Zweiter Punkt: man kann sagen, es könnte eine völlig liberale Ordnung sein. Das scheint mir sehr unwahrscheinlich zu sein. Liberal hieße, first comes, first serve. Wer da kommt und die Muskeln hat und das Geld hat, der wird es auch nehmen. Dann könnte man im Nachklapp sagen, weil der muss dann auch dafür sorgen, dass das irgendwie der gesamte Menschheit zugutekommt. Darüber sind wir wahrscheinlich hinaus.
Das ist ja genau die alte Ordnung gewesen, die, glaube ich, für internationale Räume jetzt entsprechend nicht mehr gelten soll. Ja und das Dritte, was man sich entsprechend überlegen sollte oder könnte, ist, ob wir überhaupt – das ist so ein bisschen meine Frage, die wir jetzt haben – ob wir überhaupt schon derzeit in der Lage sind, solche Claims abzustecken. Ob wir das überhaupt schon wollen, dass im Weltraum nach weiteren Vorkommen gegraben wird. Und ob eigentlich schon – mir scheint das nicht der Fall zu sein, nach meinen Forschungen – sämtliche, aber auch sämtliche Umweltrisiken, ausgeschlossen sind. Und das kann ja nicht sein! Sie erinnern sich vielleicht an das Beispiel Antarktis. Da hat man auch von der möglichen Nutzung der Antarktis – Digging in Antarcitc Ice nach Krill – abgesehen, weil nicht absehbar war wie groß die Schwierigkeiten würden und die Veränderung der natürlichen Umwelt. Ich will zwar kein Spielverderber sein und bin es natürlich dann für viele amerikanische Unternehmen, aber ich glaube, es ist eines nicht von der Hand zu weisen: Wer da graben möchte und Aktivitäten haben möchte, trägt die Beweislast dafür, dass das nicht umweltgefährdend ist. Und diese Beweislast muss ganz klar erbracht werden. Und wir haben, meines Erachtens, bisher überhaupt nicht in diese Richtung gedacht, so dass, bevor das nicht ist, in meinen Augen gar nichts losgehen kann und die westlichen Industriestaaten, auch die westlichen Industriestaaten, gut daran täten, hier einen Block zu bilden und zu sagen: Nein, wir weigern uns, an einer Nutzungsordnung teilzunehmen.
[00:36:10] Stephan Dalügge: Sonst haben wir eine Externalität. Das Risiko wird natürlich verallgemeinert und die Gewinne hätten die Unternehmen für sich. Was sind nach ihren Recherchen die größten Risiken, die dabei vorliegen? Liegen die in der Raumfahrt selber, also auf dem Mond?
[00:36:24] Stephan Hobe: Einmal natürlich Rückstände. Zum zweiten, mir ist nicht klar, was man und ob man, wenn man an bestimmte, zum Beispiel ein Lithium auf dem Mond rankommen will, was man da alles kaputt machen muss, um es jetzt mal ganz profan zu sagen. Diese ganzen Vorgänge sind so unklar, dass jedenfalls ich ganz klar Business Pläne sehen möchte, von denen, die das da machen wollen. Ich habe insgesamt, das gebe ich ganz offen zu, so ein bisschen Furcht vor dem Gold Rush. Dass da jemand kommt, getrieben von der Idee ganz, ganz viel Geld machen zu können. Und dann es ziemlich egal ist, ob das irgendwie dann auch auf Kosten der Umwelt geht und wie das genau gehen kann. Also insofern muss das in jedem Fall, ich will da gar nicht sozusagen grundsätzlich dagegen reden, aber es muss dieses gezeigt werden können, dass das tatsächlich umweltunschädlich ist und in meinen Augen hat die Diskussion noch nicht mal angefangen.
[00:37:23] Stephan Dalügge: Das heißt ihnen ist auch die Umwelt auf dem Mond immens wichtig?
[00:37:25] Stephan Hobe: Selbstverständlich. Selbstverständlich. Selbstverständlich.
[00:37:28] Stephan Dalügge: Und die Unternehmen werden vielleicht sagen: es lebt ja keiner, lasst uns machen. Wir haben da unsere – das sind größtenteils Metalloxide, glaube ich, die da sind – theoretisch könnte man die schon auf dem Mond reduzieren. Zumindest in Teilen.
[00:37:39] Stephan Hobe: So ist es. Aber wenn sozusagen die Wissenschaft das klar zeigen kann, dass das im Grunde genommen keine Verschlechterung der jetzigen, des jetzigen Status ist – darum geht es ja immer nicht? Dass wir in Generationengerechtigkeit denken müssen. Wir haben kein Recht der nächsten Generation eine Umwelt zu hinterlassen, die schlechter ist, als die die wir selbst empfangen haben – dann bin ich d’accord. Dann habe ich damit kein wirkliches Problem und dann schienen mir eine Ordnung, wie ich sie angedeutet habe, ähnlich der Seerechtsordnung, wahrscheinlich ganz vernünftig. Zumal man da schon gewisse Erfahrungen gemacht hat, wie das ist.
[00:38:11] Stephan Dalügge: Ja, die Sorge ist ja, dass wenn man einfach sagt: First come, first serve, das erste Unternehmen allzu viele Gewinne macht und aber eigentlich unfair viele Gewinne – sonst wäre halt etwas später jemand gekommen und hätte das vielleicht sogar noch besser gemacht – und der zusätzliche Gewinn, der ihnen eigentlich zustünde, ja viel kleiner sein sollte. Deswegen solche Ideen wie mit Auktionen. Und idealerweise müsste man dann auch noch sich nicht nur einig werden, wie teilen wir das global auf, sondern eben auch, wie teilen wir das intergenerationell auf. Also irgendwie eine gemeinsamen Form oder so haben. Leider, leider scheint es ja so, dass die USA sagen wollen: Wir erkennen Eigentumsrechte von gewonnenen Ressourcen an, oder?
[00:38:57] Stephan Hobe: Jawohl, es ist sehr schockierend zu sehen, dass schon in der Obama-Administration, die Amerikaner ein Gesetz der Gestalt neu ausgestaltet haben, dass sie Titel, also Titel geben für denjenigen, der Ressourcen abgebaut hat. Das steht direkt im Commercialization Act der Vereinigten Staaten mit drin. Luxemburg hat ihnen das nachgemacht. Als weiterer großer Weltraumstaat. Und irgendwann… man schüttelt nur den Kopf, weil man sich eigentlich eine Sache mal überlegen sollte. Es gibt den alten schönen lateinischen Satz, dass keiner mehr Rechte übertragen kann, als er selbst hat: „Nemo plus iuris transferre potest quam ipse habet.“ Und es ist nun mal nach geltendem internationalen Weltraumrecht, so, dass keiner, kein Staat irgendwelche Nutzungsrechte innehat. Und trotzdem werden sie in diesen Verträgen zur Markte getragen. Das ist etwas, was doch sehr verwirrend ist.
[00:40:04] Stephan Dalügge: Versuchen die USA sich dann rauszureden, mit dem 1. Artikel des Weltraumvertrags oder so? Dass da ja die Nutzung des Weltraums allen offen stehen soll.
[00:40:14] Stephan Hobe: Ja, natürlich, ja natürlich, ja, ja, ja, ja.
[00:40:16] Stephan Dalügge: Dann sagen Sie, wir eignen uns ja nicht den Mond selber an, aber so kann man dann, wir haben dann ja auch wirtschaftliche Aktivität reingesteckt.
[00:40:22] Stephan Hobe: Sie sagen, es gelte dieses Aneignungsverbot nur für den Mond selbst, aber nicht für die Ressourcen, das sei so klar da nicht drin.
[00:40:31] Stephan Dalügge: Komische Ansicht, weil die Ressourcen konstituieren natürlich den Mond.
[00:40:34] Stephan Hobe: So ist, so ist es. So könnte man das eigentlich mit ein bisschen zusammenreißender Logik auch erklären, ja.
[00:40:40] Stephan Dalügge: Die USA und Luxemburg sagen schon explizit, wir erkennen das an. Was ist mit den anderen großen Weltraumnationen? China und Russland?
[00:40:47] Stephan Hobe: Die halten sich da bedeckt, weil die möglicherweise sich ihrer Sache nicht so sicher sind, wie diese Staaten. Man muss allerdings auch mal sehr vorsichtig sein. Das kann ja, und ist ganz sicher im Falle Luxemburgs auch gehörig Propaganda. Ich weiß noch genau, dass dieses luxemburgische Gesetz damals im luxemburgischen Wahlkampf eine Rolle gespielt hatte und die Partei, die lange – praktisch noch nie – die luxemburgische Regierung gestellt hatte, jetzt sozusagen, mit dieser Idee „Luxemburg ist Weltraummachtmacht“ tatsächlich später auch die Wahl gewonnen hat, was erstaunlich ist. In Deutschland würde das, glaube ich, keinen hinter dem Ofen vorlocken.
[00:41:26] Stephan Dalügge: Ja, man würde es auch nicht glauben, nicht wahr. Aber Russland hat auch schon, Russland hat zumindest schon Mondteile versteigert, oder? Das heißt im Grunde sagen sie ja auch, in dem, was wir da wieder zurückgebracht haben, das ist schon unser Eigentum.
[00:41:41] Stephan Hobe: Ja, das darf man. Man kann so ein paar Dinger sozusagen als Andenken mitnehmen. Ja, es soll das Ganze nur verhindert werden. Was eben nicht geregelt ist, ist nach unserer Fassung, was nach unseres Erachtens richtig ist, ist, dass man das kommerziell vertreibt, dass man die Dinger dort abschlägt und mitnimmt und unten kommerziell vertreibt auf der Erde. Das ist nicht möglich.
[00:42:03] Stephan Dalügge: Wir bleiben noch mal beim Aneignungsverbot und gehen jetzt vielleicht mal zum Mars. SpaceX will ja bekannterweise zum Mars und möchte da auch eine Mars-Basis errichten. Wenn man in deren Nutzung, in deren Terms of Service, also in den Nutzungsbedingungen quasi, in den Verträgen, die sie abschließen, reinschaut, dann steht da: „Parties recognize Mars as a free planet and that no Earth-based government has authority or sovereignty over Martian activities. Disputes will be settled through self-governing principles, established in good faith, at the time of Martian settlement.“ Also sie sagen: der Mars… kein Staat hat eine Souveränität über den Mars. So weit, so gut. Aber auch, dass Sie wenn sie da ankommen, sich quasi selbst eine Verfassung geben und selbst das Einrichten, wie sie Konflikte auf dem Mars schlichten würden. Das widerspricht doch völlig den Weltraumverträgen, oder?
[00:43:05] Stephan Hobe: Ja, aber man muss… Ja natürlich klar, aber man muss sich natürlich überlegen, ob eine solche Besiedlungssituation – wenn sie denn dahin führen soll – tatsächlich bisher von unserer Vorstellung der Weltraumverträge umfasst ist. Die Weltraumraketen gehen im Kern eigentlich auf nichts Permanentes, auf keinen permanenten Aufenthalt. Die hoppeln da ein paar Tage rum. Drei Tage, vier Tage, dann ist die Mission zu Ende und sie sind zurück. Wenn wir tatsächlich mal von der Tatsache ausgehen wollen, es würde sich hier um eine ständige Besiedlung handeln, beziehungsweise um das berühmte „One-Way-Ticket To Mars“, dann hätten wir in der Tat eine völlig neue Situation und dann würden sich viele Fragen fundamental neu stellen. Dann müsste man sich etwa überlegen, welchen rechtlichen Status haben eigentlich diese neuen Settler – nenne ich sie mal – die Siedler dort.
[00:44:08] Stephan Dalügge: Vielleicht sogar dort geboren.
[00:44:10] Stephan Hobe: Richtig, vielleicht sogar später mal dort geboren, wenn das denn irgendwie möglich ist und es gibt ja, es ist ja sehr advers für den menschlichen Körper, diese starken Temperaturschwankungen.
[00:44:20] Stephan Dalügge: Starke Strahlung.
[00:44:21] Stephan Hobe: Ja, vor allem die starke Strahlung. Sie dürfen nicht vergessen, dass schon jetzt jeder Astronaut – ich habe das mit Thomas Reiter persönlich durchgesprochen – ganz gravierende gesundheitliche Schäden dadurch hat, dass die Knochen sich abbauen im Weltraum.
[00:44:42] Stephan Dalügge: Was ja noch nicht durch die Strahlung ist.
[00:44:44] Stephan Hobe: Nein, noch nicht mal durch die Strahlung. Die Strahlung kommt dazu, genau.
[00:44:47] Stephan Dalügge: Die Strahlung ist, ich glaube, Astronauten sind die eine Berufsgruppe, bei denen diese Höchstgrenzen für Strahlung eben außer Kraft gesetzt werden. Bei so einem Arzt, der muss so ein kleines Gerät, ein analoges Gerät, der trägt das mit sich rum, der darf nicht so viel Strahlung abbekommen. Bei Astronauten geht das nun mal nicht anders.
[00:45:03] Stephan Hobe: So ist es. Also das ist sozusagen so ganz neue Vorstellung davon. Ich finde das enorm interessant darüber nachzudenken. Ich bezweifle, dass ich das in meinen, zu meinen Lebzeiten noch mitbekommen werde. Aber es ist trotzdem natürlich, sich sozusagen zu überlegen, was das eben auch juristisch bedeutet. Sind das dann Staaten, die da sind? Wir nennen das Kolonien, aber das ist ja auch ein belastetes Wort sozusagen, wenn wir mal so gucken. Ist das Kolonialismus, Fragezeichen. Welche Form ist… Und ich glaube, es ist völlig richtig: Die Menschen, die dort sind, werden sich, wie die Settler irgendeines, ja, entdeckten in Anführungszeichen Gebietes, ihre Regeln geben müssen. Und es wird wahrscheinlich nicht ohne Rechtsregeln ausgehen können. Das ist relativ sicher, aber wenn die dann sagen: Mord und Totschlag soll bei uns an der Tagesordnung sein, dann sei es so.
[00:45:55] Stephan Dalügge: Schwierig, oder? Im Zweifel können die sagen…
[00:45:58] Stephan Hobe: Sehr schwierig!
[00:45:59] Stephan Dalügge: Ihr seid sowieso, ihr seid acht Lichtminuten entfernt, das dauert über ein Jahr, bis ihr hier seid. Wir machen jetzt, was wir wollen. Und andererseits möchten wir ja vielleicht keine Anarchie und möchten, dass gewisse Grundsätze weiter mit implementiert sind.
[00:46:15] Stephan Hobe: Ja. Ja!
[00:46:17] Stephan Dalügge: Plus die Nutzung ist ja, glaube ich, schon auch mit angedacht, dass das keine ganz für sich stehende Kolonie wäre, sondern dass das teilweise finanziert sein könnte, dadurch dass Ressourcen hin und her geschafft werden.
[00:46:28] Stephan Hobe: Das ist der Punkt. Das würde die Situation deutlich noch mal verändern. Aber es ist tatsächlich ja wohl so, wie Sie sagen. Es sind jedenfalls bisher nicht zum Überleben ausreichende Ressourcen entdeckt worden, auf den entsprechenden Himmelskörpern unseres Sonnensystems. Was es natürlich sehr schwierig macht. Weil damit die Grundbedingungen des Lebens und Überlebens nicht zunächst mal sichergestellt sind.
[00:46:50] Stephan Dalügge: Das ist mindestens noch Jahrzehnte wahrscheinlich entfernt. Das wäre sehr schwierig. Theoretisch könnte man versuchen eine Atmosphäre zu schaffen und zu allererst würden Leute mal – das würde man wahrscheinlich machen, bevor man ankommt – vielleicht muss man viel drinnen leben mit dickem Schutz und so weiter und viel mitnehmen. So viel zu SpaceX.
Machen wir mal mit der Haftung noch mal weiter. Wir kommen zurück zu dem Haftungsprinzip. Es gab 2009 eine Kollision zwischen Satelliten von Russland und den USA. Der russische Satellit war schon nicht mehr ansteuerbar und der amerikanische war noch aktiv. Theoretisch hätten die USA jetzt eine Rechnung an Russland schreiben können und sagen: Bezahlt uns den jetzt?
[00:47:40] Stephan Hobe: Na ja, das ist so eine Sache, denn wir haben ja im Weltraum bisher nicht so wirklich Regeln, die sagen rechts vor links und links vor rechts, wie wir es auf der Erde haben. Und deshalb ist so ein bisschen die Frage, das Recht hat im Grunde genommen dazu darüber hinaus auch eine Lücke. Für die Fälle der Kollision von zwei Weltraumflugkörpern im Weltraum gilt nämlich, ist diese Haftung nicht verschuldensfrei, sondern sie ist vom Verschulden abhängig. Das heißt, wer von dem jeweils anderen Geld/Schadensersatz möchte, muss das Verschulden aufzeigen können. Und da ist natürlich so ein bisschen die Frage: Hat derjenige/handelt der mit Verschulden, der nur sein Weltraumobjekt dann ohne Treibstoff belässt oder macht der es falsch, der auf den drauf donnert, weil er irgendwie nicht vorher ausgewichen ist? Und weil diese Frage praktisch nicht zu lösen ist oder sehr schwierig war und wir jedenfalls dort nicht wirklich durch Logik oder sonst etwas entscheiden, diesen Konflikt entscheiden können, hat es auch keinen Prozess diesbezüglich gegeben.
[00:48:57] Stephan Dalügge: Bei den ersten Satelliten war das noch üblich, dass man die einfach dann im Orbit lässt, oder? Und heute schickt man sie dann hoch…
[00:49:07] Stephan Hobe: Da kommen Sie jetzt zu einem sehr, sehr, sehr wichtigen, sehr drängenden Problem: Der zunehmenden Verdreckung der Orbits. Der zunehmenden Verdreckung der Orbits. Der Mensch ist, wie er das schon auf der Erde so glanzvoll hinbekommt, dann auch dabei – deshalb versuche ich auch so stark, die Fahne des Umweltschutzes hochzuhalten – auch dabei diese Dimension seines Schaffens sich insofern unterzuordnen, als er dort sichtbare Spuren hinterlässt. Es ist so, dass wir das in den nutzbaren Orbits – das ist vor allem der niedrige Erdorbit „LEO“, Low Earth Orbit, wo viele Telekommunikationssatelliten sind, wie auch im geostationären Orbit, den Sie angesprochen haben, 36 Tausend Kilometer über den Äquator – dass dort schon sehr viele Rückstände sind. Kleine und kleinste Teile, die eben nicht verglüht sind. Viele Staaten haben sich nicht die Mühe gemacht – was inskünftig zu fordern wäre – einen genauen Plan zu machen und vorabsegnen zu lassen und auch entsprechend dieses Planes zu handeln, was vom Moment eins des Launches dieses Weltraumobjektes, bis hin zu der Funktionsuntüchtigkeit genau, bitte genauestens, passieren soll. So ist es passiert, dass eben Space Junk, nenne ich das mal, irgendwo im Weltraum rumflitzt. Und rumflitzt ist kein falsches Wort, weil die enorme Akzeleration eben dazu sorgt, dass schon kleine und kleinste Partikel von etwas über einen Millimeter bis einem Zentimeter in der Lage sind, große Satelliten von fünfzehn Kubikmetern funktionsuntüchtig zu machen.
[00:51:08] Stephan Dalügge: Auch die ISS musste schon Ausweichmanöver fliegen.
[00:51:04] Stephan Hobe: Auch die ISS muss ständig Ausweichmanöver fliegen. Genau, das ist nicht unproblematisch und wir müssen meines Erachtens da zu einem, wie auch auf der Erde, zu einem grundlegenden Umdenken kommen. Wir sind tatsächlich dabei – so sagt ESA, so sagen es andere naturwissenschaftliche Spitzenforscher – wir sind dabei, just dabei, den Ast, auf dem wir sitzen, uns abzusägen.
[00:51:32] Stephan Dalügge: Also im Grunde zweierlei: Wir müssen uns einmal überlegen, was machen wir mit dem derzeitigen Schrott? Können wir ihn aufräumen? Mit Licht weg schubsen oder mit Netzen einfangen oder so etwas? Und festlegen, wie sorgen wir dafür, dass es in Zukunft keinen zusätzlichen Schrott gibt? Nämlich eben sowas, wie: Nach den 25 Jahren Lebenszeit muss der Satellit noch Treibstoff haben, damit er in einen Friedhofsorbit kann oder er kann in der Atmosphäre verglühen. Also etwa hoch oder runter. Und zweiteres passiert wahrscheinlich, oder?
[00:52:08] Stephan Hobe: Ganz richtig, ja, ja. Wir haben Regeln, allerdings rechtlich sehr schwache Regeln, die versuchen sollen, eher im Sinne von Empfehlungen zu zeigen, wie die Entstehung von Space Debris – so heißt der fachliche Terminus – verhindert werden soll. Indem zum Beispiel festgelegt wird, was nach dem Ende einer Mission mit einem Weltraumobjekt passiert. Sie haben das richtig angesprochen: Er soll im Kern, durch, zurück in die Atmosphäre und dort verglühen. Das ist der beste, oder in einen sogenannten Friedhofsorbit. Wobei das das Problem ein bisschen wieder verschiebt auf dem Zeitstrahl. Zwar erheblich gut verschiebt, weil es ewig lange dauert, bis er dann wieder runtersinkt, aber es ist trotzdem keine wirklich gute Lösung.
[00:53:00] Stephan Dalügge: Achso, ja ein paar Kilometer im Jahr sinkt man trotzdem.
[00:53:03] Stephan Hobe: So ist es. Aber da und zweiter Punkt, der da ganz handgreiflich ist: Es gibt sogenannte Antisatellitenwaffen. Waffen, die eingesetzt werden gegen Satelliten. Satelliten, die man als vielleicht Killersatelliten oder sonstige Satelliten, gefährliche Satelliten empfindet, die aber ständig getestet werden müssen. Und das kann man nur, indem man auf die Satelliten drauf hält, und mal einen Schuss abgibt und mal guckt, wie viele kleine Teile dann da runterkommen. Das sind natürlich alles gefährlichste Trümmerteile.
[00:53:35] Stephan Dalügge: Indien hat das in 2019 gemacht.
[00:53:37] Stephan Hobe: Indien macht das, hat das gemacht. Und deshalb gehen auch die Empfehlungen der Forschergruppe dahin, die mittlerweile immer mehr international anerkannt werden, diese „ASAT-Tests“, diese Anti Satelliten Tests, überhaupt völlig zu eliminieren, sie zu verbieten. Da muss man aber klar sagen: Das Völkerrecht verbietet sie nicht bislang. Dies sind nur Empfehlungen. Rechtlich nicht, sozusagen, fest und hart. Man wird gucken, ob gegebenenfalls sich tatsächlich, durch die Beachtung dieser Regeln, die zwar nicht verbindlich sind, aber eben doch nach Beachtung schreien, sich gegebenenfalls auch die Rechtslage verändern könnte. Das ist der eine Punkt.
[00:54:18] Stephan Dalügge: Kann das zum Gewohnheitsrecht werden?
[00:54:20] Stephan Hobe: Das könnte zum Gewohnheitsrecht werden. Ganz genau, daran ist gedacht. Das ist der Punkt der Prävention.
[00:54:27] Stephan Dalügge: Eine Frage habe ich dazu noch.
[00:54:28] Stephan Hobe: Bitte.
[00:54:30] Stephan Dalügge: Bei der Kollision von den amerikanischen und russischen Satelliten, das ist mir irgendwie einleuchtend, okay. Man hat kein Verkehrsgesetz, da ist kein rechts vor links, wir wissen nicht, wer Schuld hat, dann lassen wir es jetzt einfach mal gut sein. Aber wenn ein Staat seinen eigenen Satelliten zu so einem Test abschießt und dann viel Space Debris erzeugt und der dann einen anderen Satelliten beschädigt und man das zuordnen könnte, müsste es da nicht dann die Haftung geben?
[00:54:59] Stephan Hobe: Da müsste es eine Haftung geben, ja eindeutig.
[00:55:01] Stephan Dalügge: Und die könnte man auch theoretisch heutzutage durchsetzen?
[00:55:03] Stephan Hobe: Ja, das könnte man. Das könnte man eindeutig. Ja das ist ganz richtig.
[00:55:07] Stephan Dalügge: Ist die Zuordnung schwierig oder weiß man das?
[00:55:09] Stephan Hobe: Die Zuordnung ist unendlich schwierig, ja. Das ist natürlich genau wieder der Punkt. Man kann es den kleinen Debrispartikeln leider nicht ansehen. Der sagt nicht: „Ich bin ein Ami.“ Das ist exakt das Problem.
Jetzt haben wir die Problematik, die zweite Problematik: Wie kriegen wir das Zeug da oben wieder weg? Da ist eben eine Menge von der Leute, die mehr davon verstehen, die sich damit beruflich beschäftigen, die sagen: Wir wollen die Kirche mal im Dorf lassen, noch ist das nicht gefährlich. Das exponentielle Anwachsen zeigt uns, dass in fünfzehn, zwanzig Jahren das wirklich gefährlich werden könnte. Das heißt, wie auch beim Klima, Global Warming: Wir dürfen nicht in der gleichen Geschwindigkeit weitermachen.
[00:55:53] Stephan Dalügge: Und wir sollten nicht bis 5 nach 12 warten.
[00:55:55] Stephan Hobe: Ja, und das ist eben das riesige Problem. Und es gibt, das ironische dabei ist, es gibt Techniken, des Pulling und des Pushing und des Einfangens. Pulling heißt also sozusagen „Runterschießen von Weltraumobjekten“, dass die dann durch den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verglühen.
[00:56:16] Stephan Dalügge: Schießen mit Licht, oder?
[00:56:18] Stephan Hobe: Genau. Ja, oder eben durch Netze einfangen. Die gibt es schon. Und es gibt auch Unternehmen, die das eigentlich nicht unattraktiv finden, das zu machen. Frage ist jetzt, wie kann man daraus ein System machen, was funktioniert. Denn das ist ja sicherlich im Menschheitsinteresse so was zu tun, das würde ich mal unterstellen. Und da gibt es eigentlich Überlegungen bisher nur, die meines Erachtens richtigerweise dahingehen, dass hier Anreize gegeben werden müssen, dass sich Unternehmen in genau diesem Sinne betätigen. Meines Erachtens wird alles in Zukunft nur noch so laufen können, dass wir jedem Unternehmen, jedem Staat, der den Weltraum nutzen will, eine Nutzergebühr abverlangen müssen. Verbrauch von Natur ist kostenpflichtig. Für uns Menschen auf der Erde und für Raumfahrer und alle auch. Ja, werden die Privatunternehmen schreien, das macht uns sowieso, es macht es uns unmöglich. Dann können wir sowieso nicht und so weiter. Aber ich bin doch der Auffassung, wir müssen da hart bleiben.
Dies Geld, was wir dadurch einnehmen können, muss in einen Fond. Und aus diesem Fond könnten wir solche Unternehmen, die sich professionell und kommerziell damit beschäftigen wollen, den Weltraum zu reinigen, zunächst bezahlen, bis daraus etwas marktwirtschaftlich gängiges geworden ist.
[00:57:54] Stephan Dalügge: Den Unternehmen, die einfach so diese knappe Ressourcen nutzen wollen und gleichzeitig den Orbit vermüllen wollen, kann man sagen: Wenn es sich dann für euch nicht lohnt, dann ist es eben augenscheinlich nicht wirtschaftlich, wenn ihr dafür nicht bezahlen wollt. Und ihr müsst eben für diese Ressource auch bezahlen. Entweder eine Gebühr oder ihr ersteigert das und dann wollen wir nicht mal Profit damit machen, sondern wir wollen einfach nur eine saubere Umwelt hinterlassen.
[00:58:22] Stephan Hobe: Exakt. So ist es. Also das ist, glaube ich, eine Logik, der sich alle unterordnen müssen. Das geht mir ein bisschen zu langsam. Wir diskutieren darüber schon sehr lange und es sind wieder die üblichen Verdächtigen, die da kein Interesse haben und ihre Privatunternehmen auch ganz gewaltig schützen.
[00:58:37] Stephan Dalügge: Wie viel Hoffnung haben Sie, dass das passiert?
[00:58:40] Stephan Hobe: Ich habe Hoffnung insofern, da habe ich mal Hoffnung! Erstens, weil es sich um marktwirtschaftliche Ansätze handelt. Die sind alle noch sehr viel leichter zu vermitteln. Da geht es ja letztlich nur darum den Startvorteil des größeren Profites jetzt zu bewahren, dadurch dass man die Füße still hält. Und zweitens, ja ich glaube es geht nicht nach meiner Einschätzung, auch wenn ich die Diskussion richtig gehört habe, nicht wirklich um etwas Existenzbedrohendes. Und etwa, die amerikanische Wirtschaft ist so unendlich stark, die wird das abkönnen. Da bin ich sehr fest davon überzeugt. Und der letzte Punkt ist der Erfahrungssatz, dass man sich zukünftiger großer Profitchancen, allein für die Telekommunikationsindustrie, begeben möchte, dadurch, dass das alles vermüllt da. Das leuchtet eigentlich jedem ein, dass das Schwachsinn ist.
[00:59:30] Stephan Dalügge: Selbst den egoistischsten …
[00:59:32] Stephan Hobe: Selbst den Egoistischsten, dass das zu egoistisch gedacht ist. Ja und da bin ich relativ optimistisch, dass das klappt.
[00:59:39] Stephan Dalügge: Und bei der Telekommunikation kriegen wir es auch hin, dass wir die Frequenzen einfach versteigern.
[00:59:43] Stephan Hobe: Ja, richtig.
[00:59:45] Stephan Dalügge: So viel zu den großen Weltraumverträgen. Wollen wir noch mal mit dem ISS-Vertrag weitermachen von 1998? Was ist darin festgelegt?
[00:59:55] Stephan Hobe: Das ist eine spezielle Zusammenarbeit von Staaten, ausgehend von den Vereinigten Staaten von Amerika, die sich ganz bewusst auch als der Boss innerhalb dieser Staatengemeinschaft gekennzeichnet haben. Später wurde Russland dazu eingeladen. Ob das jetzt noch sehr sustainable ist, wird man sehen. China wurde nicht eingeladen, worüber die sehr böse sind, haben aber jetzt ihre eigene Raumstation. 15 Staaten der europäischen Weltraumagentur ESA, Japan – ich glaube, ich hab sie dann schon fast alle – und Kanada. Die haben geplant – das ist der zweite Anlauf, vor zehn Jahren wurde schon die erste Station geplant – eine internationale Raumstation auf die Beine zu stellen. Raumstationen haben auch so eine gewisse Geschichte, die Russen haben damit angefangen. „Mir“ heißt die berühmteste Raumstation, was auf Russisch Welt und Friede heißt gleichzeitig. Und dann eben das amerikanische Gegenbild mit der „International Space Station“ – ein vornehmlich zu wissenschaftlichen Zwecken aufgesetztes Programm. Dort sollen im Wesentlichen wissenschaftliche Experimente unter den Bedingungen verminderter oder fast nicht vorhandener Schwerkraft gemacht werden.
[01:01:18] Stephan Dalügge: Zum Beispiel auch medizinisch. Viele Prozesse passieren schneller ohne, zum Beispiel auch der Knochenaufbau.
[01:01:25] Stephan Hobe: Zum Beispiel, ja eben auch. Und natürlich: wie reagiert der menschliche Körper auf diese ganzen Sachen? Ja ganz genau. Ja, ich finde das ist eine segensreiche Sache. Wir müssen viel mehr lernen über das, wie dieses, uns ja wohl adverse Umfeld eigentlich auf den menschlichen Körper reagiert. Was man dort an Experimenten machen kann. Trotzdem bin ich der Auffassung: Wir machen ein bisschen wenig draus. Es ist etwas, was über öffentliche Haushalte läuft. Das sind gewaltige Mengen. Es ist es mir nicht klar, wie lange diese Kooperation noch gehen soll. Das ist auch so ein bisschen derzeit diskutiert. Ich weiß nicht, ob die Geduld der Amerikaner irgendwann auch mal erschöpft ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein Nachfolgeprojekt weiterhin so ausschließlich aus öffentlichen Haushalten gibt. Und ich fand es auch etwas problematisch.
[01:02:23] Stephan Dalügge: Die Geduld der Amerikaner im Sinne: Wir bezahlen für die Europäer mit? Oder auch der amerikanischen Wirkung?
[01:02:27] Stephan Hobe: Nein, nein, nein. Wir bezahlen ja auch nicht. Die Europäer bezahlen weniger, haben aber auch weniger Nutzungsrechte. Das ist ganz, ganz symmetrisch dort gemacht. Denn die Amerikaner, um die kreist dort alles, was man schon in der Vertragsstruktur sehen kann: Alle anderen Staaten müssen mit der NASA einen Vertrag abgeschlossen haben. Über die konkreten, den Anteil der Nutzungsrechte, die sie da haben, wie viele Experimente sie wo machen dürfen. Meines Erachtens ist es aber so ein bisschen – das würde ich kritisch anmerken – zu wenig daran gedacht worden, dass auch durch irgendwelche anderen Maßnahmen Geld reinkommt. Man hätte da Commercials oder sonst irgendwas machen können. Da sagen viele: Naja, das ist der hehre wissenschaftliche Zweck, der wird dann verfehlt. Aber, I mean, ist das wirklich so wichtig bei diesen Dingen? Ich glaube, Core-Wissenschaft ist da gemacht worden, gar keine Frage. Und es sind ja auch gute Ergebnisse zum Teil da rausgekommen, aber na ja. Auch Herr Reiter, der darf das nicht anders sagen, aber der war da auch schon etwas, manchmal zweifelnd.
Also ich bezweifle, dass es ein Nach… Erstens mal ist es unklar, wie die internationalen Zusammenarbeit und die Schwierigkeit der Zusammenarbeit zwischen Russland und Amerika, also das geopolitische Klima, ob sich das und wie sich das in der Zukunft auswirkt. Wenn Russland ausscheiden sollte, wird es aber wohl auch so sein, dass irgendwann die Weltraum, die Space Station Corporation, an ihr Ende geraten wird und ich bezweifle sehr, dass das nochmal eine Neuauflage, wieder aus öffentlichen Haushalten finanziert werden wird.
[01:04:08] Stephan Dalügge: Die ISS existiert ja schon länger, als man anvisiert hatte.
[01:04:12] Stephan Hobe: Ja, ja, ja, ja, ja.
[01:04:15] Stephan Dalügge: Sinkt auch nach und nach ab und so weiter. Und natürlich ist da, sind da auch Nutzungserscheinungen. Ich glaube, das Recht, was auf der ISS gilt, ist auch interessant. Das ist ja nicht nur amerikanisches Recht. Alle Nutzungsrechte müssen verhandelt werden, aber es gibt auch die Flügel, wo nationales Recht von den Mitgliedstaaten gilt.
[01:04:33] Stephan Hobe: Es ist so: Die ISS besteht aus verschiedenen Modulen: Einem amerikanischen Modul, dem natürlich größten, dem japanischen, dem kanadischen und einem ESA Modul. ESA steht für European Space Agency: fünfzehn europäische Staaten. Diese jeweiligen Module gelten als Weltraumobjekte, im Sinne des Weltraumrechts, und werden je separat registriert. Der europäische Teil übrigens von Frankreich.
[01:05:09] Stephan Dalügge: Ja, wo die ESA auch sitzt.
[01:05:10] Stephan Hobe: Richtig, ganz genau. Ja, so, damit gilt aber – so internationales Weltraumrecht – in den jeweiligen Modulen das Recht des Registrierstaates. Da kommen wir auf das nationale Recht zurück, sodass zu klären wäre, wenn ein Russe einem Amerikaner etwas im amerikanischen Modul einschenkt beziehungsweise ihm eine Watschen gibt, dass da dann wahrscheinlich amerikanisches Strafrecht anwendbar wäre, wenn das denn dazu käme.
[01:05:44] Stephan Dalügge: Zum Glück sind Astronauten ziemlich friedliebende Menschen.
[01:05:46] Stephan Hobe: Ja, ja, genau. Friedfertige Menschen, genau, die an das Gute der Menschheit glauben. Also das gibt es tatsächlich.
[01:05:55] Stephan Dalügge: Aber für Patente und so ist es auch wichtig.
[01:05:57] Stephan Hobe: Auch für Patente. Da kann es also zu Rechtskollsisionen kommen. Ganz genau. Das ist natürlich besonders wichtig bei Urheberrechten, ganz genau.
[01:06:07] Stephan Dalügge: Die Weltraumverträge, die wurden bis 79 gemacht, dann ISS-Vertrag 98 und seitdem haben wir keine internationalen mehr. Jetzt ist es auch wichtig, dass Staaten eben diese nationalen, nationales Weltraumrecht schaffen. Die Amerikaner machen das natürlich. Manches davon ist völlig nötig, dass sie die Registrierungen auch festlegen und so weiter, manches missliebt uns. Deutschland hat noch kein eigenes. Ist das eine große Verfehlung?
[01:06:41] Stephan Hobe: Ja, na ja. Ich würde mal sagen, ich persönlich bin der Auffassung, dass Weltraumpolitik wichtige Bereiche, wichtige verschiedene Politikbereiche, miteinander verknüpfen kann und untermauert werden muss, von der Option, aktiver Weltraumstaat sein zu können. Und das alles hängt davon ab, dass man durch ein Weltraumgesetz auch in diese aktive Position eingebracht werden kann. Die verflossene Bundesregierung, die nun schon über ein Jahr nicht mehr im Amt ist, hat es versäumt, obwohl damals, zu Zeiten der Großen Koalition, eigentlich unter Mehrheitsaspekten, unter Mehrheitsverhältnissen, die Chance gar nicht so gering gewesen wäre, das nun mal zu verabschieden. Da ist man ins Klein-Klein gekommen. Und wenn erstmal die Politik ins Klein-Klein kommt, ist es schwierig. Die Regierung, die seit dem letzte Jahr im Amte ist, scheint sich weniger ein nationales Gesetz auf die Fahnen geschrieben zu haben, sondern eine – mir nicht ganz deutlich werdende – europäische Lösung. Wie auch immer. Deutschland scheint jedenfalls in absehbarer Zeit nicht daran zu denken.
Ich möchte nur nochmal vielleicht auch sozusagen hervorheben, dass es zwar immer noch ein – mir nicht ganz rational erklärlichen – Vorbehalt gegen Weltraumfahrt geben kann. Das empfinde ich immer wieder so, wenn ich etwa Mentalitäten in Frankreich und Deutschland vergleiche, die auch mit der nationalsozialistischen Zeit und dem Missbrauch der Raumfahrt damals mit Wernher von Brauns Raketen zu tun gehabt haben mag, dass aber doch heute eines ganz klar ist: Erstens, Deutschland darf keine Atomwaffen benutzen. Zweitens, Deutschland darf sich sowieso nur defensiv betätigen. Und drittens ist eine aktive Weltraumpolitik, die wir von der Ingenieursleistung – da bin ich felsenfest davon überzeugt – als wirklich führende Industrienation locker leisten könnten, dieses wirtschaftspolitisch, technologiepolitisch, entwicklungspolitisch, umweltpolitisch, außenpolitisch, uns einen enormen Vorteil bringen würde – meine Auffassung – könnten so den vielen Ressourcen, die wir durch nationale Programme aufbringen müssen und die ja im Staatshaushalt ausgewiesen werden müssen, einen sehr sinnvollen Anstrich auch politisch geben.
[01:09:16] Stephan Dalügge: Ansätze gibt es dafür durch das europäische Recht, oder? Wir haben ja ein Vergaberecht, was zumindest diesen industriepolitischen Ansatz schon mal aufzeigt, dass wir auch sagen, wir wollen für das Geld, was wir an die ESA überweisen, was bekommen. Nämlich muss die ESA Aufträge dann eben auch nach Deutschland vergeben für Technologieprojekte.
[01:09:38] Stephan Hobe: Das ist richtig. Das ist richtig. Wir müssen nur vorsichtig sein. Die ESA ist ja nicht mit der Europäischen Union zu vermischen. Das ist was ganz anderes. Die ESA hat ihren Hauptwirkungspunkt in Paris, ist eine intergouvernementale Organisation, die aber durch dies sehr wichtige „Fair Return Prinzip“ – was sie mit Recht angesprochen haben – attraktiv ist für Mitgliedstaaten, weil es im Grunde genommen eine indirekte Form der Subventionierung der eigenen Industrie ist. Der Staat gibt so und so viel in ein spezifisches Programm rein und kriegt das an Industrieaufträgen zurück. Da wir so eine merkwürdige Clusterung dieser hoch spezialisierten Hochtechnologie-Berufszweige haben – das ist ja Oberpfaffenhofen, das ist Bremen, das ist ein bisschen die Rhein-Schiene, sonst ist es praktisch nirgendwo in Deutschland – ist das auch wahrscheinlich nicht ganz sinnlos, dass es so ist. Damit in Konkurrenz steht jetzt in jüngerer Zeit eine ambitionierte Europäische Union, die sagt, na ja, ist ja ganz schön, was die ESA so macht, aber hat die ESA irgendeine politische Durchschlagskraft oder ist das nicht eigentlich ein politischer Papiertiger?
Wir wollen und müssen hier maßgebend sein. Sie haben das etwa durch das Satellitensystem Galileo gezeigt, was ja in Konkurrenz zu den anderen GNSS und so weiter steht. Also, da ist eine relativ starke Bewegung in dieser ganzen Sache. Ob dies insgesamt von der Regierung damals – auch das ist mir nicht klar geworden – eigentlich eher in der Perspektive des EU-Rahmens oder eher des ESA-Rahmens gedacht wurde. Insgesamt denkt die Politik jedenfalls weitestgehend: Inskünftig sollen die politischen Entscheidungen in Brüssel getroffen werden und die konkrete Durchführung der Programme und der Forschung, das soll in Paris von der ESA gemacht werden. Stichwort ESA als sogenannte „Implementing Agency“. Und das scheint auch cum grano salis sinnvoll zu sein, das so zu machen. Enthebt trotzdem Nationalstaaten dann, wenn sie Ambitionen haben, nicht da auch selbst aktiv zu werden.
[01:12:01] Stephan Dalügge: Was würden Sie sich denn wünschen, was Deutschland in ein nationales Recht umsetzt, anstatt jetzt nur über das Vehikel EU zu wirken?
[01:12:10] Stephan Hobe: Ja, das kommt natürlich entsprechend sehr darauf an. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, dass wir vielleicht auch den europäischen Satellitenstartplatz „Kourou“ nutzend, umweltpolitischen entwicklungspolitisch – durch Umweltbeobachtungsprogramme, Erdbeobachtungsprogramme und Erntevorhersagungsprogramme und so weiter – unsere Entwicklungspolitik aktiv unterstützen dadurch und unsere internationale Umweltpolitik aktiv unterstützen. Das schien mir einen Beitrag, der sozusagen ganz, glaube ich, in den Spirit passt, wie sich Deutschland versteht und wie Deutschland selbst auch wahrgenommen werden möchte. Da einen Beitrag zu machen wäre auch insofern – man muss ja mal so ein bisschen gucken, der Politik, ob das anzubieten, was sie gerne angeboten bekommen möchte, das wäre nicht unclever, glaube ich. Und würde möglicherweise dazu führen, dass es der Politik leichter fiele – denn diese Technologie ist leider mal wahnsinnig teuer – hier auch öffentliche Ressourcen locker zu machen. Wobei es zunehmend dort so sein wird, dass wir zu einem Pairing kommen werden. Wir werden öffentliches Geld immer auch gekoppelt an privates Geld, zunehmend für diese Weltraumunternehmungen, allokieren können/müssen in der Zukunft.
[01:13:41] Stephan Dalügge: Sie sind ja Direktor des ältesten und wichtigsten Instituts für Weltraumrecht, zumindest in Deutschland. Also dem ältesten international und dem, mindestens in Deutschland, wichtigsten Institut. Wie viel Interesse erleben Sie so aus der Politik?
[01:13:59] Stephan Hobe: Wenig. Na man wird immer wieder mal gefragt… In der Tat. Erstens – noch mal das, um zum kurz ausholen, das gestatten Sie mir: Mein Institut wird in zwei Jahren einhundert Jahre. Das ist für ein Universitätsinstitut schon sehr erstaunlich. Es hat eine lange Geschichte, die nicht nur in Köln begonnen hat. Das ist jetzt schon seit 1951 in Köln, aber ich will noch mal die Stationen aufzählen: Königsberg, Leipzig, Berlin vor dem Krieg, dann nach dem Krieg die ganze Zeit in Köln.
[01:14:27] Stephan Dalügge: Von 45 bis 51 war es nicht…
[01:14:29] Stephan Hobe: War es ganz, ja, musste man sozusagen an den Wiederaufbau denken. Ich bin erst der sechste Direktor, was auch eine gewisse personelle Kontinuität zeigt.
[01:14:40] Stephan Dalügge: Offensichtlich bleibt man gerne da.
[01:14:43] Stephan Hobe: Ja, man bleibt gerne da und ich glaube, wir haben das Institut auch, sag ich mal, mit einem gewissen Selbstbewusstsein in viele internationale Diskurse eingebracht. Das ist ja nicht nur der weltraumrechtliche Diskurs, sondern auch die luftrechtlichen Diskurse. Da sind wir in allen internationalen Foren vertreten, aber eben gerade auch im Weltraumrecht, was mich natürlich – ich habe es Ihnen schon am Anfang geschildert – seit der Dissertation schon fasziniert, das muss ich sagen. Und es ist öfters, dass man in, sozusagen, in größeren Runden auch mal seine Meinung über verschiedene Punkte sagen soll und ich finde das hervorragend, dass aber die Meinung besonders gefragt würde, abgefragt würde, habe ich nicht so feststellen können. Es scheint mir – und ich sage das ohne jede Verbitterung und ohne jeden Vorwurf – eine gewisse Sprachlosigkeit zwischen Wissenschaft und Politik zu sein, die auch in der unterschiedliche Zielansprache mir, zu verortet zu sein scheint. Unser Interesse ist nicht so sehr an Legislaturperioden orientiert, sondern oftmals ein darüber hinaus gehendes, längerfristiges Interesse. Und ich akzeptiere völlig, dass die Politik da andere Schwerpunktsetzungen hat. Aber das ist sehr häufig so, dass man da tatsächlich auf unterschiedlichen Dingen ist und manche Enttäuschung rührt daher, dass man sagt: Naja nun haben wir doch mal gerade einen Punkt angefangen, lass uns doch jetzt mal in diesem Sinne weitermachen und dann wird aber schon eine neue, in Anführungszeichen, „Sau durchs Dorf getrieben“, weil das jetzt politisch mehr en Vogue ist.
[01:16:39] Stephan Dalügge: Ja, Politiker, vielleicht, haben auch wenig Kontaktpunkte überhaupt zum Weltraumrecht und dann gibt es viel Tagesgeschehen, dem man sich widmet und dann verliert man vielleicht manchmal so große Fragen aus dem Auge. Ich meine ich rede heute mit Ihnen, weil ich glaube, es soll eben Anliegen der Menschheit sein und vielleicht, wenn wir in fünfzig Jahren zurückschauen, dann streiten oder denken wir nicht mehr über Heizung nach oder über den Spitzensteuersatz, sondern überlegen eben: Dieses könnte ein recht entscheidendes Jahrhundert sein, indem viele Grundsteine für die weitere Entwicklung der Menschheit im Universum gelegt werden.
[01:17:22] Stephan Hobe: Ganz genau, ich sehe das genauso. Und vielleicht, aus meiner Perspektive, beinahe abschließend: Die ganz großen weiteren Fragen haben wir jetzt ja angedeutet. Was ist eigentlich, wenn tatsächlich an eine ständige Bewohnung, wenn das denn möglich würde, Besiedlung anderer Planeten unseres Sonnensystems gedacht wird? Umgekehrt, was wäre eigentlich – ich werde diese Frage eines Journalisten nie los, der mich fragte – was macht man eigentlich, was würden Sie eigentlich machen, wenn Sie hier einem Außerirdischen begegnen würden, wo man ja nicht mal voraussetzen kann, dass man die gleiche Sprache spricht? Ich fand es eine fantastische Frage, über die ich mir bis dato noch gar nicht Gedanken gemacht hatte.
[01:18:14] Stephan Dalügge: Ich habe auch im Vorfeld darüber nachgedacht und sie können gerne einmal kurz schildern, wie viel Recht es bezüglich der Suche nach extraterrestrisch Intelligenz gibt. Wir sollen, zumindest kein eigenes, wir sollen das Weltall nicht kontaminieren. Wir dürfen passiv suchen nach Radiofrequenzen. Wie umstritten war das, dass man auch aktiv zu gewissen Radiofrequenzen etwas heraussendet? Wir machen das auch unweigerlich unabsichtlich, aber man versucht es auch aktiv. Und die zweite Frage ist eben die: Ja was wäre eben mit Aliens? Wir sind uns sehr unsicher und sollten uns auch weiter immer noch unsicher sein, ob es Leben in unserer Galaxie, in anderen Galaxien gibt. Es sind sehr viele Sterne da, hundert Milliarden. Dann gibt es noch mal hundert Milliarden Galaxien. Fermis berühmtes Paradoxon: Ja, wo sind denn die alle? Und viele von denen haben Planeten. Wir sind relativ früh auch im Universum da. Ich glaube, die richtige, derzeit die richtige, Attitüde ist noch eine agnostische, dass wir nicht wirklich wissen, sind wir allein oder nicht. Haben wir den großen Filter quasi schon vor uns oder noch vor uns oder haben wir den schon hinter uns?
Eine Erklärung ist ja zum Beispiel, dass intelligentes Leben sich vielleicht relativ schnell zerstört. Aber ich habe schon bei dem, vielleicht einem der wichtigsten Weltraumrechtler – können Sie mir sagen – Andrew Hailey gesehen, dass ihn das auch schon interessierte. Und er hat dann über Metarecht nachgedacht. Und er dachte sich: Ja, wenn wir jetzt einem Alien begegnen würden oder zumindest damit kommunizieren würden, dann müssten die doch zu so einer Art Metarecht auch gelangt sein. Ich glaube da steckt ein starker, eine starke Überzeugung in so einen, auch einen ethischen Objektivismus drin, dass man sich denkt: Jedes rationale Wesen, das so technologisch fortgeschritten ist, müsste dann doch zu der Erkenntnis kommen, dass wir uns irgendwie in Frieden lassen und dass wir so eine Art intergalaktische goldene Regel beherzigen. Ich weiß nicht, ich wäre nicht so überzeugt davon, dass wir alle zu dem Ergebnis kommen. Glauben Sie das Recht kann heute irgendwas dazu sagen oder sollten wir uns da…?
[01:20:45] Stephan Hobe: Das interessanteste ist, ich finde Ihre Frage großartig, das ist das, was mich am meisten interessiert, weil ich feststelle, dass es sehr wenig Gedanken darüber gibt. Wir denken Recht zu inklusiv. Selbst ich als Internationalrechtler denke Recht auf diese Welt bezogen. Ich bin zurzeit sehr verzweifelt, weil bestimmte große Staaten sich überhaupt nicht an eine Minimumordnung halten, das grundlegendste „Du sollst nicht töten“ und „Du sollst nichts kaputt machen“ nicht achten. Und trotzdem bleibt es eine inklusive Sicht. Das wirklich faszinierende ist, raus aus dem Planeten zu gehen, zu gucken „was könnte sein“ und dann die Frage zu stellen: Sind eigentlich Wesen – ich denke jetzt an den Alien – begegnen die sich auf der Höhe von Recht? Gibt es da gewisse Grundsätze, die wir mal als Recht bezeichnen könnten, dass da eben gesagt wird „du sollst nicht töten“ oder so. Ist das uns innewohnend? Glauben Sie mir, es gibt nichts dazu. Ich habe nichts gefunden bisher. An diese Idee, das sind philosophische, letzte philosophische Vorstellungen, die dann vielleicht in Recht gegossen werden. Was wir sagen können ist, wenn wir zurückgehen in unserer Zeit – aber das ist ja wieder auf der Erde – dass früheste Geschöpfe, die miteinander gelebt haben, eine gewisse Ordnung wollten und schon diese Ordnung rechtliche Züge hat. Wie auch immer, das heißt, dass sozusagen Ordnung mit Recht verbunden ist. Das ist bisher die Ableitung, die mir geläufig ist diesbezüglich. Sie ist aber, wie uns beiden unschwer klar ist, alles andere als logisch. Sie ist mit ganz vielen Präsumtionen verbunden, die wir nicht belegen können, in irgendeiner Weise.
[01:22:43] Stephan Dalügge: In der Moralphilosophie ist das ja auch umstritten. Man kann dann entweder den Ansatz haben: Wir haben halt die Regeln, die wir uns geben, die waren irgendwie evolutionär adaptiv, deswegen haben wir die so, wie wir sie haben. Es gibt eben auch die andere Seite, die sagt, ethische Wahrheiten sind ein bisschen so wie mathematische Wahrheiten. Wir finden die jetzt nicht in der Natur, aber wir können die mit unserem Verstand schon fassen und erreichen. Ich glaube, man ist sich da immer noch ziemlich uneinig und ich wäre in keiner der beiden Richtungen besonders zuversichtlich.
[01:23:27] Stephan Hobe: Ehrlich gesagt erleichtert mich das. Dass wir nicht ganz weit nach hinten stehen mit der rechtlichen Ableitung.
[01:23:32] Stephan Dalügge: Plus, wenn wir anderes extraterrestrisches Leben entdecken würden, dann haben wir ja noch gewisse physikalische Besonderheiten, so dass wir, das wäre relativ weit entfernt, Kommunikation würde sehr lange dauern. Es wäre irgendwie sehr überraschend, wenn wir uns mit dem gleichen Entwicklungsstand auch treffen würden. Warum sollen wir genau gleich technologisch fortgeschritten sein, gleich zu gleicher Zeit?
[01:24:02] Stephan Hobe: Im aufrechten Gang uns entgegen kommen, ja.
[01:24:04] Stephan Dalügge: Ganz genau. Dann ist höchstens die Frage: Wären die anderen schon bei so einer, oder wären wir beide sobald das passiert, bei einer gewissen technologischen Reife? Dass wir beide das meiste, was entdeckt werden kann, schon erreicht haben? Und die Alternative ist eben, wenn wir jetzt mal von Aliens wieder uns entfernen, dass wir vielleicht tatsächlich auch einfach die einzigen sein könnten. Bisher haben wir nichts gefunden. Wir existieren auch relativ früh im Universum, 13,8 Milliarden Jahre ist es erst alt, unsere Sonne wird noch vier, fünf Milliarden Jahre leuchten, aber, auf jeden Fall werden noch sehr lange vor allem kleinere Sonnen leuchten und Leben wird noch länger möglich sein. Dann sollten wir uns ja fragen und vielleicht stehen wir – deswegen Teil des Grundes warum mich Weltraumrecht so interessiert – deswegen stehen wir vielleicht relativ bald vor der Entscheidung, wie viel vom Weltraum wir uns zu eigen machen.
Wenn wir früh sind und die einzigen sind und dann aber vielleicht in ein paar Jahrzehnten schon die Möglichkeit haben, dass wir zum Beispiel – da gibt es auch ein herrliches wissenschaftliches Paper zu: „Die Ewigkeit in sechs Stunden“, „Eternity in Six Hours“, wo man mal so das ingenieurstechnisch überschlägt, was müsste möglich sein, gegeben dass, was wir von den physikalischen Gesetzen wissen, wie schnell könnten wir das Weltall kolonisieren. Wir könnten wahrscheinlich einen Planeten wie Merkur auseinandernehmen. Bauen wir eine Dyson-Sphäre um die Sonne? Also das ist so, man gewinnt das ganze Sonnenlicht und theoretisch bräuchte man dann nur ein paar Stunden dieser Energie, um genügend sich selbst replizierende Proben – das ist eine Idee die von John von Neumann, Universal-Genie, Ungare, der später in den USA geforscht und gearbeitet hat – sich selbst replizierende Sonden dann ins Weltraum zu entsenden. Sie sagen im Abstrakten denken Sie ja auch drüber nach? Glauben Sie, wir haben da eine Chance, dass wir auch rechtlich dazu was sagen können oder zumindest sagen: bevor wir es uns nicht gut überlegt haben, lassen wir das erstmal?
[01:26:18] Stephan Hobe: Naja, ich würde genau zu der Zurückhaltung, die wir im kleineren hier schon gepredigt haben, auch dort, plädieren, für die Zurückhaltung plädieren. Der Mensch soll sich nicht überheben! Wenn uns eins klar wird, ist, wenn wir uns das Universum angucken und wenn wir uns wirklich mal klar werden – Sie haben es ja genannt – was das Universum wirklich darstellt: Wie winzig klein wir sind, obwohl uns unsere Probleme so wahnsinnig groß erscheinen. Das sollte uns Demut lehren. Und ja, es ist eben nur eine Annahme, die sagt, es spricht einiges dafür, dass es anderes intelligentes Leben auf der Welt gibt. Ich finde, ihre andere Hypothese zu sagen: Warum wird das einzig uns bekannte bisher aufgewiesene intelligente Leben nicht möglicherweise zu einer Expansion drängen? So darf dies immer nur unter den Vorzeichen vorsichtiger, schonender, anderer schonender Ausbreitung gehen. In diesem Sinne kann das Recht eine große Rolle spielen. Und das Recht ist ja eigentlich immer dafür da, übermäßige Machtauswüchse zu hindern, dort Schranken zu setzen, Rechtfertigung zu verlangen, für etwa die Anwendung von Gewalt.
Das ist letztlich – und insofern schließen sich die Kreise für mich auch – das gewesen, was mich letztlich überhaupt zur Juristerei gebracht hat, als ich noch gar nicht dran dachte, mich vielleicht mit Mond und Sternen auch juristisch beschäftigen zu wollen.
[01:27:59] Stephan Dalügge: Es ist schon fast ein sehr gutes Schlusswort. Ich glaube bei denen, es stellt sich eben die schwierige Frage, wie parteilich wir dann sein wollen. Wenn wir tatsächlich früh sind und dass wir früh existieren in der Geschichte und des Universums und dass wir scheinbar die einzigen sein können, das könnte sich gegenseitig erklären. Nämlich wir sind früh und wir sind die einzigen. Aber wenn wir dann mal anfangen, geht es auch relativ schnell, dass wir uns ausbreiten könnten. Und da wäre meine Hoffnung für das Weltraumrecht, dass wir da für die Philosophie und für die Politik, dass wir mit der nötigen Vorsicht da rangehen, dass wir die nötige Weisheit mitbringen, noch nicht zu anmaßend zu sein und uns zu sicher sind, wie wir das Weltall formen wollen, sondern das vielleicht der Zukunft überlassen. Gleichzeitig eben es nicht als gesetzlosen Raum lassen, wenn die Möglichkeit eben bald besteht, dann können wir nicht, gegebenenfalls nicht nachzyklisch sein, wir machen es erst nach der Erfindung, sondern müssen quasi antizipieren können, welche Technologien sind denn überhaupt möglich? Und gegeben das, schon frühzeitig darüber nachdenken, wie regulieren wir die.
Sie nicken zustimmend, insofern würde ich das jetzt als Schlusswort nehmen und danke Ihnen recht herzlich.
[01:29:34] Stephan Hobe: Sehr gerne. Ich bedanke mich auch.
[01:29:37] Stephan Dalügge: Hat sehr viel Spaß gemacht, danke!
[01:29:38] Stephan Hobe: Ja, mir auch!
[01:29:40] Stephan Dalügge: Ich hoffe das Gespräch war informativ und unterhaltsam. Wie vorhin erwähnt, freue ich mich über Weiterempfehlung und Feedback. Weiterführende Ressourcen sind auf der Website verlinkt. Insbesondere jene, die sich vorstellen können, sich mit dem Weltraumrecht zu beschäftigten – ob nun als Jurist oder nicht – dürften dort und natürlich auf der Website des Kölner Instituts fündig werden. Bis zum nächsten Mal! Auf Wiederhören!