Im Gespräch mit Dr. Ulrike Niemeier vom Max-Planck-Institut für Meteorologie werden die verschiedenen Ansätze des Climate Engineerings, auch Geoengineering genannt, nacheinander besprochen. Ulrike Niemeier erklärt dabei jeweils die Funktionsweisen, Potenziale und Risiken der Maßnahmen.
Es geht um beide Arten des Climate Engineerings:
Solares Strahlungsmanagement, worauf etwas mehr Zeit verwendet wird, weil das Thema Ulrike Niemeiers Metier als Meteorologin entspricht. Wir sprechen unter anderem über den natürlichen Präzedenzfall von Vulkaneruptionen, die Wahl der Teilchen, die man in die Stratosphäre einbringen würde, das Kühlpotenzial, Fragen der Regulierung und Nebenwirkungen und Risiken.
Kohlendioxidentnahme aus der Atmosphäre, auch bekannt unter dem Begriff Negativemissionen, die laut den Berichten des Weltklimarats in aller Wahrscheinlichkeit nötig sein werden, um unsere Klimaziele zu erreichen. Hierunter fallen etwa die Nutzung von Bioenergie mit Carbon Capture and Storage (BECCS), Aufforstungen, beschleunigte Verwitterung und Alkalinitätseinträge in den Ozean.
Ulrike Niemeier betont ganz klar: Eine Alternative zur Transformation unserer Wirtschaft in Richtung Fossilfreiheit ist das Ganze nicht. Die verschiedenen Technologien zu beforschen und zu diskutieren, scheint trotzdem weise.
Photo Credit: Tom Pingel
Ressourcen
Die wohl beste Zusammenfassung von Maßnahmen des Climate Engineerings — sowohl von solarem Strahlungsmanagement als auch Negativemissionen — in einem akademischen Fachartikel ist: Mark G. Lawrence, Stefan Schäfer, Helene Muri et al., Evaluating climate geoengineering proposals in the context of the Paris Agreement temperature goals, Nature Communications, 9, 3734, 2018.
Für eine kürzere, weniger technische Präsentation mehrerer Climate Engineering-Maßnahmen, siehe: Daisy Dunne, Explainer: Six ideas to limit global warming with solar geoengineering, Carbon Brief, 2018.
Das World Resources Institute fasst sechs Konklusionen des 2022 IPCC Climate Change Mitigation Report zusammen. Eine Konklusion: Ohne Kohlendioxidentnahme wird eine Einhaltung des 1,5 °C-Ziels „unmöglich“.
Dazu, wie wir über Climate Engineering reden sollten, unter anderem, ob ein moral hazard-Argument berechtigt ist, siehe: Britta Clark, How to Argue about Solar Geoengineering, Journal of Applied Philosophy, Vol. 40, No. 3, 2023. Die Autorin stellt in dem Artikel inkonsistente Vorstellung dazu heraus, wie Policy-Maker auf Ankündigungen zu den Effekten des Klimawandels und von Geoengineering-Maßnahmen reagieren könnten.
Eine kurze Zusammenfassung und weiterführende Links zur in der Folge nur kurz angerissenen Frage der Governance von Geoengineering findet sich auf der Themenseite des Umweltbundesamts dazu.
Tabelle 1 in dieser Publikation listet Vor- und Nachteile bzw. Risiken des Geoengineerings durch Einbringen von Partikeln in die Stratosphäre: Alan Robock, Albedo enhancement by stratospheric sulfur injections: More research needed, Earth’s Future, 4, 644–648, 2016.
Ulrike Niemeiers Projekte und Publikationen finden sich auf ihrer Mitarbeiterseite beim Max-Planck-Institut für Meteorologie.
Indirekt im Podcast angesprochen wird die Publikation: Ulrike Niemeier & Claudia Timmreck, What is the limit of climate engineering by stratospheric injection of SO2?, Atmospheric Chemistry and Physics, 15(16), 9129-9141, 2015. Wir bewegen uns in der Größenordnung dutzender Teragramm Schwefel pro Jahr (mehrere Mount Pinatubo-Ausbrüche) und stellen fest, dass das Kühlpotenzial beträchtlich ist, obschon der Effekt zusätzlicher Partikel exponentiell abnimmt.
Transkript
[00:00:00] Stephan: In dieser Folge geht es um den Klimawandel. Hier ist eine klangliche Darstellung einer Datenreihe der globalen durchschnittlichen Oberflächentemperatur relativ zum Referenzzeitraum 1961 bis 1990. Die Spanne reicht von ca. -0,4°C im Jahr 1850 bis voraussichtlich +1,2°C für das Jahr 2024.
[00:00:30] [Musik]
[00:01:07] Ulrike Niemeier: Für das folgende Gespräch habe ich mich mit Dr. Ulrike Niemeier vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg über sogenanntes Climate Engineering, auch Geoengineering genannt, ausgetauscht. Eine kurze Einordnung vorab, um ein paar Begriffe und die Motivation für diese Folge zu erklären. Wer dies überspringen möchte, kann durch die Zeitstempel im Podcast-Player direkt zum Anfang des Gesprächs springen.
Die Begriffe Climate Engineering und Geoengineering werden außerhalb des wissenschaftlichen Diskurses vermutlich vor allem mit solarem Strahlungsmanagement assoziiert. Das sind Maßnahmen, die den Strahlungshaushalt der Erde beeinflussen, was bedeutet, dass sie das Gleichgewicht zwischen einfallender und abgehender Strahlung verändern und somit die Temperatur auf der Erde bestimmen, was wiederum eng mit dem Klima verbunden ist. Am bekanntesten ist in dieser Hinsicht wohl das Einbringen von reflektierenden Aerosolen in die Stratosphäre, wie es auch ganz natürlich durch Vulkanausbrüche geschieht. Durch Aufhellung die Albedo, also das Rückstrahlvermögen, von Oberflächen zu ändern, würde aber beispielsweise auch darunter fallen.
Solares Strahlungsmanagement ist treffend mit den Begriffen Climate Engineering oder Geoengineering beschrieben und ist deswegen auch ein großes Thema in dieser Episode. Climate Engineering oder Geoengineering bezeichnet aber auch Maßnahmen der Kohlendioxidentnahme. Auch hier wird oft nur der englische Begriff, also in diesem Fall Carbon Dioxide Removal, genutzt. Ein Beispiel hier wäre eine beschleunigte Verwitterung mittels Gesteinsmehl, das man großflächig ausbringen würde, um atmosphärisches CO2 zu binden. Das Resultat wären sogenannte Negativemissionen, denn damit würde man die CO2-Konzentration in der Atmosphäre reduzieren. Auch um diese Ansätze geht es in dem folgenden Gespräch. Es ist erwähnenswert, dass Negativemissionen in den meisten Szenarien des Weltklimarats zur Einhaltung des 2°C-Ziels angenommen werden. Ohne sie wird die Einhaltung des Ziels kaum zu schaffen sein.
Es ist weithin anerkannt, dass Maßnahmen der Kohlendioxidentnahme in der Regel deutlich weniger risikoreich als Maßnahmen des Solaren Strahlungsmanagements sind. Es besteht zwar ein reales, signifikantes Kühlpotenzial beim Solaren Strahlungsmanagement, es gibt aber auch eine Reihe von Unsicherheiten und Komplikationen. Etwa bezüglich der Veränderung der Atmosphärenchemie, bezüglich der Regulierung solcher Aktivitäten — wer darf das globale Thermostat wie einstellen — und auch bezüglich des schlussendlichen Stoppens der Maßnahmen. Denn ein plötzlicher Stopp würde zu noch viel schnelleren Klimaänderungen führen, als wir sie durch den Klimawandel derzeit erfahren. Wegen all dieser Risiken wünschen sich auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die daran forschen, dass es nicht dazu kommen wird, dass wir als Menschheit auf solares Strahlungsmanagement zurückfallen werden.
Über Funktionsweisen und Risiken Bescheid zu wissen, scheint ihnen, wie mir auch, trotzdem weise. Ich vermute stark, wer sich das folgende Gespräch anhört, wird ebenso nicht mit dem Eindruck nach Hause gehen, solares Strahlungsmanagement sei eine tolle Alternative zur Transformation unserer Wirtschaft hin zur Fossilfreiheit.
Dass die erste Folge von Prioritäten im Themenbereich Klimawandel sich mit Climate Engineering befasst, liegt nicht daran, dass ich es für das eine entscheidende Thema in dem Bereich halte. Es ist eines von mehreren und ich plane in Zukunft weitere Folgen zu sozialen, wissenschaftlich-technischen, ökonomischen und ökologischen Fragestellungen zu produzieren. Wie immer freue ich mich über Feedback, Bewertungen auf Podcast-Plattformen und Weiterempfehlungen dieser und anderer Folgen des Podcasts. Ohne weiteres Aufhebens folgt jetzt mein Gespräch mit Ulrike Niemeier.
[00:05:04] Stephan: Moin, ich bin am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg, um mit Ulrike Niemeier über Geoengineering, manchmal auch Climate Engineering genannt, zu sprechen. Also sowohl Negativ-Emissionen, die in manchen Szenarien des Weltklimarats eingerechnet sind, als auch über solares Strahlungsmanagement. Frau Dr. Niemeier, wozu forschen Sie gerade?
[00:05:28] Ulrike Niemeier: Augenblicklich forschen wir verstärkt eigentlich an Auswirkungen von Vulkanen, gucken, was machen die klimatisch oder welchen klimatischen Einfluss haben sie, was ja sehr verwandt ist auch mit dem Thema Geoengineering und wie auch beides sich so ein bisschen gut vereinbaren lässt.
[00:05:42] Stephan: In einer früheren Podcast-Folge erzählte mal jemand, dass er, als er einen Vortrag darüber gehalten hat, wie Vulkane das Ernährungssystem beeinflussen würden, danach von einem Vulkanologen angesprochen wurde und ihm gesagt wurde, ah, das sei ja ganz interessant gewesen und er hätte noch nie darüber nachgedacht, was das denn so für Auswirkungen wirklich für die Menschheit auch hätte. Wie ist das bei Ihnen? Haben Sie da viel darüber nachgedacht? Anders gesagt, wie war Ihr Werdegang, Ihr wissenschaftlicher Werdegang, bis hierhin?
[00:06:15] Ulrike Niemeier: Also, wir haben tatsächlich damit angefangen, dass wir diese Fragestellung schon vor vielen Jahren bearbeitet haben, was für klimatische Auswirkungen haben denn Vulkane. Große Vulkaneruptionen, die so stark sind, dass sie ganz viel Material auch bis hoch in 20 Kilometer Höhe transportieren, wodurch sie dann eben im Grunde genommen die Erde kühlen und unser Interesse war: „Was passiert dann?” Und damals war es auch sehr stark sogar Supervulkane, die also noch sehr, sehr viel größer sind, wo wir geguckt haben, was für Auswirkungen die hätten.
Und in dem Zusammenhang kam dann damals das Paper von Paul Crutzen, wo er eben die Frage stellte, ob man das nicht als Analogon nutzen könnte und künstlich, eben menschengemacht quasi, so einen Vulkan nachzuempfinden, und künstlich Schwefel in die Stratosphäre zu transportieren.
[00:07:02] Stephan: Paul Crutzen war das, der da 2005, 2006 oder so hat ja den Vorschlag gemacht, beziehungsweise den neu belebt, nicht? Dass man möglicherweise dadurch ein Strahlungsmanagement machen kann.
[00:07:13] Ulrike Niemeier: Ja, genau. Paul Crutzen war ja Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie und Nobelpreisträger für Chemie. Dadurch hat er einfach ein gewisses Gewicht auch in der Community und wenn so ein Artikel dann von solch einer Person geschrieben wird, dann hat das natürlich Gewicht. Zudem sind wir ja Partnerinstitute und wir wurden damals schon gefragt, ob wir so etwas nicht simulieren könnten.
Wir hatten eben ein Modell, mit dem man Schwefel, die Umsetzung von Schwefel, ausrechnen konnte, wie sich dann kleine Teilchen bilden und darüber deren Strahlungswechselwirkung uns angucken konnten, um zu sehen, ja, welche klimatischen Auswirkungen sehen wir denn.
Und dieses Modell kann man eben für beide Anwendungen nutzen, sowohl für die Idee, künstlich Schwefel in die Stratosphäre zu bringen, als auch eben für Vulkaneruption.
Ja, und so sind wir eben dann dazu gekommen, von dem einen Thema auch in das andere reinzugehen.
[00:08:02] Stephan: Stratosphäre ist zwischen zehn und 50 Kilometer, nicht?
[00:08:05] Ulrike Niemeier: Ja, ein bisschen höher. Also, ja, zehn, zwölf, sagen wir zwölf, 13, kommt drauf an, wo wir sind. In den Tropen ist es mehr.
[00:08:12] Stephan: Also fängt ein bisschen über dem Level, wo Verkehrsflugzeuge fliegen, an.
[00:08:17] Ulrike Niemeier: Genau, genau, oberhalb.
[00:08:19] Stephan: Und dort bleiben die Teilchen dann recht lange.
Aber bevor wir da einsteigen, adressieren wir vielleicht noch die Sorge, die manch einer haben kann, wenn man über diese Fragen spricht, nämlich dieses bekannte moral hazard-Argument, nämlich, dass, wenn man das beforscht, vielleicht auch, wenn man schon nur darüber redet, man vielleicht denen einen Vorschub leistet, die sagen, wir müssen ja nichts tun, wir müssen unsere Emissionen gar nicht kontrollieren — Sie stöhnen schon ein bisschen — wir müssen die gar nicht kontrollieren, wir müssen die Emissionen nicht mindern, sondern wir machen das alles über Geoengineering.
[00:08:52] Ulrike Niemeier: Ja, das ist ein, finde ich auch durchaus immer sehr berechtigtes Argument. Natürlich besteht so, wir sind ja als Menschen auch träge und faul, da ist immer der Punkt, dass wir uns nicht verändern wollen.
Ich finde dieses Argument sehr berechtigt, dass die Gefahr groß ist, dass wir dann eben sagen: „Naja, wir müssen ja keine Emissionen mehr vermindern.”
Auf der anderen Seite hat die Forschung aber gezeigt, dass sowas wie Geoengineering ohne Emissionsminderung gar nicht machbar wäre.
Also, dann wirst du mehr und mehr und mehr Geoengineering betreiben, weil ja auch mehr und mehr Emissionen und mehr und mehr CO2 in der Luft ist und deswegen ohne Emissionsminderung geht das gar nicht.
Dadurch ist natürlich so ein bisschen diesem moral hazard-Argument so ein Gegengewicht gegeben, dass man sagt: „Ja, aber wir können nicht ohne Emissionsminderung.“
Aber grundsätzlich ist, finde ich, das auch völlig legitim. Wir Menschen sind ja eh träge und die Gefahr sehe ich auch.
[00:09:42] Stephan: Ja, ich glaube, das ist der eine Punkt. Also, das wäre dann die Sache, dass es zumindest im vollen Ausmaß nicht gilt, weil klar wird: Okay, das kann gar nicht die einzige Lösung sein.
Was ich mich auch gefragt habe — auch ein interessantes Paper zu gelesen, das verlinke ich später — war, welche Annahme über Politiker dahinter steckt?
Also, es ist entweder die: „Wir reden jetzt nicht drüber, dann wird denen klar, wie schlimm der Klimawandel ist, dann machen wir es besonders schnell und vermindern schnell unsere Emissionen, also in dem Sinne, dann hören die gleich auf unsere Empfehlungen.“
Und andererseits: „Wenn wir darüber reden und auch die Nebeneffekte und schädlichen Effekte untersuchen, dann ist es auf der Seite wiederum so, dass, wenn sie darum wüssten, sie das discounten würden, sie das beiseite legen würden.“ Das passt ja auch irgendwie nicht zusammen. Das heißt, anders gesagt, ich glaube, ich wäre mir unsicher, in welche Richtung mehr Informationen gehen. Also, es könnte beides sein. Es könnte doch auch sein: „Wir untersuchen das, wir kennen dann die ganzen Nebeneffekte, viele klingen auch unschön.“ Kann ja genauso auch ein zusätzlicher Impetus sein, mehr zu tun. Das ist unklar, in welche Richtung das überhaupt geht.
[00:11:04] Ulrike Niemeier: Ja, ich glaube, da würde ich zustimmen. Ich wüsste das jetzt auch nicht. Ich weiß aber auch, dass Kollegen, die damals im Sonderforschungsbereich mit uns gearbeitet haben und die ganz viel so richtig die Öffentlichkeit mit Befragungen und auch wohl mit so Spielen und so gearbeitet haben, bei denen kam diese Richtung raus. Dass, wenn die Menschen darüber informiert waren und auch über die möglichen Nebeneffekte informiert waren, dass sie eben erkannt haben, naja, das ist auch nicht die Lösung und insofern eher wieder ein bisschen mehr Abstand dazu gehalten haben.
[00:11:34] Stephan: Und wie ist Ihr Eindruck von der öffentlichen Debatte in Deutschland derzeit?
[00:11:39] Ulrike Niemeier: Also, ich empfinde die Debatte eigentlich sehr deutsch, also die Nachteile hervorhebend, die Nebenwirkungen hervorhebend. „Dürfen wir nicht machen.“ Also, ich glaube, da liegt der Schwerpunkt drauf. Gebe ich auch von mir persönlich zu, dass ich eigentlich auch eher den Schwerpunkt dahin legen würde, weil ich denke, wir sollten uns bewusst sein, das ist eben keine Top-Lösung, die wir zwar beforschen müssen, worüber die wir Bescheid wissen müssen, aber auch aufgrund dieses moral hazard-Arguments denke ich, dass man immer so ein bisschen vorsichtig sein muss, dass eben nicht geglaubt wird: „Ach, wir haben hier eine tolle technische Lösung und mehr müssen wir nicht machen.“
[00:12:18] Stephan: Das ist auch mein Eindruck und so wird auch in der Regel darüber gesprochen. Insofern habe ich nicht die Skrupel, hier jetzt auch im Podcast das Thema gleichwohl zu beleuchten und eben über beides, über die Möglichkeiten und über die Nebeneffekte, mehr zu lernen.
Sehen Sie die Arbeit dann sozusagen als Versicherung gegen entweder eine Inaktivität oder gegen unvorhergesehene Aspekte im Erdsystem, falls die Klimasensitivität doch eher im höheren Ende ist?
[00:12:50] Ulrike Niemeier: Ich glaube, es ist eine Mischung. Es ist eine Mischung zum einen natürlich persönlicher Neugierde, weil mich die Prozesse, die da ablaufen, interessieren und zum anderen auch, ja, so ein bisschen als: Wir müssen auch den zukünftigen Generationen was mitgeben. Wir geben ihnen ja schon den Klimawandel mit, also sollten wir vielleicht auch so ein bisschen Grundlagenwissen schon mal versuchen mitzugeben für den Fall, dass es tatsächlich doch notwendig sein sollte, weil wir erkennen, dass die Lebensqualität auf der Erde so schlecht wird, dass das dann vielleicht doch das kleinere Übel wäre, dass sie einfach schon mal so ein paar grundsätzliche Fragen geklärt hätten, auch wenn ich mir sehr sicher bin, dass die Forschung in dem Fall vielleicht fast bei null nochmal anfangen würde, aber es gäbe dann halt einfach schon mal was, was doch schon da wäre.
[00:13:34] Stephan: Warum? Sind Sie sich relativ sicher, dass die wieder bei null anfangen würden?
[00:13:37] Ulrike Niemeier: Also es ist ja immer so ein Zyklus. Es ist ja so schon, dass Fragen, die wir vor zehn Jahren versucht haben zu bearbeiten, jetzt wieder in neuen Papern auftauchen. Es wiederholt sich immer und insofern, wenn man dann vor der Frage steht: „Machen wir das?“, dann würden bestimmt auch viele Sachen nochmal neu aufgerollt.
[00:13:54] Stephan: Vielleicht sagen Sie noch kurz was zu Ihrer Forschungsmethode. Es ist ja nicht so, dass Sie hier Ballons hochsteigen lassen und Schwefel in die Stratosphäre entlassen.
[00:14:05] Ulrike Niemeier: Ne, das ist richtig. Also wir arbeiten ausschließlich am Computer. Wenn ich von Modellen rede, dann ist es eben ein wirklich großes Computerprogramm. Experimente sind bei uns Experimente am Computer, wo wir uns überlegen, was können wir… was könnten wir wie, wo emittieren. Aber das geben wir eben dann vor, dem Programm, unserem Modell und schauen uns im Modell die Ergebnisse an. Also weil alles, was ich dazu sagen kann, was wir gemacht haben: Es ist immer eine reine Modellwelt. Es ist nicht die Realität, ist auch nicht draußen ausprobiert worden, sondern ist wirklich am Computer berechnet worden.
[00:14:39] Stephan: Es gab oder gibt ein paar Vorschläge, auch Feldversuche zu machen, oder? Wie stehen Sie dazu? Die stoßen ja auch immer schnell auf Kritik?
[00:14:48] Ulrike Niemeier: Also ich bin da ehrlich gesagt immer so ein bisschen zwiespältig. Ja, es gab ein paar Versuche, also zum Beispiel ScoPEx [Stratospheric Controlled Perturbation Experiment], die wollten sich nicht Schwefel angucken, sondern die sind auf der Suche nach alternativen Materialien und sagten: „Wir müssen eigentlich das mal in der realen Umgebung ausprobieren, weil wir im Labor die dazugehörigen Reaktionen gar nicht ausreichend testen können.Wir haben immer Wände in unseren Anlagen und die reagieren mit.“
Und die hatten eben vor, ein oder zwei Kilogramm Carbonat in die Stratosphäre zu bringen und das anschließend zu messen. Das ist natürlich eine sehr, sehr kleine Menge. Insofern denke ich, ist das absolut unkritisch. Aber es wäre ein Schritt gewesen. Es wäre so der erste Schritt in diese Richtung.
Und ich habe das auch lange entsprechend sehr, sehr kritisch gesehen. Wenn man ein bisschen mit den Leuten persönlichen Kontakt hat und die kennt, dann weiß man natürlich: Okay, die sind auch wirklich an der Sache interessiert. Aber ausschließen kann man natürlich nicht, dass sie dann im nächsten Schritt sagen: „Jetzt müssen es aber doch 100 Kilo sein, damit wir es besser ausprobieren können.“ Die auch unkritisch gewesen wären. Aber ja, das ist dann eventuell halt so ein Übergang. Das ist schwierig.
[00:15:55] Stephan: Ja, das eine Argument, was man dagegen haben kann, ist wahrscheinlich eben dieses slippery slope-Argument. Dass man eine Tür aufmacht, die besser verschlossen geblieben wäre. Kann die Dynamik haben, will ich auch nicht ausschließen.
Fangen wir ruhig mit dem solaren Strahlungsmanagement an. Ich würde gern auch kurz noch, das ist weniger Ihre Expertise, aber kurz noch über Negativemissionen sprechen. Aber wir können gerne mit dem Strahlungsmanagement anfangen, weil wir da jetzt auch schon drüber gesprochen haben.
Es gibt erstmal, das ist auch schön einfach zu modellieren, den Vorschlag, dass wir Spiegel am Lagrange-Punkt zwischen Erde und Sonne aufstellen könnten. Die müssten sehr groß sein. Das ist der Punkt, an dem Sonne und Erde eine gleiche Anziehungskraft ausüben, sodass die Spiegel da stationär bleiben könnten. Das würde natürlich die Strahlungsmenge, die wir hier abbekommen, verringern. Erstmal, vielleicht können Sie kurz was zu den Auswirkungen sagen und darüber, wie realistisch das in den nächsten Dekaden ist?
[00:17:02] Ulrike Niemeier: Also diese Idee ist für uns als Modellierer wunderbar, weil es im Modell sehr, sehr, sehr einfach zu simulieren ist. Wir brauchen nur eine einzige Zahl ändern. Wir ändern nur die Menge der solaren Einstrahlung, die Solarkonstante. Und damit ist es sehr einfach und entsprechend haben auch relativ viele Gruppen daran mal gearbeitet und haben Simulationen dazu durchgeführt. Also zu modellieren, ist das eine ganz tolle Technik. In der Realität ist sie halt extrem teuer. Ich habe mal Abschätzung gehört von jemandem, der sich mal Gedanken gemacht hat, wie könnte man sowas überhaupt machen.
Die meinten: „Naja, im Moment schicken wir, glaube ich, vier Ariane-Raketen pro Jahr ins All. Da bräuchten wir 400 pro Tag.“ Ich weiß nicht mehr, ob die Zahlen exakt stimmen, aber es ist eine enorme Größenordnung und es wäre einfach enorm teuer, enorm aufwendig. Es muss natürlich gewartet werden und so weiter und so fort.
[00:17:55] Stephan: Klingt so, wenn man sich genauere Vorschläge dazu durchliest, dass es dann wirklich ein riesiges Infrastrukturprojekt wäre, dass man sich überlegen muss: Nehmen wir überhaupt Materie von der Erde oder fördern wir die dann auf den Mond und dann müssen wir die irgendwie an diesen weit entfernten Punkt befördern. Da müssen die sich dann noch irgendwie entfalten. Also es ist interessant, aber es ist für die nähere Zukunft keine Option, können wir eigentlich sagen.
[00:18:23] Ulrike Niemeier: Ja, denke ich auch. Und das ist dann so teuer, dass das Geld vielleicht besser in die Emissionsminderung gesteckt wird und auch in die Folgen des Klimawandels, dass man das vielleicht abmildern kann.
[00:18:34] Stephan: Bei dem, wozu Sie auch geforscht haben, nämlich Schwefel in die Stratosphäre, also kleine Schwefelpartikel in die Stratosphäre einzuführen, ist die Motivation bzw. der Ursprung der Idee ja eigentlich, die von Vulkanausbrüchen.
Vielleicht können Sie einmal schildern, wie das entstanden ist? Wie die Idee entstanden ist und wie man dann auf den Gedanken kam: Das können wir auch gegebenenfalls bewusst einsetzen.
[00:19:05] Ulrike Niemeier: Also ja, als Grundlage würde ich sagen, war im Grunde genommen diese große Vulkaneruption des Mount Pinatubos 1991. Das war die größte Eruption in den letzten 150 Jahren etwa. Damals hat man eben nach der Eruption gesehen, dass es auf der Erde so 0,4, 0,5 Grad im globalen Mittel kälter wurde und ja, darauf basierend kam eben dann der Gedanke: „Das wäre vielleicht möglich, das auch künstlich zu machen.“
Wieder aufgegriffen hat diesen Gedanken eben Paul Crutzen, Nobelpreisträger für Chemie, der damals das Ozonloch erklärt hat und dafür den Nobelpreis bekommen hat. Er hat diesen Gedanken wieder aufgegriffen, der durchaus schon so im Raum war, und hat dazu ein Paper veröffentlicht. Und seine Stimme hatte sehr viel Gewicht, dass wir hier, die wir in der Lage waren, sowas eben auch im Computermodell zu berechnen, uns eben gesagt haben: Das müssten wir ausprobieren. Die EU hatte dann auch ein Forschungsprogramm dafür aufgesetzt, was uns dann gelungen ist, dafür die Förderung zu bekommen. Und damit haben wir dann angefangen, uns anzusehen, ja was sind denn die klimatischen Auswirkungen, wenn wir sowas tatsächlich machen würden, beziehungsweise wenn wir das eben in unseren Modellen durchspielen.
[00:20:20] Stephan: Crutzen, soweit ich weiß, auch nicht im Verdacht, dass er das so nur als Ausrede benutzen würde und dass er nicht gerne auch Emissionen mindern würde.
[00:20:30] Ulrike Niemeier: Nein, nein, ich glaube genau andersherum. Er hat das auch tatsächlich um die Sorge gemacht und auch eher mit diesem Hintergedanken, die Leute etwas wach zu rütteln: Was wäre denn vielleicht die Alternative, wenn wir gar nichts gegen den Klimawandel machen?
[00:20:42] Stephan: Ja, ja, genau. Also wir haben große Vulkanausbrüche wie von Mount Pinatubo oder ein gut bekanntes auch 1815, 1816, das Jahr ohne Sommer.
Erstmal, was ist der Mechanismus? Vielleicht können Sie den nochmal erklären. Das Schwefel wird jetzt sehr hoch in die Stratosphäre befördert. Was passiert dann und warum? Wie wirkt das?
[00:21:00] Ulrike Niemeier: Ja, Schwefel, SO2, wird durch eine große Vulkaneruption eben explosiv bis in die Stratosphäre gebracht. Das ist auch wichtig, dass es so hoch geht. Also 19 Kilometer, sagen wir mal, ungefähr vielleicht, müsste es schon sein, denn in der Troposphäre — Schwefel ist sehr wasserlöslich — und in der Troposphäre wird es ganz, ganz schnell ausgeregnet werden, da ist die Lebenszeit dann sehr kurz. Da oben haben wir keine Wolken, dadurch kann sich Schwefel länger halten.
SO2 wird oxidiert, bildet Schwefelsäure, woraus dann kleine Partikel entstehen, beziehungsweise auf Partikeln auch aufkondensiert. Und diese Partikel, wenn sie klein sind, 0,1 Mikrometer, so grob in der Größenordnung, haben die Eigenschaft, dass sie mit solarem Licht wechselwirken. Sie streuen das Licht, das heißt, ein Teil des einfallenden Sonnenlichtes wird zurückreflektiert in den Weltraum und dadurch kommt dann am Ende weniger Sonneneinstrahlung hier am Erdboden an. Mit weniger Sonnenstrahlung am Erdboden ist es auf der Erde etwas kühler.
[00:22:03] Stephan: Zu den Mengen und den Zeitskalen, in denen wir uns bewegen: Ich habe gelesen, beim Pinatubo-Ausbruch waren es 17 Millionen Tonnen oder 17 Teragramm Schwefeldioxid
[00:22:16] Ulrike Niemeier: SO2, ja.
[00:22:17] Stephan: Und den Effekt, also war es beim Vulkanausbruch ja auch, den merkt man dann ein, zwei Jahre lang bei der Größenordnung. Und dann irgendwann wird es halt doch abfallen, irgendwann runterregnen. Ja, Sie nicken.
[00:22:30] Ulrike Niemeier: Ja, genau, also für mich ist diese, ja, „einmal Mount-Pinatubo“, finde ich, immer eine ganz gute Einheit quasi. Also in unseren Modellen zeigt sich jetzt — bisschen anders, als es in der Realität war, aber die Prozesse sind eben auch sehr nicht linear, insofern kommen am Ende andere Teilchengrößen raus und andere Wirkungen — dass so grob gesagt einmal Mount-Pinatubo pro Jahr würde vielleicht so für ein Grad Abkühlung auf der Erde ausreichend sein. Wobei diese Zahl schon sehr unsicher ist, weil die verschiedenen Modelle sich da auch unterscheiden in ihren Aussagen. Aber es ist immer so ein ganz grober Pi-mal-Daumen-Wert.
[00:23:09] Stephan: Also beim Pinatubo damals, Sie haben gesagt, waren es 0,4, 0,5 Grad, aber einfach weil wir das jedes Jahr machen und weil vielleicht im zweiten Jahr auch noch ein bisschen was übrig ist, sind wir mehr bei einem Grad?
[00:23:20] Ulrike Niemeier: Ne, vor allen Dingen, weil die Teilchen kleiner bleiben würden. Also wenn wir ganz kontinuierlich, eben diese Menge ganz kontinuierlich über ein Jahr emittieren, ist es natürlich was anderes, als wenn eine Vulkaneruption über drei Stunden das explosiv erledigt.
[00:23:35] Stephan: Dann kondensieren die schneller, fallen die schneller ab.
[00:23:36] Ulrike Niemeier: Genau, die kondensieren schneller, werden größer, fallen schneller raus, sind größer, haben dann auch schlechtere Streueigenschaften und deswegen ist dann die Auswirkung auch geringer.
[00:23:45] Stephan: Sie haben gerade gesagt, die Dosis-Wirkungskurve, die flacht ab, nicht? Also, welches Ausmaß an Kühlung könnte man mit Schwefeldioxid erreichen?
[00:23:54] Ulrike Niemeier: Also wir haben uns diese Frage auch tatsächlich so gestellt, weil wir eben schon vorher wussten, von verschiedenen starken Vulkaneruptionen, die wir gerechnet haben, dass die Wirkung abnimmt, je mehr Material wir reinbringen, also pro Einheit Material nimmt die Wirkung ab. Aber unsere Testrechnung zeigten eigentlich, dass auch wenn wir 100 Teragramm emittieren, was dann doch schon eine extrem große Menge wäre, das würde im Modell zumindest immer noch funktionieren.
Und bei mir kam dann so ein theoretischer Wert raus, dass wir bis zu 60 Watt pro Quadratmeter oder sowas, damit tatsächlich kühlen könnten, was völlig utopisch ist. Aber eben diesen Bereich, dass wir ein oder anderthalb Grad die Erde kühlen würden, das wäre wahrscheinlich machbar.
[00:24:43] Stephan: Wie bringen wir die Schwefelpartikel in die Stratosphäre ein?
[00:24:48] Ulrike Niemeier: Im Wesentlichen würde dann darüber nachgedacht werden, das auch mit Flugzeugen zu machen, mit speziellen Flugzeugen, denn die normalen Linienflugzeuge zum Beispiel kommen nicht hoch genug. Es gibt ein paar Militärflugzeuge, die das machen. Angeblich günstiger wäre es tatsächlich, neue Flugzeuge zu entwickeln.
Es gibt auch Leute, die meinen, sie können einen Ballon starten, den sie an eine Leine binden, um dann quasi Schwefel hochzupumpen. Ich habe da ein bisschen meine Zweifel. Da oben sind extrem starke Winde, dass man ein System hat, was das Ganze festhalten würde, ich glaube, das würde sich schnell verselbstständigen, so ein Ballon. Raketen wären vermutlich zu teuer. Insofern ist es sicherlich, ja, das Flugzeug.
[00:25:35] Stephan: Wahrscheinlich Spezialflugzeuge und ich habe gelesen: Viele Flüge bräuchte man gar nicht. Also „viel“ gemessen daran, wie viel wir normalerweise fliegen.
[00:25:46] Ulrike Niemeier: Also wir hatten mal abgeschätzt, Kollegen hatten glaube ich abgeschätzt, dass man so um die 1000, 1500 Flugzeuge bräuchte, mit 6.000, 7.000 Flügen pro Tag. Ich hatte dann mal geguckt, was gibt es denn in Heathrow an Start und Landung. Das sind glaube ich 1200. Man bräuchte ja nicht mal die ganzen Passagiere dazu. Also ja, da bräuchte man gar nicht so wahnsinnig viel. Das ist ein bisschen die Idee, wenn man das Ganze in den Tropen macht. Das hängt auch davon ab, wo man das macht.
Klar, mit mehreren Orten, dann natürlich auch über mehrere Flughäfen oder sowas. Aber ich denke schon, die Infrastruktur, das könnte man schaffen. Also wir fliegen viel, viel mehr als 6.000 oder 7.000 Flüge pro Tag, also…
[00:26:28] Stephan: Dann führen Sie gerne einmal aus, was die Überlegungen bei den Standorten sind. Also Sie haben gerade genannt: In den Tropen könnte man es machen, von da kann es sich verteilen oder wir machen es an einem Punkt in der nördlichen, an einem Punkt in der südlichen Hemisphäre. Was sind da die Überlegungen?
[00:26:43] Ulrike Niemeier: Also, eigentlich sind wir immer so anfänglich davon ausgegangen, das macht man in den Tropen. Weil die Zirkulation in der Stratosphäre ist so, dort gibt es ganz starke Winde, die parallel zum Äquator wehen. Das heißt, jetzt nach dem Pinatubo zum Beispiel kann man sehr schön sehen, dass diese Vulkanwolke zwei, drei Wochen brauchte, bis sie entlang des Äquators einmal rund um die Erde gewandert war. Und von da aus fängt sie dann eben an, sich zu den Polen auszubreiten. Dadurch ist es auch so, dass dieses… Schwefel in der Stratosphäre ist immer global. Also man könnte gar nicht sagen: Wir machen das nur über einem Land. Das verteilt sich immer global durch die starken Winde, die in der Stratosphäre sind.
Es hat sich jetzt aber im Laufe der Forschung gezeigt, dass das gar nicht mal unbedingt so optimal ist, auch wenn die Verteilung vielleicht optimal wäre. Aber es würde vergleichsweise viel Material in den Tropen bleiben und dadurch die Tropen etwas überkühlen. Und gleichzeitig hat man das Problem, dass an den Polen, das ist ja Solar Radiation Management, wir haben an den Polen aber einen langen dunklen Winter, da wirkt das dann gar nicht, wenn CO2 gleichzeitig trotzdem noch wärmt. Das müsste eben so ein bisschen ausgeglichen werden. Das muss es sowieso, aber durch diese Methode in den Tropen, das zu injizieren, würden eben die Tropen überkühlt werden.
Und daher ist jetzt der Ansatz zu sagen, wir gehen vielleicht etwas außerhalb der Tropen und versuchen mehr vielleicht unseren Modellen zu sagen: Wir injizieren jetzt 15 Grad Nord oder 15 Grad Süd oder/und 30 Grad Nord-Süd, irgendwo in diesem Bereich zumindest. Dann haben wir eine etwas gleichmäßigere globale Abdeckung. Etwas weniger Material in den Tropen, dafür aber ein bisschen mehr Material außerhalb der Tropen. Und es hat sich gezeigt, dass das tatsächlich auch weniger Nebenwirkungen hat.
[00:28:30] Stephan: Also der Effekt der Wärme im Grunde, ansonsten, wenn man das eher in den Tropen macht, deswegen so ungleichmäßig, weil wir dann näher am Äquator pro Quadratmeter mehr Sonneneinstrahlung haben und an den Polen weniger. Und deswegen kann die Kühlungswirkung auch weniger groß sein?
[00:28:46] Ulrike Niemeier: Ja, zum einen, aber zum anderen tatsächlich, also die Windsysteme sind so, dass wir in den Tropen… im Bereich der Tropen haben wir starke vertikale Aufwinde, diese sogenannte Brewer-Dobson-Zirkulation. Am Ozon kann man das auch sehr schön sehen. Ozon wird vorwiegend in den Tropen gebildet und dann eben zu den Polen transportiert. Und so ist es dort auch.
Wenn wir in den Tropen injizieren, dann sind wir erstmal in so einem Aufwindgebiet, bringen das sehr weit nach oben und dann langsam zu den Polen. Wogegen, wenn man außerhalb von 15 Nord/Süd ist, ist der Transport zu den Polen deutlich schneller. Das hat natürlich eine ein bisschen kürzere Lebenszeit, würde aber bedeuten, dass nicht so viel Material in den Tropen gefangen bleibt. Einfach dadurch, dass es so stark nach oben transportiert wird, haben wir einfach eine sehr dicke Schicht in den Tropen dann. Und dadurch haben wir eben auch diese Überkühlung in den Tropen.
[00:29:39] Stephan: Ja, kann man noch generelle Statements darüber machen, wie Effekte lokal unterschiedlich sein könnten? Also zum Beispiel Land versus Wasser?
[00:29:52] Ulrike Niemeier: Na ja, die Aerosole sind natürlich relativ gleichmäßig verteilt. Man sieht schon in den Modellergebnissen, dass das Land stärker gekühlt wird. Das reagiert stärker, auch alleine, weil die Wassertemperatur sehr viel träger ist.
[00:30:07] Stephan: Die Wärmekapazität ist höher, nicht?
[00:30:08] Ulrike Niemeier: Genau, die ist einfach anders. Was man ansonsten auch mit regional weiß, man sollte es nicht nur in einer Hemisphäre machen. Das würde sehr stark die ITCZ, also dieses Wolkenband in den Tropen, beeinflussen und dazu führen, dass sich das sehr stark verschiebt. Das wäre also ein Ansatz, den man nicht machen sollte. Man müsste es immer möglichst gleichmäßig auf beiden Hemisphären machen. Sonst sind die Auswirkungen tatsächlich nicht so deutlich spürbar.
[00:30:37] Stephan: Das ist ja auch politisch schwierig. Sobald es dann lokale Effekte gibt und dann könnte der Monsun anders sein, dann kann es auch immer… kann es generell, selbst wenn der Effekt gleichmäßig wäre, könnten vielleicht einzelne Staaten sagen, vielleicht Kanada und Russland: „Wir möchten weniger stark am Thermostat drehen als Inselstaaten,“ im Extremfall.
[00:31:02] Ulrike Niemeier: Ja, also dieses „Wer hat die Hand am Thermostat und wie stark drehen wir an dem Thermostat?“, das ist natürlich für mich auch ein starkes Gegenargument. Haben wir überhaupt politische Systeme, worüber wir sowas regeln könnten? Und wir könnten natürlich auch nicht ausschließen, dass Einzelne das machen. Und es wäre schon anzunehmen, dass die Vorstellungen total verschieden sind. Ja, Russland hat vielleicht nichts dagegen. Auf Island habe ich auch schon Menschen gehört, die finden das: „Wie, ja ist doch super hier, wird auch endlich mal ein bisschen weniger kalt und es wächst alles besser.“ Aber ich glaube, die Inder würden uns jetzt schon zustimmen, dass das viel zu warm ist. Und, also das gibt’s ganz sicher lokal und regional unterschiedliche Einstellungen.
[00:31:44] Stephan: Wäre kompliziert und man müsste irgendwelche Ausgleichsmechanismen finden. Derzeit scheint es in der Rechtswissenschaft etwas unterschiedliche Meinungen zu geben, aber im Grunde schien mir, der Konsens ist: Kohlenstoffdioxid wieder aus der Atmosphäre rauszuholen, ist erstmal okay. Wir akzeptieren das ja auch, dass alle was reinpumpen.
Und Strahlungsmanagement wäre wahrscheinlich auf einem riesigen Ausmaß erst mal wegen Vorsorgeprinzipien und so weiter, nicht okay.
[00:32:13] Ulrike Niemeier: Ja, ich bin jetzt aktuell nicht so ganz auf dem Stand der Forschung, aber was wir in unserem Projekt damals so ein bisschen geredet haben, dann ging das sehr wohl in diese Richtung, ja. Weil es ist natürlich sehr schwierig und wir haben vor allem keine internationalen Regeln im Augenblick, wonach man sich richten könnte.
[00:32:31] Stephan: Dann einmal zu den Partikeln, die wir verwenden würden: Bei Vulkanen haben wir Schwefeldioxid, das dann weiter reagiert.
Sie haben schon gesagt, es gab einen Feldversuch, wo man geguckt hat: Könnte man Calcite, also Calciumcarbonat, benutzen. Was sind die verschiedenen Vorschläge erstmal dafür, was man theoretisch benutzen könnte und das Für und Wider jeweils?
[00:32:55] Ulrike Niemeier: Schwefel, ja, wird in der Forschung sehr gerne verwendet, einfach weil wir von dem Beispiel Vulkan eine Vorstellung davon haben, was passiert. Und wir können dadurch auch in unseren Modellen sehen: Berechnen die das eigentlich ansatzweise richtig? Denn wir haben ja keinen Feldtest, an dem wir die Modelle tatsächlich evaluieren können. Das ist immer ein großes Argument für Schwefel und man kann auch sagen, es ist natürlich, die Natur macht uns das vor.
Gleichzeitig hat Schwefel aber eine Nebenwirkung, dass es nämlich nicht nur kurzwellige Strahlung streut, sondern diese Schwefelschicht erwärmt sich auch, weil es langwellige Strahlung aufnimmt. Und das hat dann wieder Auswirkungen und Rückwirkungen auf die Dynamik, die sich dann in der Stratosphäre verändert. Und gleichzeitig wirkt es natürlich so ein bisschen auch wieder wie ein Treibhausgas, was wir durch ein bisschen mehr Schwefel kompensieren müssen. Und deswegen wurde auch nach anderen Materialien geguckt.
Calciumcarbonat war eben ein Ansatz, weil es als Material sowohl natürlich ist, es kommt hier viel vor und gleichzeitig konnte man schon mal bestimmen, dass es sich nicht erwärmt. Es gab andere Vorschläge, wie winzig kleine künstliche Diamanten, wo sicherlich die Herstellung so teuer und so energieaufwendig ist, dass es auch nicht so gut ist.
[00:34:14] Stephan: Dafür ist es unreaktiv, nicht?
[00:34:16] Ulrike Niemeier: Genau. Titan, Ruß… Ruß erwärmt sich auch viel zu stark. Mehr fällt mir jetzt spontan nicht ein. Also es wurde schon nach anderen Materialien geguckt, aber im Grunde genommen kommt immer alles wieder zurück zum Schwefel. Also auch die Kollegen, die ich persönlich kenne, die daran geforscht haben, sind im Augenblick auch eher wieder auf dem Weg Richtung Schwefel, weil sie bei allen anderen doch so viele Probleme sehen, dass es auch zumindest kein besseres Material wäre.
[00:34:46] Stephan: Wie gut wissen wir denn über die Auswirkungen auf die Ozonschicht Bescheid? Also ich habe gelesen, ein Argument für Calciumcarbonate sei, dass es, weil es eben alkalin ist, nicht die Ozonschicht beschädigen würde.
[00:35:00] Ulrike Niemeier: Ja, das ist richtig. Das ist neben der Erwärmung das andere Argument. Schwefel hat eben, ja, Fremdwechselwirkungen mit Ozon und würde aber im Prinzip dazu führen, dass wir an den Polen das Ozonloch verstärken, in den tropischen Regionen etwas mehr Ozon hätten, was beides nicht gut ist, weil wir als Menschen, ja auch doch ungefähr so ein bisschen darauf eingestellt sind. Oder auch die Natur, nicht nur wir Menschen, die Natur darauf eingestellt ist, wie viel Sonnenlicht kommt denn auch hier an und was wird gefiltert durch das Ozon.
[00:35:30] Stephan: Kommt da noch ein „Aber“, also wie groß ist die Auswirkung? Vielleicht von einem Pinatubo, ist das jetzt was, was kritisch schon wäre? Muss ich dann doppelt so häufig Sonnencreme auftragen?
[00:35:45] Ulrike Niemeier: Oh, die Frage kann ich, glaube ich, gar nicht genau beantworten, aber ich habe jetzt so grob im Kopf, dass wir in der Ordnung dann zehn, 15 Prozent weniger Ozon in den Polen hätten. Ungefähr, glaube ich, meine ich. Aber so ungefähr, das würde das bedeuten und eben, ja, auch ähnliche Größenordnung, glaube ich, sogar fast mehr in den tropischen Regionen, vielleicht ein bisschen weniger. Aber es würde auf jeden Fall das Ozon verschieben und das ist eben eine Nebenwirkung, die man versuchen sollte, dann auch zu verhindern, damit als Motivation nach anderen Materialien zu gucken.
[00:36:23] Stephan: Weniger, als wir, glaube ich, Schaden angerichtet haben durch FCKWs, aber natürlich schon was, was man mitbedenken müsste.
Okay, was sind andere Nebenwirkungen?
[00:36:34] Ulrike Niemeier: Eine klare Nebenwirkung ist, dass wir anderen Niederschlag bekommen, dadurch, dass wir weniger Sonnenlicht auf den Erdboden lassen und auch die Temperatur am Erdboden niedriger wäre, würde weniger Wasserdampf in der Luft sein, wir würden einfach weniger verdunsten, besonders über den Ozean.
Damit haben wir weniger Feuchtigkeit in der Luft und auch weniger Niederschlag. Sind auch nur wenige, im globalen Mittel auch nur wenige Prozent, aber schon spürbar und ich hatte irgendwo mal mir Simulationen, so Läufe, angeguckt, da waren wir zum Beispiel für Nordeuropa bei vielleicht zehn Prozent weniger Niederschlag, das würden wir durchaus merken.
[00:37:12] Stephan: Wäre das zehn Prozent im Vergleich von 2,5 versus 2 Grad präindustrielle Erwärmung?
[00:37:19] Ulrike Niemeier: Nee, das wäre sogar zu dem…
[00:37:21] Stephan: Oder im Vergleich zum heutigen?
[00:37:23] Ulrike Niemeier: … zum heutigen. Die Studien waren so ein bisschen: „Wir versuchen auf 2020 Klima zu bleiben,“ und verglichen zu diesem Klimazustand. Verglichen zu einem — damals hatten wir so einen mittleren Klimawandel angenommen, das sogenannte RCP 4.5 Szenario — verglichen dazu ist es dann mehr.
[00:37:43] Stephan: Noch mehr, weil das noch ein wärmeres Klima ist?
[00:37:45] Ulrike Niemeier: Genau, es ist ein wärmeres Klima, da haben wir mehr Feuchtigkeit, mehr Verdunstung und dadurch wäre die Verminderung dann schon noch niedriger. Das könnten, glaube ich, zehn, obwohl nee, zehn Prozent würden es global nicht, aber doch so 7 [Prozent] oder so was — die Modelle schwanken ja auch, kann man nicht so ganz genau sagen. Aber das ist auf jeden Fall eine Nebenwirkung, die wir eben sehr deutlich sehen, dass wir den Niederschlag verändern. Wir verändern ihn auch durch den Klimawandel.
Aber gut, ein anderes Problem ist natürlich, wenn wir einmal anfangen, es ist schwer wieder aufzuhören. Abbruch wäre schon sehr schlecht.
[00:38:20] Stephan: Weil dann schnell, dann in ein, zwei Jahren… ein, zwei, drei Jahren passiert so viel, wie vorher passiert?
[00:38:28] Ulrike Niemeier: Ja, nicht ganz in ein, zwei Jahren, aber innerhalb von zehn Jahren wären wir auf jeden Fall wieder da, wo wir ohne…
[00:38:35] Stephan: Noch viel schwieriger, selbst für uns Menschen, aber noch mehr für die Natur.
[00:38:38] Ulrike Niemeier: Für die Natur wahrscheinlich gar nicht zu leisten, für die Tiere, Pflanzen, für uns Menschen wäre es auch nicht einfach, weil das Wetter wahrscheinlich auch sehr unberechenbar darauf reagieren würde. Ja genau, das ist also schon eine sehr zu bedenkende Nebenwirkung.
Das andere ist auch, dadurch, dass wir eben so eine Schwefelschicht in der Stratosphäre haben, die streut, haben wir keinen blauen Himmel mehr. Das würde immer so zu einem ganz leicht gräulichen Himmel führen.
[00:39:03] Stephan: Aber zu hier [in Hamburg] auch nicht so ein großer Unterschied.
[00:39:05] Ulrike Niemeier: Nee, aber trotzdem erfreut es unser Herz immer, wenn wir richtig blauen Himmel haben. Und wenn das auf einmal weg wäre, also, das ist nur so ein Gefühl, aber ich glaube immer, das könnte durchaus auch zu mehr Depressionen beitragen. Also, das ist sicherlich auch nicht so gewünscht.
[00:39:21] Stephan: Die Sonnenuntergänge wären schöner, glaube ich.
[00:39:24] Ulrike Niemeier: Die Sonnenuntergänge wären schöner, ja, richtig.
Nach so Vulkaneruptionen hat man immer sehr wunderschöne rote Sonnenuntergänge, die wären schöner. Das wäre vielleicht der Ausgleich.
[00:39:32] Stephan: Noch was Wichtiges? Oder sind das die Hauptnebeneffekte?
[00:39:36] Ulrike Niemeier: Mir fällt gerade nicht was anderes ein, was nicht heißt, dass ich nicht was vergesse.
[00:39:41] Stephan: Mir auch nicht. Vielleicht noch kurz zu den Kosten: Also, es ist natürlich schwierig abzuschätzen, aber so grob können wir von zehn Milliarden Dollar oder in dem Bereich ein paar Milliarden bis ein paar zehn Milliarden Dollar pro Jahr davon ausgehen?
[00:40:00] Ulrike Niemeier: Ja, ich glaube, ich hatte Schätzungen, die waren niedriger, aber ich glaube, da kommt es total darauf an, was man da annimmt. Also es ist vergleichsweise billig. Die Frage ist natürlich, was da alles eingerechnet wird.
[00:40:13] Stephan: Ja, ja. Und über welchen Zeitraum machen wir es? Gehen wir davon aus, dass wir dann irgendwann wieder langsam aufhören?
[00:40:20] Ulrike Niemeier: Ja, der Zeitraum ist da eingerechnet, dass wir es ja auch irgendwie versuchen müssten zu kontrollieren. Wir bräuchten sicherlich entsprechende Satelliten, die das beobachten, die im Moment nämlich nicht wirklich da oben rumfliegen. Das werden ja auch immer weniger, die sowas messen können. Da ist natürlich die Frage, was wird da einberechnet und wie verlässlich sind diese Zahlen?
[00:40:40] Stephan: Ja.
[00:40:41] Ulrike Niemeier: Und wir wissen auch gar nicht — eine Nebenwirkung, die wir gerade nicht genannt haben — wir wissen gar nicht genau, wie viel Schwefel brauchen wir.
Also, die Modelle sind sich sehr uneinig, Faktor 2 bis Faktor 3 Menge. Ich habe zwar vorhin gesagt, ungefähr einen Pinatubo, um einen Kelvin zu kühlen, aber das eine Modell, dem reicht es eigentlich vielleicht schon mit einem halben Pinatubo pro Jahr. Und umgekehrt gesagt, ein Pinatubo pro Jahr könnte also ein Grad oder vielleicht auch nur ein halbes Grad kühlen. Das ist natürlich auch eine große Unsicherheit. Wir wissen nicht genau, wie viel wir tatsächlich in die Stratosphäre einbringen müssen. Ja, entsprechend wären die Kosten natürlich auch sehr unterschiedlich.
[00:41:16] Stephan: Aber die Größenordnung reicht. Also, wir sehen gleich, dass es beim Kohlenstoff aus der Atmosphäre ziehen ganz andere Größenordnungen sind.
Eine dritte Technologie neben den Spiegeln im Weltraum, die erstmal wenig realistisch sind und der Injektion von Schwefeldioxid oder anderen Partikeln in die Stratosphäre, ist die künstliche Wolkenbildung mit Meersalz.
Können Sie das noch einmal vergleichen und schildern, was sind da die Effekte? Das ist, glaube ich, noch ein bisschen lokaler wahrscheinlich.
[00:41:48] Ulrike Niemeier: Ja, künstliche Wolkenbildung, dabei geht es um die Idee, dass man versucht, marine Wolken… also es gibt in bestimmten Regionen sehr durchgehende flache Bewölkung über dem Ozean, geht aber auch in anderen Wolkenarten, man könnte es im Grunde, wenn man es meinte, auch global machen, dass man dort versucht, Seesalz einzutragen. Und Seesalz hat dann am Ende eine ähnliche Eigenschaft. Ja, Feuchtigkeit kondensiert und vor allen Dingen hat man viel, viel mehr kleinere Teilchen und wenn man eine Wolke hat, mit vielen kleinen Teilchen, ist sie heller. Eine hellere Wolke kann mehr Licht reflektieren, wäre dann wieder ein ähnlicher Effekt wie auch bei dem Schwefel im All. Wir bekommen weniger Strahlung hier an den Erdboden, und dann reflektieren wir mehr zurück in das Weltall und dadurch würde es kühlen.
[00:42:39] Stephan: Ist die von oben und von unten heller oder ist es einfach, kann ich mir das so vorstellen, oben wird jetzt erstmal wieder mehr zurückreflektiert, deswegen müsste sie oben heller sein?
[00:42:47] Ulrike Niemeier: Genau, das ist das, worum es erstmal geht. Sie ist von oben vor allen Dingen heller. Von unten vielleicht nicht, weil weniger durchkommt.
[00:42:54] Stephan: Würde ich… Würde man so denken.
Und Wolken generell können beides machen, wärmen und kühlen. Warum kühlen gerade die jetzt?
[00:42:45] Ulrike Niemeier: Das darf man nicht mal so sagen. Es wäre schon wichtig, dass wir viele kleine Teilchen haben. Und die dürften auch eine bestimmte Größe nicht überschreiten. Also es ist tatsächlich wichtig, viele kleine Teilchen, nur dann wird die Wolke heller. Wenn die Teilchen zu groß wären, dann bestände die Gefahr, dass das kippt und das System erwärmt wird. Das ist eine große Schwierigkeit dabei.
[00:43:27] Stephan: Überdüngung.
[00:43:27] Ulrike Niemeier: Ja, quasi eine Überdüngung, genau.
[00:43:29] Stephan: Und dann kondensiert es doch zu viel.
[00:43:31] Ulrike Niemeier: Und dann kondensiert es zu viel oder sie verklumpen die Teilchen und dann werden sie eben zu groß. Das ist auch eine große Schwierigkeit bei dieser Idee, weil man eben so feine Teilchen erstmal künstlich erzeugen muss.
Anders als bei dem Schwefel, wo wir natürlich den Vulkan als Vorbild haben, aber es ansonsten noch nicht künstlich ausprobiert haben, wird an der künstlichen Wolkenbildung tatsächlich auch gearbeitet. Zum Beispiel in Australien wird versucht, das Great Barrier Reef damit zu kühlen. Und das ist eben, ja, ein sehr guter Testfall, um zu sehen, wie einfach wäre denn das möglich. Und die haben sehr viele Schwierigkeiten, die richtigen Größen zu erreichen, das Material so in die Atmosphäre zu bringen, dass es nicht ganz schnell wieder rausfällt. Die Lebenszeit wäre ja sowieso kurz. Aber eben vor allen Dingen so die richtigen Teilchen zu erzeugen, dafür auch entsprechende Düsen zu entwickeln. Da gibt es doch inzwischen eine Reihe Gruppen, die daran arbeiten. Und, ja, die technischen Schwierigkeiten sind nicht gering.
Also ich bin irgendwie so ein bisschen, sagte ich zu einem Kollegen, der in die Richtung arbeitet, dass ich sagte: Ich denke, das könnte ich mir vorstellen, dass das viel eher passieren würde, dass es auch vielleicht lokaler eingesetzt würde. Und er so: „Nee, da glaubt er auch noch nicht dran, weil einfach die technischen Schwierigkeiten groß sind.“
Aber sonst ja, das ist so ein bisschen lokal, was ich dabei denke. Dass dann, ja, wie Great Barrier Reef kühlen oder wir haben so einen starken El Nino, vielleicht versuchen wir da mal was dagegen zu machen, um vor den Küsten von Kalifornien da mal auszubringen, dass die Verlockung in die Richtung was zu machen, wenn die Technik funktioniert, durchaus da ist.
[00:45:19] Stephan: Ja natürlich.
[00:45:40] Ulrike Niemeier: Man hat immer auch dann noch eine globale Wirkung.
[00:45:23] Stephan: Sind die Schwierigkeiten bei dem anderen Vorschlag mit Wolken was zu machen, nämlich die Cirruswolken auszudünnen, sind die ähnlich?
[00:45:33] Ulrike Niemeier: Die sind ähnlich, sind glaube ich, noch größer. Also da sind sich sogar die Modell-Simulationen uneinig, ob das geht oder nicht. Also es gibt Modelle, die sagen, das wäre möglich. Andere sagen, was wir simulieren, zeigt, das ist nicht möglich. Dave Mitchell, von dem diese Idee unter anderem kommt, der ist sehr überzeugt, dass es geht. Ja, aber es ist tatsächlich ganz schwierig.
Wir wollten das auch simulieren, als große Gruppe, als ein mögliches Experiment, um Modelle zu vergleichen und sind dann auch überzeugt worden, dass die Ansätze, die wir nehmen wollten, eigentlich nicht die richtigen sind und wir haben das dann gelassen.
Weil wir sagten: Die Aussagen, zu denen wir da kommen, könnten einfach falsch sein und das ist ja auch schlecht, das will man ja nicht. Das hat ja alles immer nur eine gewisse politische Relevanz. Deswegen haben wir das dann gelassen. Also da sind tatsächlich schon bei den Modellen Unsicherheiten so groß, dass man nicht genau weiß, was rauskommt. Auch mit dem gleichen Problem, dass wenn man zu viel macht, dann würde es wärmen, wenn die Teilchengröße nicht stimmt, würde es wärmen.
[00:46:36] Stephan: Was so leicht beim Schwefeldioxid nicht passieren kann.
[00:46:39] Ulrike Niemeier: Ja, genau.
[00:46:40] Stephan: Und die Cirruswolken, das sind diese, die haben so Schweife, nicht?
[00:46:45] Ulrike Niemeier: Das sind die ganz hohen Eiswolken, die oft so Vorboten für frontenaufziehende Fronten sind, wo dann so Schleierwolken nennt man sie ja auch, manchmal haben die auch so einen Haken, die dann den vormals schön-blauen Himmel langsam grau werden lassen. Und auch bei denen wäre es nur, da müssen ganz bestimmte Bedingungen erfüllt sein, damit das überhaupt geht.
Also die Idee wäre ja da genau das Gegenteilige. Man würde versuchen, die Eisteilchen größer zu machen, sodass das Eis ausfällt und sich die Wolken auflösen. Das ist nämlich tatsächlich ein anderer Prozess. Wir würden nicht kühlen, sondern wir würden versuchen, mehr Wärmestrahlung rauszulassen.
[00:47:24] Stephan: Ja, es ist quasi die Strahlung, nicht die Strahlung von der Sonne, die kurzwellige, die wir reflektieren wollen, sondern diese Cirruswolken, die einfach… das viele Wasser da drin, sorgt dafür, dass ein Teil der terrestrischen Strahlung wieder zurück zur Erde kommt und das würden wir dann…
[00:47:37] Ulrike Niemeier: Genau, die haben ja einen Wärmeeffekt. Und wenn man sich schneller auflöst, dann könnte man dadurch eben etwas mehr Wärmestrahlung rauslassen und insofern ein bisschen direkter eigentlich an dem Problem arbeiten, das wir haben.
[00:47:50] Stephan: Und Vorschläge sind, das mit Eispartikeln zu machen?
[00:47:54] Ulrike Niemeier: Nee, das wäre…
[00:47:56] Stephan: Silberjodid, habe ich auch schon gehört.
[00:47:58] Ulrike Niemeier: Silberjodid wäre auch eine Möglichkeit. Ich glaube, es ist noch was anderes im Gespräch. Ich weiß es jetzt aber gerade nicht.
[00:48:04] Stephan: Das scheint ja noch gar nicht so gut belegt zu sein und mit vielen Unsicherheiten behaftet, aber Silberjodid wurde anscheinend auch schon von China zum Beispiel vor olympischen Spielen eingesetzt.
[00:48:18] Ulrike Niemeier: Nicht nur von China. Wir gehen immer gerne auf China. Ja, Silberjodid wird zur Impfung von Wolken verwendet. Hagelflieger ist da Stichwort. Die gibt es auch in Deutschland.
[00:48:30] Stephan: Die Weinbauer machen das gerne, nicht?
[00:48:31] Ulrike Niemeier: Genau, in den Weinbauregionen wird das gemacht. Da wird versucht, mit Silberjodid Wolken zu impfen, um dann, gleiches Prinzip, viele Möglichkeiten, dass sich viel mehr kleine Teilchen bilden können, um zu verhindern, dass sich große Hagelkörner bilden, die dann den Wein schädigen könnten. Es wird in vielen Regionen gemacht. Saudi-Arabien, da in den Regionen auch. Die versuchen tatsächlich, damit Regen zu bilden. Andersherum, ja, bei denen, das Gerücht, ich weiß gar nicht, ob sie es wirklich gemacht haben, dass eben vor den Olympischen Spielen in China das eingesetzt wurde. Also es wird in vielen Regionen gemacht.
[00:49:09] Stephan: Ich glaube, wichtiger war noch, dass sie die ganzen Fabriken und Kraftwerke heruntergefahren haben.
Ja, die letzte Methode des Strahlungsmanagements, die mir einfällt, ist, die Oberfläche heller zu machen. Klingt auch erstmal sehr logistisch aufwendig, ist es, glaube ich, auch. Gibt es da große Areale, bei denen das möglich wäre? Gibt es Schätzungen dazu, wie teuer das wäre?
[00:49:31] Ulrike Niemeier: Also ich muss zugeben, ich weiß das gar nicht, weil damit es wirklich erfolgreich ist, müssten das eben wirklich richtig große Flächen sein. Also wenn wir jetzt hier sagen, wir pinseln alte Dächer weiß an, ist das, glaube ich, lokal gut, weil das schon auch natürlich ein bisschen die Überhitzung der Städte mindern würde. Aber die globale Auswirkung ist in dem Fall nicht so groß. Und wir können ja gar nicht unsere Erde weiß machen. Wir brauchen ja auch grüne Flächen, um dann tatsächlich Lebensmittel zu produzieren. Insofern sind die Flächen nicht so groß. Und ob man die Ozeane dafür nutzen möchte, naja, vielleicht auch nicht so gut.
Man könnte natürlich ein bisschen darüber nachdenken, wie agiert man denn, dass zum Beispiel im Winter mehr Schneeflächen da sind. Ein Argument ist auch, mit der Wiederaufforstung. Bäume sind dunkler, die verlieren ja nun dann doch am Ende schneller den Schnee, als wenn es eine weiße Schneefläche wäre. In die Richtung könnte man natürlich so ein bisschen dann auch denken. Aber sonst wird es eigentlich nicht so wirklich als so wirkungsvoll angesehen, dass wir da jetzt weiter darüber nachdenken und irgendwelche Experimente in unsere Computer geschoben haben.
[00:50:48] Stephan: Dann können wir vielleicht übergehen zu der zweiten großen Sparte des Climate Engineerings, nämlich Carbon Dioxide Removal, also CO2 wieder aus der Atmosphäre zu ziehen. Das ist ja bereits, wie gesagt, in manchen der Szenarien eingerechnet. Also denken Sie, anders gefragt, denken Sie, wir könnten ohne Negativ-Emissionen in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts überhaupt vielleicht sogar das 1,5-Grad-Ziel erreichen oder eventuell das 2-Grad-Ziel ein bisschen schwächer?
[00:51:25] Ulrike Niemeier: Würde ich sagen, als Antwort nachher, jetzt philosophiere ich vielleicht eher ein bisschen mehr, aber ich glaube, bei den 1,5 Grad Erwärmung sind wir ja fast angekommen. Also das wird schon schwierig und ich glaube auch nicht, dass wir so auf dem Weg sind, dass wir ohne solche Methoden wirklich die zwei Grad schaffen. Dazu müssten wir uns alle erheblich mehr anstrengen. Und ich glaube, das, was zugesagt wurde an Emissionsminderungen, reicht vielleicht für drei Grad, bin mir jetzt nicht ganz sicher, aber ich glaube, so in die Richtung geht es und dann müsste ja wenigstens das auch noch umgesetzt werden.
Das ist so meine persönliche Meinung, dass ich davon ausgehe, dass wir ohne nicht klar kämen, aber auch wie es bei allen diesen Sachen ist, nichts ohne Nebenwirkungen, nichts ohne Schwierigkeiten. Ich bin da tatsächlich so wenig Experte, dass ich da jetzt auch ungerne so ins Detail gehen würde, weil ich es nicht genau weiß, aber ich weiß schon, dass die Kollegen, die daran arbeiten, sagen: „Ja, es klingt auch wunderbar und es ist eine gute Idee, aber es ist nicht so einfach.“ Und auch ihre Probleme mit Nebenwirkungen da haben. Gerade im großen Stil. Also bei diesen ganzen Sachen ist es ja, solange wir das irgendwie im Kleinen machen, geht es vielleicht, aber wenn es dann im großen Stil gemacht werden sollte, dann tauchen nämlich auch Probleme auf, die man vielleicht vorher so nicht gesehen hat.
[00:52:47] Stephan: Ja, man kann das ja schnell überschlagen. Also ich sehe es bei den 1,5 Grad auf jeden Fall ähnlich. Das Budget, wenn wir auch nur die Zwei-Drittel-Chance haben wollen, das zu erreichen, ist ja wahrscheinlich in zehn Jahren erreicht, ungefähr. Wir haben 35 Milliarden Tonnen CO2 oder 40 Milliarden Tonnen CO2-Emissionen jährlich global und haben nur noch wenige hundert Milliarden Tonnen Budget sozusagen.
Sie sind zwar nicht Expertin in den Fragen, aber ist es Recht, wenn wir einmal durch die Methoden durchgehen? Also erstmal die großflächige Aufforstung wäre ein Vorschlag. Vielleicht gehen Sie einmal darauf ein. Vielleicht haben Sie einen Sinn dafür, wie groß müsste das sein und eben, was sind die Schwierigkeiten?
[00:53:39] Ulrike Niemeier: Zahlen sind immer schwierig, aber man braucht schon sehr, sehr viel Fläche. Wenn ich mich dunkel an eine Studie von Kollegen hier erinnere, die gehen schon davon aus, dass man sehr groß Fläche aufforsten müsste und dann auch sehr deutlich gesagt haben, dass das so nicht machbar wäre, weil wir sehr schnell in Konflikt mit der Lebensmittelproduktion kämen. Das ist das große Problem dabei. Wir haben ja nicht endlos viele Flächen und die Flächen, die jetzt noch nicht zur Lebensmittelproduktion verwendet werden, sind ja dann zum Teil auch so wichtig, dass sie als naturbelassene Flächen bestehen bleiben, dass man da auch nicht unbedingt ran möchte. Also wir brauchen ja auch irgendwo nochmal, was heute unter Naturschutz steht, hat ja auch Gründe, weshalb man das gemacht hat. Und wenn man da jetzt anfängt, alles aufzuforsten, dann wäre diese Naturschutzidee natürlich auch hin und es wäre sicherlich für viele Tiere auch ganz schwierig.
Zweites Problem ist, dass wir natürlich in den Polargebieten darüber auch die Albedo ändern. Wir würden es dunkler machen. Dadurch würde dann nämlich weniger Licht reflektiert. Gerade so im Frühjahr-Bereich ist es dann sicherlich mal wichtig. Ja, aber das Argument mit der Lebensmittelproduktion ist, glaube ich, schon sehr groß. Auch wenn es andere Berechnungen gibt, die sagen, das würde unbedingt gehen. Ich habe da Zweifel.
[00:55:07] Stephan: Ja, und die Bäume müssen ja auch lang genug stehen bleiben. Die müssen irgendwie fix… also wenn die abbrennen, dann bringt es gar nichts. Und die Landnutzung ist die schwierige Frage dabei. Theoretisch könnte man natürlich einen Teil weniger für die Produktion von Tierfutter verwenden, aber auch darauf müsste man sich ja irgendwie einigen oder einen Preismechanismus dafür finden.
[00:55:22] Ulrike Niemeier: Richtig, dann sind wir wieder bei dem ganzen Drumherum, wieso wir es nicht schaffen, die Emissionen zu vermindern. Da kommen wir dann nämlich in die gleiche Region.
[00:55:29] Stephan: Ja, das wird doppelt nutzen. Verwandt mit der Idee, Bioenergie sogar zu nutzen und dann das CO2 abzuspalten und einzulagern. Was ist damit? Auch die Landnutzung das Problem, oder?
[00:55:44] Ulrike Niemeier: Auch die Landnutzung das Problem. Natürlich auch die Frage, wo lagern wir es? Sind wir uns überhaupt sicher genug, dass wir Lagerstätten haben? Es wird zwar ein bisschen davon ausgegangen, dass die Lagerstätten, wo wir mal Gas rausgeholt haben, dass die auch sicher wären, um gasförmig bzw. flüssig CO2 dort wieder einzulagern. Dann hätten wir aber gar nicht so endlos viele zur Verfügung. Ich glaube, das ist ein bisschen im Ungleichgewicht dessen, was wir bräuchten, zu dem, was wir an Lagermöglichkeiten dann hätten. Zumal CO2 ja mehr Raum bräuchte. Das ist sicherlich eben ein großes Problem.
Ja klar und wir müssen trotzdem aufforsten. Und wer sagt, wir könnten aufforsten, das dann wieder verbrennen, dann würden wir damit Energie erzeugen und versuchen, das CO2 dann wieder einzufangen?
[00:56:34] Stephan: Ja, verbrennen oder sogar quasi Pyrolyse ohne Sauerstoff machen. Und dann gewinnt man immer noch Energie raus und hat dann am Ende so eine Pflanzenkohle, die muss man dann aber auch irgendwie in Böden einarbeiten.
[00:56:46] Ulrike Niemeier: Die muss man gut einarbeiten. Wobei, das soll sogar relativ gut sein, eine sehr gute Speichermöglichkeit, wenn man die tief genug eingräbt, dass da das CO2 sehr gut drin verbleibt.
[00:56:57] Stephan: Zu der Speicherung, glauben Sie, wir machen uns das zu einfach in Deutschland, wenn wir schon sehr pauschal ausschließen, dass wir das machen wollen? Also, Norwegen zum Beispiel pumpt ja schon. Und das finden wir auch irgendwie gut, dass die das machen und bezahlen im Zweifel Geld für, das andere machen zu lassen, aber wir sagen: „Hier wollen wir das irgendwie nicht.”
[00:57:20] Ulrike Niemeier: Ich glaube, das ist hier in Deutschland eine sehr schwierige Diskussion. Das ist jetzt so meine Meinung dazu. Ich glaube, das ist auch viel. Es wird gerne gleichgesetzt mit der Einlagerung von Atommüll, wobei das natürlich schon was ganz anderes ist. Aber auf dieser Schiene wird gerne irgendwie argumentiert und gerne mit der klassischen deutschen Angst da gearbeitet, dass hier so sehr spontan die Menschen sagen: „Nein, auf keinen Fall!“ Und es haben ja auch viele Bundesländer irgendwo verabschiedet, dass sie sagen, sie machen das nicht. Ich glaube, das kommt jetzt ein bisschen ins Wanken, wenn ich das richtig beobachtet habe, weil man eben doch ein bisschen merkt, ja, vielleicht müssen wir da ran. Ja, aber es ist schon schwierig.
[00:58:00] Stephan: Ja, es ist ja auch ein Verantwortungsgedanke, den man da haben soll. Also entweder muss man sagen: „Wir wollen, dass das passiert. Dann sollten wir uns vielleicht auch fragen, ist das auch okay, wenn das bei uns passiert?“
[00:58:15] Ulrike Niemeier: Ja, zumal…
[00:58:15] Stephan: Oder wir sind da pauschal gegen.
[00:58:16] Ulrike Niemeier: Genau. Ich glaube auch nicht, dass das so… Natürlich wäre es unschön, wenn es freigesetzt wird und wenn es in großen Mengen in einem kleinen Raum freigesetzt wird, dann ist es natürlich schon sehr katastrophal. Und auch sonst darf es nicht freigesetzt werden, weil es ja sehr energieaufwendig ist, überhaupt das CO2 abzuscheiden, um es dann speichern zu können. Und wenn es wieder in die Luft freigesetzt wird, dann war das natürlich ein unnötiger Energieaufwand. Aber sonst sollte man natürlich schon darüber nachdenken.
Und dann müssen auch wir dazu bereit sein. Wir haben ja schließlich hier über viele Jahre viel CO2 emittiert. Insofern müsste man eigentlich zumindest dieses Äquivalent auch bereit sein, wieder aufzunehmen.
[00:58:56] Stephan: Man könnte auch das CO2 verflüssigen und tief in den Ozean pumpen.
[00:59:03] Ulrike Niemeier: Ja, aber der Ozean, da ist es ja auch nicht für immer drin.
[00:59:09] Stephan: Das sind ein paar hundert Jahre, wenn man es ein paar tausend Meter tief macht.
[00:59:11] Ulrike Niemeier: Das sind ein paar hundert, ich glaube, 2000 braucht es, 2000 Jahre ungefähr, bis die Zirkulation einmal rum ist. Und spätestens dann wäre es wieder da. Das ist ja eine Verlagerung in Generationen, die da womöglich ein Problem bekämen, was sie nicht mal mehr in ihrer Erinnerung hätten. Also das halte ich für nicht wirklich verantwortungsbewusst, das zu machen.
[00:59:32] Stephan: Und bei Ozeanen haben wir ja des Weiteren noch das Problem der Versauerung.
[00:59:35] Ulrike Niemeier: Der Versauerung, das kommt ja noch dazu.
[00:59:36] Stephan: Das haben wir auch, das haben wir vorhin glaube ich gar nicht erwähnt, dass es selbst wenn wir dann die Abkühlung durch Schwefeldioxid hätten, wir ja trotzdem noch das CO2 haben, das zu einem guten Teil im Ozean aufgenommen wird, wodurch Kohlensäure entsteht.
[00:59:50] Ulrike Niemeier: Das war für mich damals das spontane Gegenargument, als ich so sagte: Okay, wir haben den Klimawandel, wir emittieren so viel CO2 und jetzt machen wir so ganz ingenieursmäßig oben noch einen anderen Deckel drauf, um das eine Problem mit dem nächsten Ingenieurproblem zu lösen. Ja, ans CO2 gehen wir natürlich dann nicht ran, wenn wir Solar Radiation Management machen.
[01:00:10] Stephan: Thema Ozean. Es gibt Vorschläge, den Ozean zu düngen mit Eisen, damit der Phytoplankton wächst. Das kann theoretisch relativ viel CO2 aufnehmen, aber es gibt auch negative Effekte aufs Ökosystem?
[01:00:28] Ulrike Niemeier: Ja, es gab ja, inzwischen schon vor 20 Jahren, glaube ich, ein LOHAFEX-Experiment, wo die es mal getestet haben. Ich glaub, sehr vereinfacht gesagt, kam damals irgendwie heraus, dass gleichzeitig die Zahl der Krebse so stark zunahm, dass alles ganz schnell weggefressen war und der Effekt eben dadurch ganz gering war. Das kann man wahrscheinlich bisschen besser machen als bei so einem allerersten Experiment, aber ich glaube, insgesamt auch schwierig. Es gibt nur bestimmte Regionen, wo das gut machen könnte.
[01:00:56] Stephan: Ja, also die Idee ist ja, dass mehr Phytoplankton wächst, das bindet CO2, aber das wird dann auch teilweise wieder zersetzt und dafür braucht es Sauerstoff. Dann gibt es wieder Regionen, in denen zu wenig Sauerstoff im Ozean ist, das ist auch schlecht für den Ozean und ja, nur ein Teil davon fällt dann runter.
Ein Vorschlag, so eine Variante, die ich davon gehört habe, die man eigentlich ohne Düngung machen können müsste, da haben wir eben in der Folge über Ernährungssicherung drüber gesprochen, ist, wenn man den Ozean nicht düngt, man versucht nicht Phytoplanktons da mehr wachsen zu lassen, sondern schnell wachsende Algen. Und dann hätte man die quasi als Reserve, wenn wir mal eine Hungersnot haben, dann können wir die verwenden und wenn wir sie nicht brauchen, dann können wir sie ja abschneiden und dann fällt sie runter. Auch ein interessanter Vorschlag, muss man sich angucken, wie skalierbar der ist.
[01:01:46] Ulrike Niemeier: Ja, und er hat ja sicherlich auch Nebenwirkungen. Und Alkalinität zu verändern, haben wir hier im Haus auch schon simuliert, Kollegen, ich nicht.
[01:01:55] Stephan: Also da tut man was an dem Äquilibrium, das ich gerade angesprochen habe, nämlich das CO2 wird aufgenommen, wird in Kohlensäure umgewandelt.
[01:02:04] Ulrike Niemeier: Ja, und der Ozean kann eben dann mehr CO2 wieder aufnehmen.
[01:02:07] Stephan: Und wenn man dann was Alkalines macht in die andere Richtung, dann ist das wieder erhöht. Das mit der Alkalinität geht ja theoretisch auch auf Land, oder?
[01:02:18] Ulrike Niemeier: Ja, also enhanced weathering wäre da auch noch ein Stichwort, dass man eben Olivin zum Beispiel, was natürlich auch gut zur Verfügung steht, das versucht ganz fein zu zermahlen und beim Zersetzen würde das eben auch CO2 aufnehmen. Das Prinzip, was dann auch am Kölner Dom eintritt, wenn dann die Figuren nach und nach verschwinden.
[01:02:42] Stephan: Und immer dunkler werden.
[01:02:44] Ulrike Niemeier: Und immer dunkler werden, ja. Genau, also eben Verwitterung, Gesteinsverwitterung, das könnte man auch auf Land betreiben. Auch da natürlich im Kleinen einfach, im Großen sehr großer technischer Aufwand. Muss irgendwo abgebaut werden, muss transportiert werden, zermahlen, ausgefahren, hat einfach schon erstmal einen sehr großen Aufwand. Man muss eben immer diesen Kosten-Nutzen gegeneinander rechnen.
[01:03:08] Stephan: Ja, Logistik, Landnutzung, Energie kann man hier...
[01:03:12] Ulrike Niemeier: Und würde ja auch ausgewaschen werden, kommt dann, auch nämlich eventuell in die Flüsse und in den Ozean, welche Nebenwirkungen hat das? Im großen Stil? Klingt sonst eigentlich auch nach einer Methode, wo man sagt: Ja, ist relativ naturnah. Ist man ja eher bereit, da mehr darüber nachzudenken, als wenn es so ganz abenteuerliche Techniken zu sein scheinen.
[01:03:33] Stephan: Was vielleicht abenteuerlich scheint, aber auch eher einen Bruder mit Bäumen in der Natur hat, ist Direct Air Capture, also Anlagen, die CO2 aus der Luft binden können, bestimmte Substanzen, woran es bleibt, aber dann braucht man viel Luftstrom, braucht man viel Energie, dann muss man das CO2 wieder in Lösung machen und dann erhitzt man die und spaltet das ab. Aber es gibt zumindest Anlagen, mit denen wir das jetzt schon machen können. Auch da ist wieder der Preis die Frage und wahrscheinlich dort als größtes Contra die Energie, die Energiekosten, oder?
[01:04:15] Ulrike Niemeier: Ja, so denke ich auch. Es ist eben sehr energieaufwendig, das zu machen. Es wird ausprobiert, Orca-Anlage auf Island ist eine Teststation dafür, die wollen es jetzt auch erweitern, wie ich gelesen hatte. Es sind noch mehr solcher Projekte geplant, hatte ich irgendwie neulich mal irgendwo eine Auflistung. Aber natürlich ist es sehr aufwendig, Energieaufwand, auch da ist natürlich ein Speicherproblem. Island bietet sich an, weil es die Energie halt günstig zur Verfügung stellt. Auf der anderen Seite sind Materialien, die man dafür braucht, vor Ort nicht vorhanden, die müssen auch wieder hingebracht werden. Also es ist immer, entweder man hat die Energie oder man hat die übrigen Materialien, so eine ganz perfekte Lösung gibt es nicht. Ich weiß, Klaus Lackner — arbeitet jetzt an der Universität in Arizona — arbeitet seit vielen, vielen Jahren daran. Für den ist es auch so ein bisschen, dass man sagt: „Naja, man könnte auch einfach CO2-Tankstellen aufstellen, dass man es tatsächlich wieder verbrennt.“ Es wäre ja dann quasi neutrales CO2 und er sagt, ab einem bestimmten Preis für CO2 würde sich das tatsächlich lohnen. Da habe ich auch so ein bisschen Zweifel, aber gut.
[01:05:28] Stephan: Ich habe gelesen, es kostet derzeit, so wie die meisten dieser Vorschläge — mit viel Unsicherheit, weil es kommt sehr auf die Speicherung, auf die Logistik an —aber wir sind so ungefähr im Bereich von 100 Dollar pro Tonne, was ja derzeit über den Kosten für die Vermeidung in der Regel liegt. Also wir haben viele Bereiche, wo wir wahrscheinlich mehr Minderung erst mal machen würden, wenn der CO2-Preis schon bei 100 Dollar läge. Das heißt, solange das noch der Fall ist, ist es ein bisschen komisch, das dann an der Stelle zu machen.
[01:06:04] Ulrike Niemeier: Ja, aber es war eben der… ich glaube auch, dass er 120 Dollar sagte, oder dass es so einen Preis ungefähr bräuchte für das CO2, bevor sich das lohnen würde.
[01:06:14] Stephan: Ja, aber es ist natürlich eine interessante Herausforderung. Ich bin ein bisschen am Überlegen. Es ist ja so, dass ich eigentlich vor allem wenig Falsches damit erkennen kann, wenn wir das erstmal da machen, wo die CO2-Konzentration besonders hoch ist, nämlich Kohlekraftwerke nachzurüsten oder neue Kohlekraftwerke so zu bauen, dass sie genau das machen, dass wir das Kohlendioxid dort nicht in die Atmosphäre pumpen.
[01:06:43] Ulrike Niemeier: Sofern wir überhaupt sagen, wir wollen noch Kohlekraftwerke bauen, das ist eben das „Aber“.
[01:06:46] Stephan: Ja, das ist das „Aber“, nicht? Man hat wieder so ein leichtes moral hazard-Argument, nämlich dann können wir ja weiter die Kohlekraftwerke bauen.
[01:06:54] Ulrike Niemeier: Auch immer das stärkste Gegenargument gegen diese ganze Technik, weil dann Industrie und so weiter und so fort sich viel zu wenig Gedanken machen muss, wie sie vielleicht sich weiterentwickelt. Deswegen ist das schwierig und gleichzeitig muss man, da geht so viel Energie rein, dass eben, ich weiß nicht, wie viele Prozente es sind, die man zusätzlich jetzt tatsächlich Kohle mehr verbrennen muss, um die Energie rauszubekommen, die man bekäme, wenn man jetzt nicht das CO2CO2 auffängt. Also das finde ich tatsächlich sehr schwierig.
[01:07:24] Stephan: Ökonomisch ist es ja so, denke ich, dass die alten Kraftwerke relativ günstig zu betreiben sind. Und solange das der Fall ist, ist zumindest der egoistische Anreiz nicht so groß, die zurückzufahren. Das heißt, da könnte ich mir vorstellen, müssen wir überlegen, ob man da Anreize setzt oder Förderungen gibt, um die nachzurüsten. Aber ich sehe, ja, es ist dieses moral hazard-Argument, wo wir am Anfang waren. Und das ist am Ende teilweise auch eine soziale, politische Frage, in welche Richtung Menschen reagieren, was schwierig vorherzusagen ist.
[01:08:01] Ulrike Niemeier: Ja, ich glaube, man muss auch sehen, dass man die Anreize, die Industrie, die ganze Energiegewinnung zu verändern, die Anreize müssen da sein. Und da darf man eigentlich auch nicht Anreize liefern, genau in die andere Richtung zu gehen. Und die brauchen auch die Signale. Die müssen, das ist ja auch, was man so sagt, vielleicht auch jetzt bei Autos und Ähnlichem, entweder wir gehen jetzt in die Richtung, machen uns auf den Weg, dann soll es aber auch kein „Aber“ mehr geben und kein Zurück. Denn das bringt am Ende niemandem etwas.
[01:08:34] Stephan: Ja, am Ende wäre das, das wünschen sich aber auch nicht alle Parteien, selbst die, die vermeintlich liberal sind, wär das Kluge ja zumindest erstmal eine Einpreisung zu machen. Das heißt, wir müssen die Effekte fair bepreisen und das über einen CO2-Preis regeln. Und der wäre dann deutlich höher, als er heute ist.
[01:08:54] Ulrike Niemeier: Ja, aber da sind wir wieder bei dem „Aber des kleinen Mannes“, der dann sagt: „Ja, ich muss das aber ja auch bezahlen können, wie soll ich denn meine Wohnung heizen?“
[01:09:05] Stephan: Viele Effekte sind ja auch unabhängig. Also bei allem, wo wir verbrennen, haben wir auch dieses Luftverschmutzungs-Problem, was derzeit mehr Tode kostet.
[01:09:17] Ulrike Niemeier: Gut, aber es ist eben… So wird eben meistens nicht gerechnet und ja auch tatsächlich ganz einfach gedacht: „Ich will meine Wohnung heizen können.“ Dass es vielleicht viele Möglichkeiten gäbe, auch da Geld einzusparen und bewusst zu heizen, das ist aber eine Argumentation, die ja die Menschen nicht wollen. Ich habe das heute Morgen noch mit meinem Vater diskutiert, 87, wo ich irgendwas von Energie [sagte]… „Ach Energie…“ Ja, da guckte er dann groß, dass ich ihn doch etwas unfreundlich anfuhr, nach dem Motto: Ja, du darfst dir das vielleicht leisten, was ist mit deinen Enkeln?
[01:09:57] Stephan: Ja, du spürst den Effekt nicht. Und es ist schon oft so, also ich kann auch nur anraten, dass man sich zumindest Gedanken darüber macht und das mal durchrechnet, weil es oft gar keine schlechte Rendite gibt. Also selbst egoistisch, wenn man das als Investition betrachtet, sinnvoll sein kann. Oder man macht es aus altruistischen Motiven für die nächsten Generationen.
Was sind die Forschungsfragen in diesen Bereichen und die Unsicherheiten, die wir am meisten adressieren sollten? Welche nützliche Arbeit würden Sie gerne sehen in den nächsten Jahren?
[01:10:32] Ulrike Niemeier: Allgemein im Geoengineering-Bereich?
[01:10:35] Stephan: Allgemein im Geoengineering, gerne auch wieder zurück zum Strahlungsmanagement.
[01:10:39] Ulrike Niemeier: Also für mich persönlich ist ein ganz großer Forschungsbereich, dass wir besser verstehen und besser simulieren können, wie ist denn tatsächlich die Wirkung. Was ich vorhin auch schon sagte, dass wir eine große Unsicherheit haben, dass die Modelle eben sagen: „Okay, wir brauchen einen Pinatubo,“ und die anderen brauchen einen halben Pinatubo. Ich glaube, solange das so unsicher ist, ist es ganz schwierig, weil dann würde man in irgendwas reingehen, wo man nicht weiß, was die Antwort der Natur tatsächlich ist. Ich glaube, da ist ein großer Forschungsbereich, der eigentlich geklärt werden müsste, was aber schwierig ist, weil wir es nicht ausprobieren können. Wir haben nichts, wo wir die Modelle tatsächlich so gut daran validieren können und es auch dann enorm rechenaufwendig wird. Die vielen Prozesse, die notwendig sind, die oft nicht drin sind, in den Modellen alle mitzunehmen, das ist sehr teuer. Das ist auch für mich persönlich einfach etwas, wo ich denke, da müssen wir unbedingt ran, das müssen wir viel besser verstehen.
[01:11:47] Stephan: Frau Niemeier, vielen Dank für das Gespräch.