Dieser Beitrag wurde für den Wettbewerb Fast Forward Science 2024 (https://www.fastforwardscience.de/) eingereicht. Du kannst den Beitrag auf Apple Podcasts, Spotify und den üblichen Podcast-Plattformen bewerten und/oder kommentieren. #FFSci #AudioAward #BestesDebutAudio
Für diese Folge habe ich mit dem Virologen Jasper Götting über die Prävention künftiger Pandemien gesprochen. Wir haben uns insbesondere auf globale katastrophale biologische Risiken konzentriert, kurz GCBRs aus dem Englischen Global Catastrophic Biological Risks. Das sind solche Pandemien, die noch mindestens eine Größenordnung mehr Todesopfer als Covid-19 fordern könnten. Jasper konzentriert sich in seiner Arbeit für die amerikanische Metascience-Organisation Convergent Research insbesondere auf das Thema Luftdesinfektion durch Far UV-C-Strahlung, worauf wir in der zweiten Hälfte des Gesprächs zu sprechen kommen, nachdem wir in der ersten Hälfte darüber sprechen, wie gefährlich natürliche und menschengemachte Pandemien werden können, ob das Risiko durch Pandemien abnimmt oder steigt und welche anderen Technologien uns bei der Risikominimierung helfen könnten.
Ressourcen
- Beim Artikel Globale Katastrophalen Biologischen Risiken - Die Gefahren katastrophaler Pandemien und wie wir sie verhinder können auf effektiveraltruismus.de handelt es sich um eine leicht angepasste Übersetzung dieses Artikels von 80,000 Hours. Er geht um die Risiken von GCBRs und zeigt potentielle Karrierewege im Bereich Biosicherheit auf. Für jemanden, der in dem Bereich arbeiten möchte, dürfte die Zusammenstellung von Instituten (sowohl in Deutschland als auch im Rest von Europa und den USA) in der deutschen Version des Artikels hilfreich sein. Außerdem stehen dort die Kontaktdaten von Simon Grimm, der gerade (2022/2023) als Gastforscher in Kevin Esvelts Gruppe am MIT an Informatik-Aspekten des Nucleic Acid Observatory forscht, und Jasper Götting - beide haben sich netterweise bereit erklärt, von Personen, die an Biosicherheit und Pandemieprävention arbeiten wollen, kontaktiert zu werden.
- Im Text Far-UVC – die UV-Strahlung der Zukunft? wird insbesondere gut beschrieben, warum Far UV-C Strahlung für den Menschen sicherer ist als langwelligere UV-C-Strahlung. Die Graphen illustrieren gut die Punkte zur Wirksamkeit und zur relativen Absorption durch Proteine und durch DNA.
- Forscher von Rethink Priorities und 1DaySooner haben den detaillierten und gut recherchierten Report Air Safety to Combat Global Catastrophic Biorisks zusammengestellt, in dem sie die Risiken durch respiratorische Pandemien abschätzen, verschiedene Arten der Luftdesinfektion vergleichen, noch nötige Entwicklungen beschreiben und Fördermöglichkeiten für Pandemieprävention aufzeigen. Eine Zusammenfassung findet sich hier.
- In First clean water, now clean air gibt Fin Moorhouse etwas historischen Kontext zu Wasserdesinfektion und schlägt sie als Analogie zur Luftdesinfektion vor.
- Im Effective Altruism Forum finden sich viele Texte im Themenbereich Biosicherheit und Pandemieprävention.
Kapitelmarkierungen
[00:00:00] Intro
[00:01:08] Das Interview beginnt - Jaspers Hintergrund
[00:03:31] Pandemieprävention als wichtiges Thema, historische Pandemien
[00:09:10] Covid-19 - Was lief gut, was nicht?
[00:13:33] Risiken durch natürliche und menschengemachte Pandemien und der Ansatz von scope sensitive biosecurity
[00:34:45] Globale Katastrophale Biologische Risiken im Kontext des Prävention-Detektion-Reaktion-Frameworks, angefangen mit Prävention
[00:50:41] Detektion von Erregern mittels Metagenom-Sequenzierung
[01:05:23] Reaktionsmaßnahmen, insbesondere Luftdesinfektion durch (Far) UV-C
[01:22:31] Sicherheitsaspekte von Far UV-C
[01:33:17] Technische Aspekte von Far UV-C
[01:42:41] Die Arbeit der Metascience-Organisation Convergent Research (Jaspers Arbeitgeber), insbesondere die Arbeit der biosecurity branch
[01:46:40] Die Wichtigkeit Pathogen-agnostischer Maßnahmen
[01:48:00] Ratschläge und Konklusion
[01:52:09] Outro
Transkript
[00:00:00] Stephan: Für diese Folge habe ich mit dem Virologen Jasper Götting über die Prävention künftiger Pandemien gesprochen. Wir haben uns insbesondere auf globale katastrophale biologische Risiken konzentriert, kurz GCBRs, aus dem englischen Global Catastrophic Biological Risks. Das sind solche Pandemien, die noch mindestens eine Größenordnung mehr Todesopfer als Covid-19 fordern könnten.
Jasper konzentriert sich in seiner Arbeit für die amerikanische Metascience-Organisation Convergent Research insbesondere auf das Thema Luftdesinfektion durch Far UV-C-Strahlung, worauf wir in der zweiten Hälfte des Gesprächs zu sprechen kommen, nachdem wir in der ersten Hälfte darüber sprechen, wie gefährlich natürliche und menschengemachte Pandemien werden können, ob das Risiko durch Pandemien abnimmt oder steigt und welche anderen Technologien uns bei der Risikominimierung helfen könnten. Ein Transkript des Gesprächs mit weiterführenden Ressourcen ist in der Episodenbeschreibung verlinkt.
Viel Spaß beim Hören.
Hallo, Jasper! Wir reden heute über die Prävention globaler, katastrophaler biologischer Risiken. Magst du dich einmal vorstellen?
[00:01:08] Jasper: Hallo, Stephan! Ja, vielen, vielen Dank. Ich bin Jasper. Ich arbeite zurzeit bei Convergent Research im Biosicherheitsteam, wo wir verschiedene technische Biosicherheits-Interventionen evaluieren und mein aktueller Fokus ist auf Luftdesinfektion mit Far UV-C, also UV-C-Strahlung.
[00:01:29] Stephan: Du hast erst Biologie und Biomedizin studiert und dann Virologie gemacht. Magst du damit anfangen zu erklären, warum du in dem Feld arbeitest, in dem du arbeitest?
[00:01:40] Jasper: Sehr gerne. Meine initiale Motivation für Biologie war reines Interesse. Ich habe mir keine großen Gedanken darüber gemacht, was ich später werden wollte. Ich glaube, ich hatte immer so das Ideal von von einem Zoologen, der irgendwie im Dschungel sitzt und habe auch während meines Studiums an Mausmaki-Feldexperimenten in Madagaskar mitgearbeitet weil ich dachte, das wäre irgendwie total cool, aber habe dann gemerkt, dass mir das nicht so gelegen hat und bin dann mehr in Richtung Biomedizin/Molekularbiologie, mit meinen Master gegangen und während des Masters bin ich dann in Kontakt mit EA gekommen, habe mir im Zuge dessen viele Gedanken darüber gemacht: Was möchte ich eigentlich erreichen mit meinem Leben, mit meiner Karriere, mit meinen 80000 Stunden? Und dadurch, dass ich eben schon relativ viel Biologie-Background hatte und fast mit dem Master fertig war, habe ich mich dann auch dazu entschlossen, die Biosicherheit als vielversprechendstes cause area für mich, in dem ich arbeiten möchte. Und zu dem Zeitpunkt gab es noch wenig konkrete Dinge, an denen man als Biologe arbeiten konnte. Das war so 2016-17 und die besten Ratschläge, die ich bekommen habe war: „Ja, dann mach doch 'nen PhD in einem relevanten technischen Feld.“ Und hab dann daraufhin meinen PhD in Virologie gemacht mit dem Fokus auf Viren im Transplant-Setting und Evolution, Sequenzierung, Detektion von viralen Erkrankungen.
[00:03:10] Stephan: Kleiner Hintergrund vielleicht: EA steht für Effektiver Altruismus, also grob die Denkschule, die sich damit beschäftigt, wie man mit seinen Ressourcen - Geld, Zeit, was auch immer - möglichst viel Gutes tun kann und die 80000 Stunden beziehen sich auf die Zeit, die man, so grob mit seiner Karriere verbringt, die man arbeitet über seine 40, 50 Jahre.
Also du hast Virologie eingeschlagen. Warum gerade Virologie? Warum ist Pandemieprävention überhaupt ein wichtiges Thema?
[00:03:38] Jasper: Einfach aus dem Grund, dass Pandemien im bisherigen Verlauf der Menschheit für sehr, sehr viele Tode verantwortlich sind. Pandemien sind eine der großen Krisen, mit denen die Menschheit im Laufe ihrer Evolution immer konfrontiert waren. Und es gibt viele Gründe, warum wir glauben, dass das Risiko für Pandemien in der Zukunft möglicherweise steigt. Nicht unbedingt das Pandemie-Risiko durch natürliche Zoonosen.
Auch hierfür gibt es natürlich Argumente: Der Mensch dringt immer weiter in die natürlichen Lebensräume von vielen Tierarten vor, die dann wiederum Viren tragen, die auf den Menschen überspringen. Aber gleichzeitig haben wir auch bessere medizinische Technologien, besseren Umgang, bessere Hygiene.
[00:04:19] Stephan: Genau. Das ist schwierig zu sagen, was der Netto-Effekt ist, oder?
[00:04:22] Jasper: Ja.
[00:04:22] Stephan: Wir sind vernetzter. Wie du sagst, wir dringen in Bereiche vor, in Lebensräume, wo Tiere leben, die vorher keinen Kontakt mit Menschen hatten und so weiter.
Aber natürlich haben wir bessere, bessere Hygiene, bessere Behandlungsmöglichkeiten.
[00:04:35] Jasper: Genau. Ich glaube, der Netto-Effekt ist, dass wir insgesamt weniger, ja, definitiv deutlich weniger Tote haben, wenn man die vergangenen Pandemien, anguckt. Von der Pest, vom vom schwarzen Tod im 14. Jahrhundert, wo unvorstellbar hohe Opferzahlen noch zu verzeichnen waren. Der Columbian Exchange, der zum Teil zum Komplett-Zusammenbruch der südamerikanischen Bevölkerung durch sowas wie Pocken geführt hat und jetzt zuletzt Covid-19, was verheerend war, aber nicht in dem Bereich, wo man, riesige Opferzahlen erwartet hat. Das lag natürlich zum Teil auch am am Virus selbst. Das war jetzt kein extrem gefährliches, kein extrem tödliches Virus, aber auch daran, dass wir einfach gute medizinische Versorgung haben. Insofern vermute ich, dass der Netto-Effekt dahingehend sein wird, dass wir vielleicht häufiger Spillover haben werden, aber dass jeder Spillover mit geringerer Wahrscheinlichkeit große Opferzahlen zufolge hat – außer, und das ist eben der der zweite Punkt, außer wenn man dann von möglicherweise böswillig modifizierten Pathogenen ausgeht und Pandemien aus synthetisierten Pathogenen.
[00:05:37] Stephan: Die sind wahrscheinlich das größere Risiko. Also zum Einen vielleicht: Natürlich sind's viele Tote bei Covid-19, aber wenn wir sagen, das ist vergleichsweise mild, dann soll es heißen, es hat vielleicht eine Letalität von, was, einem Prozent oder so?
[00:05:53] Jasper: Weniger, ja.
[00:05:55] Stephan: Weniger noch, ja, und mit Impfstoffen sind wir sogar noch mal um das 20-fache niedriger.
Und wenn wir es uns historisch angucken, dann war die schlimmste Pandemie die Pest im 14. Jahrhundert. Da starben in Europa zwischen 30 und 50 Prozent?
[00:06:10] Jasper: Ja ich glaube so ein Viertel bis ein Drittel ist die Zahl, der üblicherweise genommen wird. Ganz genau kann man's natürlich nicht sagen.
[00:06:15] Stephan: Genau, vielleicht irgendwie 10 Prozent der Weltbevölkerung. Wenn wir uns historische Pandemien angucken, sind Viren häufiger als Bakterien, aber die schlimmste kommt von 'nem Bakterium.
[00:06:27] Jasper: Das stimmt. Ich glaube der Hauptgrund warum die Pest als bakterielle Pandemie sehr gut funktioniert hat, war, dass die Hygiene einfach viel, viel schlechter war, sich die bakteriellen Erkrankungen durch mangelnde Hygiene einfach extrem gut verbreiten konnten.
Insgesamt gibt es weniger Pandemien durch Bakterien als durch Viren, und gerade jetzt seit der Neuzeit ist eigentlich das größte Risiko von Viren auszugehen, die eben sich viel leichter verbreiten. Bakterielle Erkrankungen sind natürlich immer noch im Gespräch, vor allem durch antimikrobielle Resistenz, die auch im Kommen ist durch den Übergebrauch von Antibiotika in sowohl Massentierhaltung als auch in der normalen Medizin. Aber auch hier ist nicht zu erwarten, dass antimikrobielle Resistenzen zu extrem hohen, katastrophalen Toten führen werden, weil es eben immer noch Möglichkeiten gibt, mit bakteriellen Erkrankungen fertig zu werden, was deutlich schwieriger ist bei Viren, die eben komplett deine zelluläre und Maschinerie nutzen und es da schwieriger ist, mit Wirkstoffen gegen vorzugehen.
[00:07:30] Stephan: Wenn du ein resistentes Bakterium hast, was machst du dann?
[00:07:34] Jasper: Idealerweise gibt es noch eine Reihe von Last-Line-Antibiotika, die gar nicht verwendet werden und idealerweise wird auch wieder Forschung an Antibiotika getrieben. Das wurde über die letzten Jahrzehnte sehr vernachlässigt, weil kein Geld einfach da war für die Pharmaunternehmen. Das ist jetzt wieder mehr im Kommen.
Es gibt jetzt wieder einen größeren Push dafür, weil man erkannt hat, okay, es ist ein Problem. Man sieht es jetzt langsam in den Krankenhäusern ankommen. Dementsprechend wird auch wieder angefangen in dem Bereich zu investieren. Es gibt Start-Ups, die in dem Bereich arbeiten, aber grundsätzlich auch sowas wie Phagentherapie, was immer mal wieder im Gespräch war.
Gerade im Bereich von osteuropäischen Ländern, die in dem in der Phagentherapie oft nicht sehr gut getestete, aber potenziell sehr gute Resultate erzielt haben. Das muss natürlich alles noch irgendwie gut untersucht werden, aber man hat einfach mehr in der Pipeline, was dagegen helfen kann.
[00:08:27] Stephan: Also insgesamt können wir festhalten: Historisch gab's schon immer wieder Pandemien und Epidemien auch durch Bakterien - Cholera ...
[00:08:37] Jasper: ... zum Beispiel ...
[00:08:38] Stephan: ... - auch häufig durch die Jahrhunderte hinweg, aber weil Bakterien sich generell nicht so leicht wie Viren auch einfach über die Luft übertragen, ist es unwahrscheinlicher, dass wir die gleiche Skala kommen.
Dass wir wirklich eine ganz globale Pandemie hätten durch ein Bakterium, wo potenziell jeder infiziert werden könnte, wenn er seinem normalen Leben nachging. Auch bei der Pest war es ja so, dass die sich über Kontakt mit der Haut und der Flüssigkeit aus den Pusteln und so übertragen hat.
OK, prima.
Dann lass über die letzte Pandemie nochmal reden : Bei Covid-19 sind insgesamt ungefähr 20 Millionen Menschen gestorben, wenn man nach Übersterblichkeitsdaten geht. Wenn man nur die Fälle zählt, die die WHO veröffentlicht, dann sind wir bei 6, 7 [Millionen], glaube ich. Wenn du zurück schaust auf die Pandemie: Was lief gut, was lief weniger gut und bist du danach optimistischer oder weniger optimistisch was die Prävention künftiger Pandemien angeht?
[00:09:40] Jasper: Das ist eine gute Frage. Ich glaube, unterm Strich bin ich ... es ist schwer zu sagen, ob ich, ob ich jetzt optimistischer oder pessimistischer bin. Ich glaube, insgesamt bin ich pessimistischer, was alle nicht-technologischen Interventionen angeht und bin optimistischer, was solche Plattformtechnologien wie beispielsweise mRNA-Impfstoffe angeht, weil: Ganz klar kann man sagen was gut, lief war unsere biotechnologische Antwort darauf. Wir hatten zufälligerweise glücklicherweise gerade die mRNA-Impfstoffe an einem Punkt ihrer Entwicklung, wo sie sehr schnell entwickelt und sehr schnell verabreicht werden konnten und das hat Millionen von Menschen gerettet. Was natürlich nicht gut lief, waren sämtliche, ich sage mal, bürokratischen, organisatorischen Dinge darum herum, die Reaktion von vielen Ländern auf die Pandemie, aber auch das klassische, schon fast zu Tode diskutierte Thema von Misinformationen und öffentlicher Kommunikation über was funktioniert, was funktioniert nicht, wie macht man der Bevölkerung klar, was jetzt am besten zu tun ist? Und, ja, da bin ich vielleicht als eher technisch orientierte Person nicht der beste Ansprechpartner, um da vielleicht ein großes Fazit zu ziehen und große Lektionen für die Zukunft zu ziehen.
Aber ich glaube, das ist ziemlich offensichtlich, dass der technologische Aspekt deutlich besser funktioniert als der, als der soziologische Aspekt.
[00:10:56] Stephan: Was auch verdeutlicht: Ich rede zwar heute einem Virologen, aber Pandemieprävention ist ein breites Feld. Also wir brauchen Politikwissenschaftler. Viele Fragen sind auch ökonomisch, viele sind regulatorisch. Bei den Impfstoffen war es so, dass wir die im Grunde nach wenigen Tagen hatten.
[00:11:14] Jasper: Im Prinzip schon, ja.
[00:11:16] Stephan: Natürlich hätte das so oder so noch gedauert die zu skalieren und da genug von zu haben, aber es hätte kein Jahr lang brauchen müssen.
[00:11:22] Jasper: Ne, richtig.
[00:11:23] Stephan: Da ist es leider so, das fängt schon bei den Studien an: Man könnte auch Human Challenge Trials machen, wo man direkt an Freiwilligen testet die den Impfstoff genommen haben und dann dem Pathogen ausgesetzt sind.
Man kann viel mehr parallelisieren und muss es nicht nacheinander machen. Man könnte auch, das ist wieder was ökonomisches, bevor die Studien abgeschlossenen sind, Abnahmeverträge machen. Die EU hat sich relativ lang mit AstraZeneca und BioNTech und so weiter gestritten und da hätten wir vielleicht einfach sagen können: Der Schaden ist so viel höher, Größenordnungen höher, als der Nutzen, wenn wir jetzt ein paar Dosen zuviel oder paar Impfstoffe zu viel und auch die, die vielleicht nicht am Ende zugelassen werden, kaufen, dann wär es auch kein Problem gewesen.
[00:12:07] Jasper: Ja, absolut. Aber viele unserer Systeme und unsere Bürokratie ist eben darauf optimiert und funktioniert sehr gut im Status quo und eckt eben an, wenn plötzlich Notfallsituationen sind, in den sehr schnell viel entschieden werden muss, was ein emergentes Phänomen ist. Da kann man jetzt niemanden direkt beschuldigen. Das ist irgendwie dem System inhärent, aber natürlich möchte man Systeme und Bürokratien vielleicht auch so designen und gestalten, dass, man immer so contingency plans hat, was man tatsächlich irgendwie schnell tut, wenn Szenario X eintritt. Dann vielleicht für die nächste Pandemie.
[00:12:44] Stephan: Ja, hoffentlich beherzigt man das dann und versucht da sicherlich auch schon vieles, aber es ist auch schwierig. Die ökonomischen Aspekte finde ich interessant, ich find auch das Ethische interessant, weil wir Leuten viel erlauben, sich selbst zu schaden in allerlei Hinsicht, aber man dürfte zum Beispiel nie einen nicht zugelassenen Impfstoff nehmen.
[00:13:03] Jasper: Ja, richtig.
[00:13:04] Stephan: Und ich glaube, was auch schwierig sein kann, ist, wenn es sehr emotionalisiert ist. Das ist bei manchen Aspekten auch in Governance passiert. Natürlich bei den Impfstoffen, aber nicht in der Breite, würde ich sagen, aber vielleicht, wenn wir uns auch im Nachhinein am meisten an den Schulschließungen gefühlt aufhalten.
Wichtiges Thema aber vielleicht, wenn es darum geht:, was hat insgesamt den größten Effekt gemacht, welcher Fehler war vielleicht am schlimmsten, dann dominieren wahrscheinlich die Effekte auf die Impfstoffzulassung.
[00:13:31] Jasper: Sehr gut möglich.
[00:13:33] Stephan: Dann lass uns weitermachen mit dem generellen Risiko von Pandemien in der Zukunft. Vielleicht fängst du damit an, indem du natürliche Pandemien diskutierst versus designte, engineerte Pathogene.
[00:13:49] Jasper: Ja, sehr gerne. Vielleicht als kurzes Vorthema, Vordefinition im Kontext von Biosicherheit, worüber wir jetzt hier in dem Podcast reden, versus worüber an vielen anderen Stellen über Biosicherheit geredet wird, ist, das im Kontext vom Effektiven Altruismus oft ein bestimmter flavour von Biosicherheit diskutiert wird, den wir manchmal scope sensitive biosecurity nennen, der sich ein bisschen von dem unterscheidet, was traditionell in dem durchaus großen akademischen Feld von Biosicherheit ist, was es auch schon lange gibt, diskutiert wird.
Weil manchmal hört man, okay, man, redet über Biosicherheit im Kontext von EA und dann kommt manchmal das Gegenargument, so, ja, aber Biosicherheit ist bereits ein großes Feld. Da reden sehr viele Leute schon drüber. Da gibt's viele, viele Akademiker:innen, die daran schon forschen. Es gibt viele, viele Organisationen, die das schon machen.
Warum gilt das als vernachlässigt? Und ein Grund ist eben das scope sensitive biosecurity unter anderem einen stärkeren Fokus auf engineered, also auf synthetisierte Pathogene hat und möglicherweise böswillige ausgelöste Pandemien und der Grund dafür ist eben, dass man bereits in der Vergangenheit gesehen hat - wir haben eben ein bisschen die Geschichte von Pandemien diskutiert: Es gab viele Pandemien. Die haben sehr viele Todesopfer gefordert, aber bisher keine Pandemie, wo wir gesagt hätten, okay, das ist potenziell ein existenzielles Risiko. Und diese global catastrophic biological risks, diese GCBRs, von den existenzielle Risiken ein Subset sind, die erwarten wir eigentlich nur von Erregern von Pathogenen, die darauf optimiert sind, möglichst viele Menschen in unserer modernen Welt mit einigen Features und Perks zu infizieren.
Und das ist sehr wahrscheinlich durch natürliche Pathogene nicht möglich, daher der Fokus.
[00:15:42] Stephan: Die Ratio dahinter ist, glaube ich, ein bisschen, dass wie auch wahrscheinlich auch bei anderem Terrorismus der Fall, solche Verteilungen recht entlastig sind. Also auch bei den Pandemien ist es ja so: Wir haben viele kleine mit nicht wahnsinnig vielen Todesfällen, aber trotzdem erwarten wir, dass die meisten Todesfälle durch große Pandemien zustande kommen. Die nehmen quasi nicht so schnell in ihrer Frequenz ab wie das Ausmaß zunimmt. Und bei GCBRs reden wir jetzt von globalen katastrophalen biologischen Risiken.
Häufige Definition ist, glaube ich, vom NTI, dass es 100 Millionen+ Tote sind.
[00:16:24] Jasper: Ja, ungefähr 100 Millionen+ oder 10 Prozent der Weltbevölkerung circa.
[00:16:28] Stephan: Und bei existenziellen Risiken reden wir dann natürlich davon: Was kann entweder sofort zum Aussterben der Menschheit führen und damit auch das Potenzial der Menschheit gewaltig verringern oder was führt dazu, dass die Zivilisation so zusammenbricht, dass wir nie zu einem Punkt kommen, nie das Potential, was wir haben, ausnutzen.
Warum ist es so, dass natürliche Erreger ihren Wirt nicht, nicht die ganze Population der Wirte auslöschen?
[00:16:59] Jasper: Tatsächlich vielleicht als caveat. Es gibt einen einzigen beschriebenen Fall, wo ein Virus ihre Wirtsspezies komplett ausgerottet hat. Es war, meine ich, eine Rattenpopulation auf der Christmas Island, auf einer Insel vor Australien, was aber natürlich ein sehr, sehr isolierter Fall ist der, der nicht wirklich auf auf die meisten säugetier spezies oder schon schon gar nicht auf die Menschheit übertragbar ist. Grundsätzlich gibt es sehr wahrscheinlich – immer mit caveat, man man weiß vieles noch nicht über Evolution von Viren – aber es gibt ein Trade-off zwischen wie tödlich ist das Virus versus wie schnell verbreitet es sich. Je tödlicher, desto wahrscheinlicher, dass der, dass der Host das nicht schafft, das Virus weiterzugeben und man hat oder man nimmt an, dass es bei vielen Pandemien so ist, die endemisch werden so wie jetzt auch Covid auch, dass es auf lange Sicht zu einem Virus wird, der sich sehr leicht verbreitet, aber wenig Symptome hat, was eben dazu führt, dass der Wirt mobil ist, sich nicht groß eingeschränkt fühlt, aber das Virus weitergeben kann.
So was wie die Erkältung, was auch einige Coronaviren sind, die vermutlich irgendwann mal genauso angefangen haben wie Covid-19.
[00:18:07] Stephan: Im Grunde ist das Trade-off für das Virus ja, dass wenn es zu schnell und zu viele Wirte umbringt, es sich nicht mehr weiter vermehren kann und es deswegen unattraktiv ist. Obwohl da jetzt kein Virus drüber nachdenkt, in welche Richtung es sich entwickeln soll, passiert das automatisch.
[00:18:23] Jasper: Wahrscheinlich. Im Zuge von Covid-19 gab es auch bisschen Diskussion, inwiefern dieser virulence-transmissibility-tradeoff oder optimal virulence hypothesis wie es manchmal genannt wurde, inwiefern das tatsächlich zustimmt, weil Evolution ist kompliziert. Da gibt es immer irgendwelche Sonderfälle, in den es nicht genauso von statten geht.
Weil letztendlich ist es eben abhängig davon: Wie mobil ist der Wirt und wie gut verteilt der Wirt das Virus und das korreliert nicht immer perfekt damit wie tödlich oder wie, wie virulent das Virus tatsächlich ist, aber im weitesten Sinne schon.
[00:19:00] Stephan: Es kann ich perfekt stimmen, weil wir Varianten kennen, die beides sind: sowohl einfacher zu übertragen als auch tödlicher. Und dann bei Covid hat man natürlich noch die Komplikationen, dass wir dann für unterschiedliche Subpopulationen hatten - mit voriger Immunität, mit Immunität durch Impfstoffen und so weiter und so fort. Weil generell führen evolutionäre Trade-offs dazu, dass natürliche Pandemien sehr wahrscheinlich nicht ganze Spezies ausrotten. Vielleicht war's bei den Ratten so. Das war vielleicht eher klein, es war ja lokal sehr begrenzt. Auch bei menschlichen Subpopulationen , hat man ja schon dann teilweise wahrscheinlich vor allem durch Europäer nach Amerika eingeschleppte Viren auch da wahnsinnig hohe Letalitäten.
[00:19:44] Jasper: Absolut, absolut. Für die indigene Bevölkerung war es definitiv ein GCBR, wenn nicht sogar eine existenzielle Pandemie, weil da war es eben so, da war keinerlei Epidemie. Das waren sehr enge, sehr enge Netzwerke, durch die dann die Pockenviren - zum Großteil Pocken - einfach sehr schnell durch durchbrennen konnten, aber, genau, auf die gesamte Menschheit gesehen, mit der doch nicht unerheblichen Diversität unseres Immunsystems und der Verteilung und jetzt eben heutzutage auch unserer ganzen Technologie ist das eben nicht mehr wirklich vorstellbar.
[00:20:14] Stephan: Warum ist das bei künstlich designten Erregern anders?
[00:20:20] Jasper: Bei künstlich designten Erregern ist das potenziell anders. Vielleicht als als caveat: Wir hatten noch keine künstlich designte Pandemie. Aber das ist es eben potenziell anders, weil wir mit genug Wissen diese evolutionären Tradeoffs eben überwinden können und wir sehr spezifisch ein Virus in der Zukunft so desginen könnten, dass es einen bestimmten Krankheitsverlauf hervorruft, der eben nicht constrained dadurch ist, was evolutionär aus natürlichen Viren, die durch ihre natürlich Übertragungen constrained sind, hervorgehen könnte.
[00:20:56] Stephan: Im Labor können wir also im Grunde, wenn es darauf anlegen, sagen: Wir erkunden diese Fitness-Landschaft des Virus, auf der eben die Übertragbarkeit eine Komponente ist, die Letalität eine Komponente ist, die Inkubationszeit ja auch noch eine Rolle spielt. Die können wir, wenn wir es darauf anlegen, besser erkunden und können da größere Sprünge machen als ein natürlicher Erreger das je machen würde.
[00:21:21] Jasper: Genau, vielleicht als Anmerkung: Noch können wir das nicht. Wir verstehen natürlich schon einiges über Virologie und virale Genomik, aber noch nicht so viel, dass wir das jetzt heute schon so designen könnten. Sehr wahrscheinlich zumindest nicht, aber der ständig zunehmende Fortschritt in Biotechnologie, das beständig zunehmende Wissen, die große Anzahl von Virologen, Biotechnologen, die wir, die wir ausbilden, führt eben dazu, dass das Risiko in der Zukunft eher steigt und nicht sinkt und das ist die Hauptmotivation, warum wir uns eben mit designten Pandemien beschäftigen und nicht primär mit natürlichen.
[00:22:01] Stephan: Bei Tiermodellen haben wir schon Erreger viel gefährlicher machen können, mal aus Versehen, glaube ich, bei den Mäusepocken und bei den Pferdepocken war es nur als proof of concept, dass man die synthetisieren kann. Vielleicht kannst du darüber reden wie, also keine Anleitung, aber warum ist die Synthese von Erregern eine Gefahr?
[00:22:27] Jasper: Ich meine die Synthese von Erregern ist nicht per se eine Gefahr. Ich glaube, es ist halt dann eine Gefahr, wenn man irgendwie entweder bestehende Erreger modifiziert oder halt ausgestorbene Erreger wie Pocken wiederbeleben will.
[00:22:39] Stephan: Was ist die Rolle von DNA-Synthese in engineerten Pandemien? Die Bedeutung davon nimmt zu: Wir können immer längere Stränge von DNA synthetisieren. Wir können teilweise bestellen, teilweise gibt es Maschinen, die man im Labor haben kann, die das machen können, und gleichzeitig gibt es manche Informationen, wie ein Genom von den Pocken oder was auch immer, die ziemlich breit verfügbar sind.
[00:23:02] Jasper: Genau, das ist eben schlicht eine Gefahr daher, dass man irgendwann, zum Teil jetzt schon in der Lage ist, die Genome von Viren beliebig zu modifizieren. Das geht relativ leicht am Computer, wenn man wenn man halt weiß, was man genau machen möchte, beispielsweise ein Gen in ein Virus einsetzen, was dazu führt, dass es einen Impfschutz umgehen kann.
Das wurde 2004 demonstriert bei Mäusepocken, was anfing quasi die Diskussion auch ein bisschen loszutreten ist, dass da über Gefahren von synthetischer Biologie und Biosicherheit diskutiert wurde. Aber es erlaubt einem eben auch nur auf Basis der Genominformationen Viren, die eigentlich schon komplett ausgestorben sind, wie zum Beispiel das Pockenvirus, was, soweit ich weiß, nur noch in zwei Laboren in den USA und in Russland eingelagert ist, dass man die einfach bestellt und wieder zusammensetzt, das wurde schon einmal demonstriert an Pferdepocken.
Und hat auch wieder eine große Debatte losgelöst, aber im Prinzip hat es einfach gezeigt: Okay, wir sind jetzt an dem Punkt mit DNA-Synthese, dass wir nur auf Basis von dem genetischen Code, von der Sequenz des Virus in einigen Fällen in der Lage sind, wieder ein komplettes infektiöses Virus zusammenzusetzen.
Was, wenn man bedenkt, wie tödlich Pocken waren und was für ein großer Aufwand das war, die Pocken auszurotten, ja, eine sehr, eine sehr gefährliche Zukunft wäre.
[00:24:30] Stephan: Heute haben wir dann zwar die Impfstoffe, aber sobald man dann eine Idee davon hat, wo müsste ich was verändern, damit es noch schädlicher wäre, damit die Impfstoffe nicht helfen, umso gefährlicher wird es als globales, katastrophales biologisches Risiko.
[00:24:43] Jasper: Genau da muss man gar nicht erst zu den Pocken schauen, allgemein das Wissen darüber wie, wie bestimmte genetische Veränderungen in Viren dazu führen, dass sie eben infektiöser, dass sie tödlicher werden und so weiter, dass dieses Wissen zum Teilen in Studien erforscht wird. Es wird frei im Internet publiziert und irgendwann erreichen wir eben den Punkt, dass man mit den DNA-Synthese- und den Biotechnologie-Fähigkeiten und capabilities, die man hat, sich das einfach im Internet anliest und man braucht keine zehn Jahre Professur mit, mit Laborerfahrung dann irgendwann, sondern entsprechende Kids, vielleicht irgendein cloud lab, was das für dich zusammensetzt, wenn man nur die guten Instruktionen schickt.
[00:25:23] Stephan: Wir kommen gleich dazu, was man bei DNA-Synthese tun könnte, aber erst mal vielleicht: Wer hätte überhaupt ein Interesse daran?
[00:25:30] Jasper: Insgesamt Menschen, die irgendwelche omnizidalen Tendenzen haben, sei es jetzt Leute, die psychologische Probleme haben, die vielleicht einfach merkwürdige religiöse Ansichten haben. Ein Beispiel, was gerne genannt wird, ist Aleph, damals Aum Shinrikyo, eine Sekte aus Japan, die versucht hat, Botulinumtoxin, meine ich, zu verwenden, um auch viele Leute zu töten.
Haben dann letztendlich Sarin-Gas in der Tokioter U-Bahn verteilt. Waren nicht erfolgreich mit ihrem Biotech-Ansatz. Aber die hatten eben auch ein, ich meine, einen Virologen sogar oder ein Mikrobiologen an Bord der, der das mitverantwortet hat.
[00:26:11] Stephan: Die waren omnizidal wirklich, das war so ein tatsächlicher Todeskult.
[00:26:16] Jasper: Ich habe jetzt neulich auf Twitter gelesen, dass sie eigentlich gar nicht properly omnizidal waren, weil sie selbst überleben wollten und dann selbst eben als chosen people in der genau in der in der entvölkerten Erde irgendwie ihr Königreich wieder aufbauen. Also ich weiß nicht, ob das unter der unter der strengen „Kult“-Definition von omnizidal tatsächlich fällt, aber for all intents and purposes, funktional waren sie glaube ich schon omnizidal.
[00:26:40] Stephan: Vor allem wenn du die Menschheit oder alle anderen bis auf eine kleine Gruppe ausrotten wolltest, dann wäre es wahrscheinlich sogar auch für dich zum Einen schwierig, eine Zivilisation zu errichten, und zum Anderen, vielleicht triffst du dich auch ziemlich leicht selber dadurch.
[00:26:52] Jasper: Genau das ist ja der Nachteil an Biowaffen, dass sie in der Regel keine Freund-Feind-Erkennung haben.
[00:26:58] Stephan: Bei Staaten wissen wir auch, dass manche Biowaffen-Programme hatten. Die wurden ja bisher noch nicht wirklich eingesetzt. Chemische Waffen wurden viel eingesetzt im Ersten Weltkrieg und dann in Syrien wieder, aber Biowaffen eigentlich nicht, oder?
Aber es wurde daran geforscht.
[00:27:16] Jasper: Genau, definitiv, gibt es auch viele gute, gute Bücher zu.
Ich glaube prominent sind vor allem dann die Beispiele, wo es in den Biowaffen-Einrichtungen oder in den Biowaffen-Laboren dann zu Unfällen kam, was dann wiederum zu Toten in der umliegenden Bevölkerung geführt hat, wie beispielsweise in in Russland, wo ein Luftfilter nicht richtig eingesetzt war und dann geplatzt ist und große Mengen von Anthrax eben durch den Wind aus der Anlage auf die umliegenden Dörfer verteilt wurden. Ja, was natürlich nicht intendiert war.
[00:27:50] Stephan: Bei den künstlichen Pandemien könnten wir also im Grunde auch noch differenzieren zwischen den versehentlich freigelassenen und den absichtlich freigelassenen? Und wenn du das Virus vorher schon so designt hast, dass es maximal schädlich ist, dann ist das Versehentliche genauso schlimm.
[00:28:06] Jasper: Ja, genau, genau, die, die zwei mal zwei Matrix von versehentlich und gewillt versus natürlich und designt, engineert ist:
Das meiste Risiko in dieser Matrix ist schon auf böswillig und designt, weil nur diese beiden diese beiden Aspekte vereinen eben dieses tatsächliche Ziel, möglichst viel Schaden anzurichten und die Fähigkeit, das Virus oder das Pathogen so zu verändern, dass es dieses Ziel auch erreicht, weil in der Regel erwartet man nicht, dass jemand, der irgendwelche Forschungen an einem Pathogen macht und es dann versehentlich frei lässt, dass diese Forschung dann auch darauf optimiert war, möglichst viele Todesopfer zu fordern.
[00:28:49] Stephan: Könnte höchstens Borderline-Fälle geben, nicht? Wenn ein Staat, sagen wir mal zur Abschreckung, als Doomsday device, was maximal schädliches machen will und das dann versehentlich ...
[00:29:00] Jasper: Potenziell, ich, ich hoffe, kein Staat macht das tatsächlich.
[00:29:03] Stephan: Wir reden hier teils über Laborunfälle, das kann so ein bisschen schwer fassbar sein für manche Leute, aber ich glaube, es ist wichtig zu sagen: Es gab immer wieder Fälle, wo wir nah dran waren, wo aus Versehen Anthrax dann freigelassen wird, wo sich im Labor teilweise noch Leute infiziert hatten, die letzte Pockentote oder auch wahrscheinlich die Russische Grippe, oder? Wahrscheinlich der schlimmste Laborunfall.
[00:29:28] Jasper: Möglicherweise, genau, das ist natürlich nicht ganz final geklärt. Hinweise deuten darauf, dass die in den 1970ern dass die in den 1970ern aufgetretenen Grippefälle ein eingefrorener Labor-Strain war, weil der keine, keinerlei evolutionären Zwischenstufen aufgezeigt hat, die man normalerweise erwartet hätte in den Jahrzehnten dazwischen, aber ein letztes Beispiel war beispielsweise SARS, SARS-1, welches häufiger in Laboren zu Ansteckungen geführt hat als quasi die Primär-Ansteckungen von der freien Wildbahn auf Menschen. Da gab es mal nicht zwei – zwei oder drei – Spillover-Events von Civets, ich glaube, auf Menschen, aber insgesamt, ich glaube sechs oder sieben unabhängige Ansteckungen von Forscher:innen in Laboren, die mit SARS gearbeitet haben.
[00:30:21] Stephan: Es gibt Biosicherheitslabore von Stufen eins bis vier. Und das ist dann bei BSL-3 oder -4. Aber wo Menschen involviert sind, kommt's einfach ab und zu zu Fehlern.
[00:30:32] Jasper: Fehler passieren, definitiv. Und wie man damit umgeht und wie man das idealerweise einpreist, das ist eine große offene Frage in der Biosicherheit.
[00:30:41] Stephan: Eine Idee ist, wörtlich einzupreisen, nicht?
Die Forderung: Wenn ihr daran forschen wollt, dann müsst ihr auch eine Versicherung kaufen, die die Geschädigten kompensieren würde.
[00:30:53] Jasper: Genau, aber bisher ist es eben so, dass sich sowohl sämtliche Regulatoren in der Biomedizin vor allem darauf beziehen, vor allem auf das Verhältnis zwischen Forscher:innen und Patient:innen oder Studienteilnehmer:innen beziehen, aber das negative Externalitäten kaum eingepreist sind und auch die Biosafety, im Englischen unterscheidet man zwischen Biosafety und Biosecurity. Also Biosafety: Wie schützt man die Forscher:innen davor sich mit dem Pathogenen anzustecken? Versus Biosecurity: Wie schützt man aus Pathogenen vor unbefugtem Zugriff durch, durch andere? Im Deutschen ist das alles unter Biosicherheit, soweit ich weiß, zusammengefasst. Und die Biosafety, die, die sich mit diesem biologischen Sicherheitsstufen BSL-1 bis -4 befasst, die schaut eben hauptsächlich darauf: Wie schützt man den Forschenden vor dem Pathogen, aber da ist eben nicht eingepreist: Okay, was passiert jetzt, wenn es aus Versehen zu einer Ansteckung kommt, die dann eben außerhalb zu möglicherweise einer Pandemie führt, was dann eben dazu führt, dass Pathogene die pandemisches Potential haben, also möglicherweise außerhalb für massive Externalitäten, massive negative Externalitäten führen, dass die eben nicht unter der maximalen Sicherheitsstufe beforscht werden.
[00:32:07] Stephan: Die sind auf BSL-3, oder?
[00:32:07] Jasper: Genau, richtig. Dadurch, dass das Risiko für für den Forschenden selbst eben nicht so hoch ist, wenn er sich beispielsweise eben mit einem Influenza-Virus infiziert versus mit, mit Ebola. Das ist oft ...
[00:32:18] Stephan: Coronaviren wären ein Beispiel. Welche Pfade gibt es, um daran was zu tun, um dem vorzubeugen?
[00:32:26] Jasper: Es gibt den Ansatz, dass man bei der DNA-Synthese sämtliche Bestellungen, die es eben gibt, schon screent im Vorfeld und guckt, ob Leute Teile von Bekannten Pathogengenomen bestellen, die möglicherweise darauf hindeuten, dass jemand irgendeinen Pathogen zusammensetzen möchte, was, was beispielsweise auf einer der Select Agent Lists steht, das heißt ein Pathogen, was, wo man spezielle Berechtigung braucht, um daran zu forschen.
Und die, die meisten, die meisten Anbieter von DNA-Synthese-Services sind auch in einem Konsortium zusammengeschlossen, was sich verpflichtet, das zu tun. Und es gibt auch einige Ansätze, beispielsweise Secure DNA von Secure Bio, dem Labor, dem Biosicherheitslabor von Kevin Esvelt in Boston, die daran arbeiten das entsprechende Technologie sehr kostengünstig in beispielsweise alle Geräte eingebaut wird, dass man eine kryptografisch sichere Datenbank hat, das heißt, man kann nicht. Wenn man das Gerät und die Datenbank hat irgendwie zurück reverse engineeren, was die Sequenzen tatsächlich sind, aber man kann, wenn man eine entsprechende Sequenz eingibt, eben dann von vorne rein Screen ist das potenziell gefährlich? Und dann eben die Meldung rausschicken, dass das, okay, hier hat jemand was bestellt, was potenziell gefährlich ist, und die Maschine selbst synthetisiert es dann natürlich auch nicht.
[00:33:51] Stephan: Ist im Grunde ein Informatikproblem, aber das ist, kennen wir ja von anderen kryptografischen Methoden: Man muss nicht die Information selber preisgeben, um quasi nur was ab, abzugleichen.
Die Herausforderung ist zum Einen: Alle müssen mitmachen.
[00:34:10] Jasper: Genau.
[00:34:11] Stephan: Und sind alte Geräte ein Problem?
[00:34:15] Jasper: Alte Geräte sind auch ein Problem. Ein Problem ist aber eben auch die, wie in vielen anderen Bereichen, auch der zunehmende Biotechnologiefortschritt, dass man irgendwann möglicherweise eben nicht mehr komplexe Maschinen braucht, sondern das Ganze leichter auf zum Beispiel Enzymbasis machen kann. Auch hier ist der Fortschritt wieder Segen und Fluch zugleich. Alles wird einfacher, aber alles wird eben auch einfacher.
[00:34:45] Stephan: Ich glaub wir haben ganz gut motiviert, warum das ein sehr wichtiges Thema ist. Lass uns dann über GCBRs allgemein anhand dieses großen Prävention-Detektion-Reaktion-Frameworks reden. Fangen wir mal mit Prävention an. Was sind die wichtigsten, vielversprechendsten Maßnahmen zur GCBR-Prävention. Und wir konzentrieren uns wahrscheinlich auf den technischen Aspekt.
[00:35:16] Jasper: Wir können, uns, wir können uns auf den technischen Respekt fokussieren. Ich kann allgemein, allgemein was sagen. Insgesamt: Prävention sind alle Wege, die eben dazu führen, dass man von vornherein die Möglichkeiten hat, ein Pathogen so zu designen, dass es zu einem GCBR führen kann. Das ist zum einen so was wie das DNA-Synthese-Screening, was wir eben kurz angesprochen haben, aber auch sämtliche Policy- und Governance-Ansätze von: Wie fördert man bestimmte Forschung, die möglicherweise riskant ist und negative Downsides hat? Wie geht man mit der Veröffentlichung von biologischen Informationen um, die potenziell Infohazards sind, also, die, die biologische Information, die irgendwann später jemanden dazu, jemandem die Kapazität und die Capabilities geben, einen GCBR-Pathogen zu synthetisieren und, ja, wie, wie hat man allgemein verantwortungsvolle Forschung, die eben damit mit diesem Wissen umgeht? Okay, man, man generierte potenziell gefährliche Informationen, man hat hier Experimente, die möglicherweise dazu führen, dass man irgendwann GCBR-Pathogen designt.
Wie setzt man incentives richtig, sowas.
[00:36:35] Stephan: Also viele technische Ansätze mit der DNA-Synthese. Es gibt Policy-Ansätze und ein Teil, eine Teilmenge davon wäre die Forschungspolitik im weitesten Sinne. Also, was wird in prestigereichen Journalen veröffentlicht? Wofür kriegt man Forschungsgelder?
Welche Forschung ist am gefährlichsten?
Womit sollte man einfach aufhören oder die modifizieren, die anders machen?
[00:37:02] Jasper: Es gibt einige Richtlinien dazu, gerade in den USA, die bestimmte Experimenttypen festlegen, für die man spezielle, speziellen Review braucht. Das ist beispielsweise, wenn man irgendwelche Viren hat und potenziell pandemische Viren, also PPP - potentially pandemic pathogens - und die irgendwie enhancen will. Das ist sogenannte ePPP-Forschung, enhancement of potentially pandemic pathogens, und darunter fällt dann eben so etwas, wenn man die die Wirts-Range von Viren erweitern will zum Beispiel Viren, die bisher nur in Fledermäuse oder nur in Vögeln vorkommen, und dann Experiment macht, um zu schauen, okay, wie kann man die auch auf Säugetiere Modelle übertragbar machen, zum Beispiel Frettchen oder ...
[00:37:47] Stephan: Da hat man es mit der Vogelgrippe gemacht. Im Grunde wohlmotiviert, weil man verstehen möchte: was macht die besonders Wovor sollten wir uns quasi in Acht nehmen? Vielleicht auch mit der Hoffnung, wenn es dann tatsächlich natürlich passieren würde, dann wären wir besser darauf vorbereitet: Kann aber dazu führen, dass du dann einen Erreger wie die
Vogelgrippe nimmst, der fast nur von Vogel zu Mensch
[00:38:14] Jasper: Genau.
[00:38:14] Stephan: übertragen wurde. Dann hast du dein Frettchenmodell und am Ende deiner Experimente sind die auch von Frettchen zu Frettchen übertragbar und das ist eben das Modell.
[00:38:24] Jasper: Genau. Plus du hast eben die Informationen generiert welche mutation möglicherweise relevant sind, um das, wenn man das später synthetisieren möchte, eben um die Übertragung zu ermöglichen, so was, beispielsweise aber auch: Wie kann man das Virus dazu bringen, Immunschutz, Beispiel, beispielsweise zu umgehen oder der Immunantwort zu entgehen?
Wie kann man es gefährlicher übertragbarer machen? Und all solche forschung erfordert eben speziell den Review. Auch das funktioniert nicht perfekt. Einige Forschungsarbeiten, die, ja, die eigentlich hätten Review erfordern müssen, wurden beispielsweise nicht reviewt. Diese Review-Prozesse wurden vor allem nach diesen Vogelgrippe-Experimenten eingeführt, die du eben erwähnt hattest, wo 2011 man H5N1 über Frettchen, in Frettchen übertragbar gemacht hat. Aber zwischen 2014 und 2021 wurden nur drei Projekte in den USA beispielsweise reviewt und Forschung, wo man rückblickend sagen würde, okay, das hätte eigentlich reviewt werden sollen, weil es eben in diese Kategorien passt, wurde nicht reviewt, beispielsweise Immune Escape-Experimente mit SARS-2, Monkeypox Recombination-Experimente oder Masernvirus, welches auch Immunantwort umgehen kann, welches vor zwei Jahren veröffentlicht wurde. Die wurden eben nicht reviewt. Was rückblickend auch Fragezeichen aufwirft. Also der Review-Prozess ist, ist an sich gut gemeint, aber auch vage formuliert, was genau da reinfällt, weil es ist eben schwer, schwer zu unterscheiden, schwer zu sagen: Ab wann ist jetzt so die Grenze überschritten ist, ist alles auf einer sliding scale und dementsprechend nicht perfekt, aber, wie wir eben auch schon kurz angesprochen haben, sowas wie wie Journals können da auch eine wichtige, wichtige Rolle spielen. Wissenschaftler sind leider, schauen primär wie durch, durch gute Paper motiviert in den Top-Journals und wenn da eben eine verantwortungsvollere Kultur herrschen würde, von wegen, okay, wir veröffentlichen keine Paper die XY zeigen, die große Risiken mit sich bringen oder ...
[00:40:32] Stephan: Wichtig für die Karriere und, vor allem, schon wenn du dir dann abschminken kannst, dass du deine Forschung in Nature und Science veröffentlicht wird und so, dann hat das vielleicht schon Effekt auf die, auf die Forschungsfragen.
[00:40:43] Jasper: Aber glücklicherweise sind wir als Menschheit extrem gut darin globale Koordinationsprobleme zu lösen, also sehe ich, sehe ich, kein Problem, dass das auch in den nächsten Jahren perfekt gelöst wird.
[00:40:55] Stephan: In mancherlei Hinsicht ist es ja fantastisch, wie wir kooperieren. Teilweise auch emergent, ohne dass da ein Plan dahinter steht, aber teilweise nicht.
Was ist mit nicht Erforschung daran, wie man Erreger gefährlicher macht, aber der Forschung an neuen, unbekannten Erregern? Wie siehst du die, wie gefährlich ist die? Auch wieder mit positiver Absicht, wir gehen, wir gehen zu irgendwelchen Fledermäusen, zu Populationen, mit denen wir noch nie interagiert haben, und dann sammeln wir deren Kot oder so und gucken da nach Viren.
[00:41:29] Jasper: Ja, da gibt es einige einige große Pläne, das zu tun, zum Beispiel DEEP VZN oder das Global Virome Project. Auch hier wieder gut gemeint, die Idee, man findet vielleicht die Viren, die potenziell in der Zukunft den Sprung machen würden auf die Menschen und kann im Vorfeld schon schauen, okay, was was für die Virenfamilie erwartet uns als Nächstes, was haben die vielleicht irgendwelche Mutationen, von denen wir schon wissen von bekannten Erregern, dass die potenziell gefährlich oder ansteckend sind. Aber auch hier sind natürlich wieder zwei Risiken. Zum Einen das, was du angesprochen hast, das Probensammeln selbst. Man muss eben erstmal an einen entsprechenden Ort gehen und Proben sammeln und kommt dabei eben auch potenziell in Kontakt mit den Viren, kann sich potenziell infizieren. Und das andere große Risiko ist daran, dass man einfach die Daten dann hat.
Man hat plötzlich eine viel größere Menge an Virusgenomen und die, die Analysefähigkeiten werden in der Zukunft eher steigen, nicht sinken. Das heißt, irgendwann es ist auch viel einfacher im großen Stil, mit high throughput-Methoden diese riesigen Datenmengen an Virusgenomen zu annotieren, zu durchforsten, gucken, wo gibt Analogien zwischen bekannten Viren und eben den neu gesammelten unbekannten Viren? Haben die vielleicht zusätzliche Gene, die möglicherweise bessere Rezeptoren haben, um im Menschen anzudocken?
[00:42:52] Stephan: Im Grunde, dass wir besser darin werden zu verstehen, was macht ein gewisser Teil des Genoms?
[00:42:57] Jasper: Genau, genau.
Und man plötzlich einfach viel größeres Tool-Kit an Genen, an DNA-Sequenz hat. Der bekannte sequence space ist plötzlich einfach viel größer und ermöglicht es dann einem eben mehr durch Trial and Error zu gucken oder durch rational design zu schauen, was man eben synthetisch machen kann.
[00:43:16] Stephan: Einfach die schiere Menge, oder? Die meisten Viren kennen wir ja wahrscheinlich nicht.
[00:43:21] Jasper: Genau, absolut.
[00:43:22] Stephan: Und vielleicht sollten wir uns nicht die größte Mühe geben, sie alle herauszufinden und dann möglichst breit zu teilen. Bei DEEP VZN, hast du erwähnt, ist ein amerikanisches Programm, oder, ist auch die Idee, das ziemlich öffentlich dann einfach verfügbar zu machen für Forscher.
[00:43:37] Jasper: richtig wenn man eben schaut, die Experimente sind nicht Neues. Beispielsweise in Wuhan hat ja das Institut für Virologie dort auch schon viel Coronavirusgenome gesammelt und charakterisiert in der Hoffnung geben, dass man darauf vorbereitet ist, wenn das nächste Coronavirus nach SARS und MERS dann den Sprung macht, aber letztendlich ist der Streik rackert von diesem prophylaktischen Virensammeln und dem prophylaktischen Forschen daran jetzt nicht besonders gut, weil das, was uns irgendwie geholfen hat, waren die mRNA-Vakzine und nicht das Wissen, das wir über die entfernten Verwandten von SARS-2 gesammelt haben, sondern das, was wir halt über das Virus erfahren haben, nachdem es den Sprung gemacht hat.
[00:44:15] Stephan: mRNA-Vakzine als Plattformtechnologie passen auch in beides - in Prävention und Reaktion - vielleicht?
[00:44:22] Jasper: Genau, grundsätzlich alle Technologien, die irgendeinen Abschreckungseffekt haben, passen auch in diesen Präventionsbereich, weil es eben einfach Pathogene als möglichen Angriffsvektor unattraktiver macht, sobald du weißt, okay, wir haben extrem gute Detektionskapazitäten, wir haben extrem gute Vakzin-Technologien, wir haben extrem gute built environment-Technologien, die eben verhindern, dass sich Leute in Gebäuden mit respiratorischen Viren anstecken.
All das macht Biologie unattraktiver als Waffe.
[00:44:52] Stephan: Was ist das besonders attraktive an mRNA-Vakzinen? Die waren wahnsinnig schnell, wie wir schon vorhin gesagt haben. Es hat nur wenige Tage von Entschlüsselung des Genoms gedauert bis wir den Impfstoff hatten. Da steckt natürlich viel Forschung, die vorher schon gemacht wurde, dahinter.
[00:45:09] Jasper: Nicht unerheblich viel Forschung.
[00:45:11] Stephan: Aber zum Einen: Was ist das Attraktive daran und wie einfach modifizierbar, wie vielversprechend ist das für die Prävention auch von vielen anderen Viren, wir jetzt von anderen, nicht unbedingt von Coronaviren reden.
[00:45:25] Jasper: Wie du schon sagtest, das Attraktive daran ist, dass es eine Plattformtechnologie ist, also eine Technologiebasis, die sehr leicht auf was auch immer anpassbar ist, was man gerne möchte, und dadurch, dass es eben auch nur eine Gensequenz ist, die dazu führt, dass der Körper entsprechende Proteine produziert und entsprechende Antikörper produziert und, gut hat, natürlich auch die Nachteile, wie beispielsweise, es braucht die Kühlkette.
Es ist so gut lagerbar, aber die nächste Generation, die Temperatur-stabiler sind, die möglicherweise auf DNA-Basis sind, haben einfach das Potenzial: Man hat eine Technologieplattform, die man nur durch das Anpassen der zugrunde liegenden DNA- oder RNA-Informationen auf, welches Virus auch immer anpassen kann.
Es ist noch nicht ganz klar, ob das bei allen sehr gut, gleich gut funktioniert. mRNA, also, die mRNA-Vakzin-Technologie war ursprünglich für Krebs entwickelt und für Krebs angedacht. Hat da nicht gut funktioniert. Jetzt bei SARS-2 hat's sehr gut funktioniert. Wir wissen nicht: Ist das jetzt repräsentativ für ein respiratorisches Virus?
Es ist vielleicht in der nächsten Pandemie nicht so gut. Dann wiederum, in der nächsten Pandemie wird hoffentlich auch die entsprechende Technologiebasis deutlich weiter entwickelt sein. Also es gibt natürlich auch ein paar Unsicherheiten, aber im Gegensatz zu der alten, zu der alten Impftechnologie und Vakzin-Technologie, wo man große Mengen virales Proteinen synthetisieren musste, das aufreinigen musste und so weiter, ist es hier einfach viel, viel Leichteres
[00:46:49] Stephan: Oder noch älter: das Virus abtötet,
[00:46:51] Jasper: oder das Virus abtötet, genau.
[00:46:52] Stephan: was tendenziell gefährlicher ist.
[00:46:56] Jasper: Siehe Polio-Lebendvakzin, genau, was auch wieder zu, zu Reaktivierung führen kann. Genau, es ist die Technologie einfach viel flexibler, viel schneller, sicherer.
[00:47:06] Stephan: Derzeit laufen ja auch schon weitere Studien, die erproben inwiefern mRNA-Technologien auch für andere Erreger, zum Beispiel die Tollwut oder Influenza benutzt werden können. Eignen sich manche Erreger besser oder schlechter abhängig davon, wie schnell sie auch mutieren?
[00:47:25] Jasper: Genau, man kann nicht gegen alle Viren gleich gut impfen. Ist bei einer gewissen Mutationsrate oder bei gewissen Replikationsstrategien wie zum Beispiel HIV, welches sehr schnell mutiert, welches eben dormant in Zellen liegt oder eben auch Herpesviren, welche zwar DNA-Viren sind, nicht so schnell mutieren, aber Latenz innerhalb der Zellen bilden, ist Impfungen einfach viel, viel schwieriger. Idealerweise gut zu impfen, wenn das Virus sich nicht schnell mutiert, also nicht schnell den, den Impfschutz umgehen kann und die die Antikörper umgehen kann, aber eben trotzdem gut repliziert und halt eben frei im Körper dann vorhandenes ist und da gebunden werden kann oder eben schon gar nicht erst aus der Zelle wieder austreten kann. Das funktioniert da besser. Bei Coronaviren hatten wir einfach das Glück oder jetzt bei SARS-2 hatten wir das Glück: Es ist zwar ein RNA-Virus, also tendenziell höhere Mutationsrate, aber die RNA-Polymerase hat eine Proofreading-Funktion. Das heißt, es ist eine Polymerase, die dafür sorgt, dass während der Replikation des Virus Fehler und Mutationen reduziert werden, was eben auch wieder das Impfen einfacher macht, weil es weniger schnell wieder um den Impfschutz herum mutiert.
[00:48:38] Stephan: Manche Hörer brauchen wahrscheinlich ein bisschen Hintergrund: RNA ist ja so eine Art Bauplan. DNA muss auch auch in RNA umgewandelt werden, dann übers Ribosom und da werden dann die Proteine raus gemacht.
Und da kommt es darauf an: wie viele Fehler passieren in dem Prozess, wie viele Mutationen passieren und das ist generell bei RNA höher als bei DNA, aber bei RNA gibt es noch den Unterschied zwischen Proofreading und kein Proofreading.
Was steckt dahinter?
[00:49:08] Jasper: Grundsätzlich bei Enzym-, bei Polymerasen, also Enzymen, die ein Nukleinsäurestrang nehmen, sei es jetzt DNA oder RNA, und daraus einen zweiten Strang synthetisieren, der die gleiche Sequenz hat, beziehungsweise also die komplementäre Sequenz, da gibt es immer die Unterscheidung zwischen: Haben die eine Proofreading-Funktion, das heißt, kontrollieren Sie nach dem Einsetzen der neuen Base, ob die auch richtig eingesetzt wurde oder ob das keine Mutation, ist versus Polymerasen, die keine Proofreading-Funktion haben, die einfach mehr Fehler machen, also orders of magnitude mehr Fehler und die Polymerase von Coronaviren und jetzt auch von SARS, SARS-2 hat ebenso eine Proofreading-Funktion. Dadurch ist die Mutationsrate verringert, dadurch dauert es einfach länger, dass die Viren in ihrer Zirkulation mutieren und um den Immunschutz herum mutieren.
[00:49:58] Stephan: Viren können ja augenscheinlich, weil es beides noch gibt, auf beide Arten erfolgreich sein, mit und ohne Proofreading.
[00:50:05] Jasper: Genau.
[00:50:06] Stephan: Und zu viel Fehler sind auch schlecht für einen Virus. Das kann man dan sogar mit antiviralen Medikamenten nutzen.
[00:50:13] Jasper: Richtig, ein antiviraler Therapieansatz bei sehr schnell mutierenden RNA-Viren ist es, dass man Wirkstoffe gibt, die dazu führen, dass sie bei der Replikation eingebaut werden in den neuen DNA-Strang und die Mutationsrate erhöhen und dann ist die Mutationsrate eben so hoch, catastrophe threshold wird es genannt, dass sie so viel mutieren, dass sie einfach keine funktionsfähigen Virengenome mehr haben.
[00:50:36] Stephan: Klingt erstmal gefährlich, aber im Grunde sorgt das einfach dafür: Es werden so viele Fehler gemacht, dass es kein funktionierendes Virus mehr ist.
Dann lass uns weitermachen mit der Detektion. Wenn die Prävention jetzt gescheitert ist, und ein Pathogen durch einen Laborunfall oder absichtlich, böswillig freigelassen wurde, was kann uns dabei helfen, das möglichst früh zu erkennen?
[00:50:58] Jasper: Detektion ist, genau wie du schon sagtest, extrem wichtig. Man möchte, wenn es zu . einer Infektion kam, die eben potenziell sich zur Pandemie ausbreiten kann, möchte man das so schnell wie möglich entdecken, weil je weniger Menschen involviert sind, desto leichter das potentiell einzudämmen, desto weniger potenzieller Todesopfer gibt es, und alle Ansätze sowohl bei der Reaktion als auch bei der Prävention als auch bei der Detektion, die hier am vielversprechendsten sind, sind die, die möglichst Pathogen-agnostisch sind, die für möglichst viele Pathogene, für eine möglichst breites Spektrum funktionieren.
Und die Technologie, die wir momentan haben, die am besten darin ist, alles zu detektieren, ist die metagenomische Sequenzierung. Das heißt, man nimmt eine Probe, sei es jetzt eine Abwasserprobe, sei es sample von Körperflüssigkeit – Blut, Urin was auch immer – und schaut an, was für DNA und RNA sind in dieser Probe drin, und zwar sämtliche DNA und sämtliche RNA und guckt dann im Nachhinein, welche dieser Sequenzen gehören zu einem Pathogen, welche gehören zum Wirt, welche sind menschlich, welche gehören zum Mikrobiom und so weiter und so fort?
Und das ist eben die die beste Methode, der beste Ansatz, um unbekannte Erreger zu finden, um alles aufzudecken, was sich in einer Probe befindet
[00:52:15] Stephan: Wir können es ja auch schon für bekannte Erreger machen, also die werden automatisch erkannt. Bei SARS-Coronavirus-2 machen wir das ja mittlerweile mit dem Abwasser.
[00:52:25] Jasper: Genau.
[00:52:26] Stephan: Erzähl vielleicht einmal zum Einen, wenn du es weißt: Wie haben wir SARS-Coronavirus-2 zuerst detektiert? Und dann: Wie funktioniert heute so etwas wie Abwasserdetektion technisch?
[00:52:39] Jasper: Genau, SARS-Coronavirus-2 wurde ganz zu Beginn der Pandemie auch über metagenomische Sequenzierung detektiert, weil wenn man nicht weiß, was für einen Pathogen es ist, gibt es eben nur diesen Weg. Ich weiß nicht genau, was für eine Probenart es war und ob das eine respiratorische Probe war.
Gut, ja, als respiratorischer Erreger war es sehr wahrscheinlich eine respiratorischen Probe. Ich weiß nicht ob sie jetzt einen ein Abstrich waren, ein tiefer Rachenabstrich ob's jetzt eine Speichelprobe war, aber ja, man hat einfach sämtliche RNA an dieser Probe sequenziert, hat dann geschaut: Was lässt sich zu einem Virusgenom zusammensetzen?
Hat dann geschaut, okay, wir haben eine Sequenz, die relativ häufig darin vorkommt, passt die zu irgendeiner Virusfamilie, die wir kennen, in dem Fall natürlich die Betacoronaviren und dann hat man eben sehr schnell entdeckt, ich meine schon am dritten oder vierten Januar, hat man dann das vollständige Genom von SARS-CoV-2 gehabt, wusste, okay, es ist ein Betacoronavirus.
Wusste, er ist entfernt verwandt mit SARS-1 und am 10. Januar wurde dann das Genom, die Genomsequenz auch auf virological.org hochgeladen.
[00:53:43] Stephan: Wenn man es aber zurückrechnet, dann: Wie viel Zeit lag wohl zwischen dem Spillover, zwischen der Zoonose und der Entschlüsselung des Genoms?
[00:53:54] Jasper: Heiß debattiertes Thema Ich bin nicht komplett up to date was die, was die verschiedenen Timelines und die neueste Evidenz angeht, wann der tatsächlich Spillover stattgefunden hat. Man weiß definitiv, es kursierte schon im Dezember, möglicherweise Spillover bereits im November.
Aber das Sequenzieren und das Zusammensetzen selbst das eine Sache von, gut, je nach Sequenziertechnik natürlich, aber eine Sache von vielleicht einem Tag, vielleicht zwei Tagen, bis man von der Probe zum fertigen Genom die Informationen hat.
Laut der offiziellen Timeline waren direkt am Anfang Januar, nachdem man rückblickend auf Proben zurückgegriffen hat, Dutzende Menschen bereits infiziert zu dem Zeitpunkt - Dunkelziffer vermutlich, vermutlich höher. Weil es sind ja nicht alle Leute tatsächlich ins Krankenhaus gekommen oder sind zum Arzt gegangen, aber, ja, es ging von da aus dann relativ schnell.
[00:54:45] Stephan: Da hatten wir jetzt aber einen Fall, in dem das klinisch motiviert war. Es kamen auf einmal überraschend viele Leute mit etwas komisch wirkenden Symptomen, die man nicht so einfach zuordnen konnte, und deswegen hat man gesagt, okay, diese Patienten, das könnte was Unbekanntes sein, die sequenzieren wir.
[00:55:02] Jasper: Richtig
[00:55:03] Stephan: Und bei sowas wie Abwasser-Monitoring können wir entweder, wenn wir jetzt uns einen spezifischen Erreger aussuchen, das benutzen, um Policymaking zu informieren, das für die Inzidenzen besser abschätzen können, wird jetzt vielleicht auch spät in einer Pandemie, wird sowas auch schwieriger oder wir sagen eben, wir machen diese Metagenom-Sequenzierung, sequenzieren wirklich alles, was in der Sample ist, alles was in einer Probe ist und sehen dann da auch: ist da entweder was bekanntes Gefährliches oder ist da was neues, was ich schnell vermehrt?
[00:55:32] Jasper: Genau
[00:55:33] Stephan: Wie funktioniert die Technologie erst mal? Also da kommt jemand mit der Probe, ins Labor und gibt es dann da ab..
[00:55:39] Jasper: Das ist tatsächlich unabhängig davon, ob man, wie du sagtest, metagenomische Abwassersequenzierung macht oder ob man Abwasser-Monitoring macht. Grundsätzlich kann man einfach, wenn man einen bestimmten Erreger hat, dem man nachweisen möchte, wie jetzt beispielsweise SARS-2, wie das viel gemacht wird, sequenziert man eben nicht alles, sondern nutzt PCR, Polymerase-Kettenreaktion, wo man eine bestimmte DNA oder RNA Sequenz, die man kennt, weil man eben das Virus schon kennt, vervielfältigt und dann schaut: Wie oft war das ursprünglich drin? Das geht recht schnell, das ist sehr sensitiv, das heißt, man kann auch extrem geringe Mengen von der Ursprungs Nukleinsäure feststellen, aber ist eben blind gegenüber unbekannten Sequenzen und der metagenomische Ansatz hat ein Trade-off. Das kostet natürlich Geld, das zu machen. Sprich wie, wie tief will ich sequenzieren. Die Sequenziertiefe heißt hierbei wie oft lese ich die DNA, die in der Probe oder RNA, die in der Probe ist, aus? Und je tiefer man sequenziert, desto teurer ist es aber gleichzeitig ....
[00:56:36] Stephan: Quasi, selbst was ganz selten noch wäre, würde ich dann immer noch mitbekommen.
[00:56:41] Jasper: Richtig, aber man kann nicht beliebig tief sequenzieren. Das geht einfach technisch nicht, aber je weniger tief man sequenziert, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man sehr seltene, also die Sensitivität sinkt, dass man seltene, seltene DNA und RNA nachweist, aber desto schneller wiederum geht es auch.
[00:56:59] Stephan: Und dafür günstiger, desto mehr Standorte kann man machen.
[00:57:02] Jasper: Richtig, aber wolltest du jetzt auch wissen, wie so die Technologie selbst funktioniert, also die DNA-Sequenzierung.
[00:57:06] Stephan: Ja, ich glaube das ist auch interessant.
[00:57:08] Jasper: Technisch gesehen gibt es es inzwischen zwei große Ansätze, wie mit metagenomische Sequenzierung, beziehungsweise Sequenzierung allgemein funktioniert. Das eine ist vom Marktführer Illumina Sequencing by Synthesis. Da, ohne jetzt zu sehr ins Detail zu gehen. Im Prinzip wird dort die, wird jedes DNA-Stück in der Probe auf einer Glasplatte verankert, wird vervielfältigt und während des Verfielfältigens werden mit verschiedenen Farben markierte Nukleotide, also R/T/C/G, eingebaut und je nachdem, welche Farbe man gerade auf dieser Glasplatte leuchten sieht, sieht man eben, okay, der nächste Schritt, das nächste Nukleotid ist ein A, danach kam ein T und dann kann man daraus die DNA-Sequenz herleiten.
Das dauert relativ lange. So viele stunden bis Tage, je nachdem wie groß der Sequenzierlauf ist, ist aber sehr genau. Ein weiterer Nachteil: Man kann nur kürzere DNA-Schnipsel damit, damit sequenzieren, also man hat es im Prinzip wie so ein großes Puzzle. Man man nimmt ein wenn die gesamte DNA und RNA aus der Probe, muss sie dann klein schlagen, damit die auf die Glasfläche passt und muss das dann im Nachhinein wieder zusammenpuzzeln.
[00:58:14] Stephan: Wieder ein Informatikproblem. Wo überschneidet sich was?
[00:58:17] Jasper: Richtig, richtig.
Und der andere Ansatz, der seit den letzten Jahren immer immer besser geworden, ist das nanopore sequencing von Oxford Nanopore. Das ist eine native Sequenziertechnologie, das heißt, da sequenziert man jedes einzelne ursprüngliche DNA-Stück selbst, ohne es vorher zu vervielfältigen wie bei die Dominanz Ansatz und beim nanopore sequencing wird die DNA durch ein kleines Loch gezogen, durch eine kleine Pore gezogen, und gleichzeitig wird durch eine angelegte Spannung an dieser Probe gemessen, wie sehr sich die Spannung ändert, je nachdem, ob ein A, ein T, ein C oder ein G gerade in dieser Probe
[00:58:53] Stephan: Das elektrostatische Potential ist anders, weil die Bindung klein bisschen anders sind.
[00:58:58] Jasper: Tatsächlich nicht Bindung, sondern jedes Nukleotid behindert den Ionenfluss durch die Poren bisschen anders dadurch, dass es ein bisschen größer oder ein bisschen kleiner ist. Die Idee ist auch schon sehr alt, seit den 80ern wurde das schon gesagt.
Theoretisch kann man DNA durch eine Pore ziehen und dadurch, dass die vier Nukleotiden alle anders sind, kann man da den Unterschied in der Spannung messen. Aber technisch ist das erst seit vielleicht einem Jahrzehnt ungefähr möglich, dass man die die Poren und die Spannungsmeter genau genug hat, um das tatsächlich ein nutzbares Signal, was man dann wieder in eine DNA Sequenz umwandelt, daraus zu holen.
[00:59:33] Stephan: Spannend, coole Technologie. Wie funktioniert das, wenn man eine Sequenz da detektiert, die man noch nicht kennt, aber die gefährlich sein könnte? Wie wird die detektiert? Brauche ich da den zeitlichen Abstand von zweier Proben, dass ich sage: Oh, gestern war die aber noch viel seltener.
[00:59:48] Jasper: Auch hier wieder verschiedene Ansätze. Grundsätzlich ist natürlich erst mal die Frage: Kann man diese Sequenz irgendwie zuordnen? Haben wir schon vergleichbare Sequenzen in unserer Datenbank? Ist das vielleicht eine Sequenz, die 95 % so ähnlich ist wie, weiß nicht, einen Coronavirus-Genom, was wir bereits kennen? Das wäre zum Beispiel ein guter Hinweis. Dann kann man schauen, okay, kommt die in zwei verschiedenen Zeitpunkten, in drei verschiedenen Zeitpunkten vor, aber das ist eben, das funktioniert auch nur mit den Sequenzen, die wir irgendwie kennen, weil wir irgendeine Form von Verwandtschaft schon irgendwann mal charakterisiert und sequenziert und irgendwo hochgeladen haben.
Aber, wie du sagtest, schon ganz richtig, möglicherweise hat man auch viele Sequenzen nicht. Möglicherweise, man hat definitiv auch immer in solchen metagenomischen Proben Sequenzen, die man noch nie gesehen hat, weil wir vorhin schon gesagt haben, der Großteil der Viren sind einfach unbekannt. Und da ist dann die Frage, wenn man das gar nicht einschätzen kann, wie kann man trotzdem einschätzen und nachweisen, dass es potenziell gefährlich ist und ein Ansatz, den zum Beispiel auch das Nucleic Acid Observatory, ebenfalls bei Secure Bio von Kevin Esvelt angesiedelt, verfolgt, ist, dass man schaut, ob sich diese Sequenzen zwischen mehreren aufeinander folgenden Zeitpunkten exponentiell vermehren. Sobald man sieht, dass sich irgendeine DNA-Sequenz exponentiell vermehrt oder exponentiell häufiger vorkommt in einer Probe, ist das ein Indikator dafür, dass sie sich in freier Wildbahn eben vermehrt und das ist immer ein Zeichen darauf, dass irgendeine Form von Infektion, von Vermehrung eben stattfindet, was eine red flag ist, ein Hinweis dafür, dass da irgendwas passiert.
[01:01:28] Stephan: Da passiert auf jeden Fall was und dann wären die nächsten Schritte wahrscheinlich , Charakterisierung des Pathogens und dann gegebenenfalls kann man gezielter noch lokal sagen, hier sehen wir, schon hier noch nicht, hier können wir schon Gegenmaßnahmen ergreifen oder man hat eben auch schon früher das Genom.
[01:01:49] Jasper: Auch hier wieder als caveat: eventually. Das ist nämlich sehr schwer. Bisher ist das vor allem noch theoretische Grundlagenarbeit dazu. Ja, das ist, Abwassersequenzierung, ist eine schwieriges, einfach eine schwierige Technologie ist schwierig umzusetzen. Und auch Algorithmen, die dann gleichzeitig, also, die sensitiv genug sind, aber gleichzeitig auch spezifisch genug sind.
[01:02:12] Stephan: Ist das hauptsächlichen Problem der Algorithmen zu diesem Zeitpunkt? Ich mein Kosten sind immer einen Faktor. Die Sequenzierung kann immer noch günstiger sein und so.
[01:02:22] Jasper: Jein, das ist definitiv ein Algorithmus-Problem, und die Algorithmen müssen, müssen geprobt und stabil laufen. Das muss noch demonstriert werden. Und das zweite Problem ist eben das Problem der Sequenziertechnologie. Das muss alles noch günstiger werden damit sich das auch lohnt, das großflächig zu implementieren.
Gleiches gilt auch für Analyse- und Compute- Hardware, die noch hinterher hängt. Wir sind in der Biologie besser darin, Daten zu generieren als Daten auszuwerten. Und sehr ähnliche Probleme haben wir auch bei der klinischen metagenomischen Sequenzierung, der zweite Aspekt, auf den wir jetzt kurz eingehen können, wo wir eben nicht das Abwasser von, ja, die DNA-Informationen von Hunderten Leuten sequenzieren, die eben in Abwasser gepoolt werden, sondern eine Probe von einem einzelnen Patienten oder einer Patientin nimmt und dann schaut: Was ist in dieser Person spezifisch?
[01:03:13] Stephan: Ja, perspektivisch am besten für alle, nicht? Heute tappen wir auch ja oft im Dunkeln. Wenn wir einfach zum Arzt gehen, dann sagen, wir haben eine Erkältung, aber eigentlich können das zehn verschiedene Erreger locker sein.
[01:03:27] Jasper: Genau, richtig.
[01:03:28] Stephan: Wir wissen nicht mal: Ist das jetzt ein RSV oder es ist ein Coronavirus?
[01:03:32] Jasper: Natürlich auch hier ganz klar eine Kostenfrage. Sequenzieren ist teuer. Der Endzustand ist, genau wie du sagtest, die klinische Sequenzierung. Ist näher an dem, was wir tatsächlich wissen wollen, nämlich was passiert in den Menschen, in jedem einzelnen Menschen selbst. Wenn man auf die, auf die Roadmaps von den großen Sequenzier-Herstellern schaut, zum Beispiel Nanopore, die haben in ihrer Timeline explizit irgendwann mal ein, ein Sequenzierer in einer Zahnbürste, dass man morgens die Zähne putzt und eben Mikroliter Blut übers Zahnfleisch verliert, welche dann sequenziert werden in der Zahnbürste und am Nachmittag kriegt man dann sein, sein Virom-Fingerprint oder so und sieht dann, was genau eigentlich in dir gerade passiert. Das ist natürlich noch sehr Science Fiction, aber Ansätze zum Beispiel von, man sequenziert zufällig ein Sample von Patienten, die in ein Krankenhaus kommen, plus man sequenziert die Patienten, die mit Symptomen in ein Krankenhaus kommen, die man nicht sofort zuordnen kann.
Das ist schon ein guter erster Ansatz. Und auch da gibt es schon Modelle und Hochrechnungen, die zeigen: Mit relativ wenig Sequenzierkapazität und gutem Sampling kann man mit existierender Sequenzierkapazität relativ früh Erkrankungen und Epidemien und Pandemien detektieren, wenn man an den richtigen Stellen die Patienten sampled und dann relativ schnell metagenomisch sequenziert.
[01:04:54] Stephan: Ist manchmal nicht immer ganz intuitiv, aber die Statistik hilft da ganz gut mit. Im Endeffekt, ob du doppelt so viele Proben sequenzierst, macht dann vielleicht den Unterschied, ob du ein paar Tage früher entdeckst.
[01:05:08] Jasper: Genau.
[01:05:09] Stephan: Selbst wenn du es selten machst, hat's immer noch einen großen Vorteil. Gut, auf jeden Fall spannende Technologie. Ich freu mich auf die Zahnbürste, die mir irgendwann verrät ...
[01:05:18] Jasper: Vielleicht werden wir es noch erleben. Nein, nein. Ich bin da Optimist.
[01:05:23] Stephan: Dann lass uns weiter mit deiner Expertise machen. Du kannst gerne auch zu anderen Reaktionsmaßnahmen was sagen, aber wir machen jetzt weiter mit den Maßnahmen, die wir ergreifen können, damit wir, wenn wir dann einen Erreger detektiert, haben, wir sicherstellen können oder wir versuchen können, dass er nicht den größten Schaden anrichtet.
[01:05:43] Jasper: Genau.
[01:05:45] Stephan: Da gibt manche nicht-technische Interventionen natürlich. Völlig eindeutig, wenn du irgendwie Abstand hälst oder so, wenn wir Schulen schließen, wenn wir von zu Hause arbeiten.
[01:05:58] Jasper: Genau.
[01:05:58] Stephan: Dann gibt es unterschiedliche Hygienemaßnahmen oder es gab ziemlich schnell Tests, die uns geholfen haben, und es gibt PPE, also Schutzequipment. Sollen wir gleich über Far UV-C reden oder möchtest du zu einer, einer von den Technologien noch was sagen?
[01:06:16] Jasper: Ja, ich kann kurz einmal allgemein zu, zu Reaktionen was sagen, wo alles eben runterfällt, wie du sagtest: von nicht-pharmazeutischen Interventionen bis zu medical countermeasures, also medizinischen Gegenmaßnahmen wie Impfungen, antiviralen Wirkstoffen, so etwas, aber eben auch rein technische, physikalische Barrieren und Interventionen wie PPE – Personal Protective Equipment – Masken beispielsweise oder built environment improvements, also Dinge, die, die Umgebung, in der wir uns aufhalten, sicherer gegen Pathogen-Übertragung machen, dazu zählt
[01:06:50] Stephan: Lüftung
[01:06:50] Jasper: Lüftung, genau, Filtrierung, Ventilation, aber eben auch die Technologie, an der ich momentan arbeite, nämlich Luft-, Luftdesinfektion mittels Far UV-C, also ultravioletter Strahlung.
[01:07:03] Stephan: Da ist ja das Interessante: Wir könnten die ganze Luft, die wir atmen, auch filtrieren. Wir bauen überall Luftfilter ein, die gehen dann durch ganz kleine Filter und da werden die meisten Viren herausgefiltert. Die haben auch manchmal nicht das gleiche UV-Licht, aber teilweise wird es auch in diesen Filtern ... Teilweise geht es gar nicht durch den Filter, sondern wird einfach mit UV-Licht desinfiziert, oder?
[01:07:29] Jasper: Es gibt mehrere Ansätze. Es gibt auf jeden Fall auch in Lüftungsschächten gibt es UV- Technologie, also kann man, kann man UV-Lampen einbauen. Die ersetzen das Filtern aber nicht komplett, zumindest meistens, in denen, in den Arten, wie sie eingebaut werden, aber ermöglichen es, ja, eben bessere Lüftungs- und Filtrierungsperformance zu erreichen.
[01:07:50] Stephan: Teilweise soll es dann auch den Filter noch desinfizieren und ...
[01:07:54] Jasper: Das ist auch gerade bei Klimaanlagen gerne eingesetzt, dass, das da UV die, die Kühllamellen desinfiziert, weil sich da eben auch gerne Erreger drauf ansiedeln.
[01:08:08] Stephan: Ist also eine Technologie, die wir schon kennen. Wir wissen auch schon seit Langem, was beim Bauen wichtig ist dafür, dass wir auch einen guten Luftaustausch haben. Wir wissen alle jetzt, wie wichtig, das, das Lüften ist und was den großen Unterschied das machen kann. Es Das Problem ist natürlich, es wäre wahnsinnig aufwendig und technischen super anspruchsvoll, überall Lüftungen zu installieren, die einen ausreichend hohen Luftaustausch haben, dass sie sogar mit extrem gefährlichen Pathogenen klarkommen würden.
[01:08:38] Jasper: Genau, ein, so ein, ein Performance-Indikator oder ein worst case ist immer Masern beispielsweise, welches extrem infektiös ist. Muss nur eine mit Masern infizierte Personen einmal durch den Raum gehen und noch Stunden später infiziert sich quasi jeder der danach folgt.
Und Lüftung insgesamt hat, wie du sagtest, hilft natürlich, aber hat einige Nachteile. Es ist sehr kostenintensiv, sprich es kostet einfach viel Energie so viel Luft zu bewegen, wenn man dann noch Filtrierung dazu nimmt noch viel mehr, weil Luft durch einen sehr engen Filter zu pressen ist sehr energieintensiv, aber gleichzeitig ist es eben nicht in der Lage, so short-range close contact transmission zu unterbinden.
[01:09:22] Stephan: Wenn wir uns direkt gegenüber sitzen
[01:09:23] Jasper: ... so eine Armlänge ...
[01:09:24] Stephan: müsste der Luftaustausch wahnsinnig hoch sein.
[01:09:27] Jasper: Richtig. Und so hohe Luftaustausche sind schwer mit traditionellen Filter- und Luftanlagen zu erreichen, das CDC in den USA empfiehlt so sechs air changes per hour, also dass pro Stunde sechs Mal die komplette Raumluft ausgetauscht wird. Das ist mit, mit zentralen Ventilationsanlagen schon schwer zu erreichen. Das ist, wenn man noch einen Filter dazu nimmt, schon zu erreichen. Große Filteranlagen kommen da auf bis zu zehn, zwölf air changes per hour, aber da ist man dann schon im Bereich, wo man schon den Luftzug wirklich merkt und die Filter-Performance einfach auch nachlässt, weil die zum Teil Luft rezirkulieren. Das kostet sehr viel Energie, und die Idee ist eben dass man, ja, dass man nur mit Ventilieren und mit Ventilation und Filtrierung nicht komplett diese Transmission unterbinden kann realistischerweise, aber man möglicherweise die Luft komplett desinfizieren kann.
[01:10:22] Stephan: Und mit den Oberflächen wird es uns weniger helfen, oder?
[01:10:25] Jasper: Mit Oberflächen, genau, hilft es uns auch nicht, Filtrierung, wobei entsprechend hohe Ventilation auch dazu führt, dass sich deutlich weniger Aerosole auf Oberflächen absetzen.
Also
[01:10:35] Stephan: deswegen die potenziell hilfreiche Technologie UV-Strahlung. UV-Strahlung, wissen wir schon relativ lange, inaktiviert Viren und Bakterien.
[01:10:44] Jasper: Genau, in den 1870ern oder 80ern hat man erste Experimente mit Spektrallampen gemacht und mit Bogenlampen gemacht, wo man gesehen hat, okay, es gibt einen Lichtbereich, der noch vor dem ultravioletten Licht im sichtbaren Spektrum liegt und der tötet irgendwie Leben ab, der tötet Bakterien ab, aber man wusste damals noch nicht genau, wie das funktioniert und was, was diese UV-Strahlung tatsächlich ist.
[01:11:08] Stephan: Man hatte ja auch erst ein paar Jahrzehnte vorher eine gute Vorstellung davon entwickelt, wie das elektromagnetische Spektrum aussieht. Also heute ist unser Verständnis: 400 bis 700 Nanometer Wellenlänge ist das sichtbare Spektrum von violettem bis rötlichem Licht, da drüber ist Infrarotstrahlung und noch darüber sind Radiowellen und so weiter.
Da drunter, noch kurzweiliger, kommt die UV-Strahlung. Und innerhalb der UV-Strahlung gibt es noch mal unterschiedliche Bereiche. UV-Strahlung wissen wir auch, hilft eben Viren abzutöten, wie du gerade schon gesagt hast. Ich glaube, da gab es auch schon epidemiologische Einsätze. Gibt es heute teilweise noch, wenn die längere UV Strahlung für die Desinfektion oben im Raum benutzt wird. Also die geht nicht auf die menschliche Haut, weil wir wissen: UV-Strahlung kann, bestimmte UV-Strahlung führt zu Sonnenbrand und so weiter.
[01:12:06] Jasper: Vielleicht sollte vielleicht erst einmal kurz die, die verschiedenen Arten von UV-Strahlung noch auseinander dröseln, weil UV ist definitiv nicht gleich UV. Wie du schon sagtest, unterhalb von 400 Nanometer unterhalb von violettem Licht haben wir das UV-Spektrum. Das ist zum Einen UV-A und UV-B. Das ist das, was durch die Atmosphäre kommt und auch die Erdoberfläche erreicht.
[01:12:27] Stephan: Nenn ruhig die Wellenlängen dazu.
[01:12:29] Jasper: Gerne. UV-A ist zwischen 320 und 400 Nanometern. UV-A ist von vielen Tierarten zum Beispiel noch Teil des sichtbaren Spektrums, wird da noch eingesetzt, um zum Beispiel schöne Muster auf Blütenblättern zu sehen, was uns leider verwehrt ist.
UV-B zwischen 280 und 320 Nanometern direkt dadrunter, das ist das, was wir mit Hautkrebs vor allem assoziieren. Das ist schon relativ energetisch, also viel energetischer als UV-A und dringt tief in unsere Haut bis zu den Stammzellen in den untersten Hautschichten und kann dort eben DNA-Schäden hervorrufen, was dann möglicherweise zu Hautkrebs führt, und als Reaktion darauf bildet eben die Haut Melanin, sprich UV-B ist dann auch der Teil des UV-Spektrums, der uns bräunt, wenn wir uns in die Sonne legen, aber eben leider als Folge von, als Folge von DNA-Schäden, also: always wear sun screen.
Und unter UV-B kommt der UV-C Bereich von 200 bis 280 - die kürzesten UV-Wellenlängen und UV-C ist normalerweise im Sonnenlicht nicht enthalten. UV-C wird sehr gut von der Luft einfach absorbiert, das heißt, es ist zwar in Sonnen-, in Sonnenstrahlung enthalten, aber kommt nicht durch die Atmosphäre unten auf der, auf der Erdoberfläche an. Und UV-C, dadurch, dass es eben evolutionär einfach nicht vorhanden war auf der Erde und gleichzeitig sehr energetisch ist, ist eben germicidal, also es tötet, es tötet Mikroorganismen ab, indem es vor allem DNA-Schäden hervorruft. Also das sprengt einfach Bindungen in der, in der DNA, führt dazu, dass sich Basen loslösen, chemisch reagieren, Dimere bilden.
[01:14:08] Stephan: Im Grunde hat es so viel Energie, dass es Elektronen einfach aus den Bindungen raushauen kann und wenn die kaputt sind, dann zerbricht das und ist inaktiviert.
[01:14:18] Jasper: Und bei der Replikation braucht man eben nur sehr, sehr wenig DNA-Schäden überhaupt im ganzen Genom, um schon die komplette Replikation von Mikroorganismen dysfunktional zu machen und diese abzutöten.
[01:14:30] Stephan: Und die UV-C-Strahlung wurde ja auch schon, ich glaube zumindest auch in den 30er, 40ern wurde die schon benutzt, um die zuvor erwähnten Masern zu bekämpfen.
[01:14:40] Jasper: Richtig, Masern und Tuberkulose waren so die ersten großen Anwendungsbereiche neben Wasserdesinfektion, wo UV-C-Strahlung heute immer noch angewendet wird und die Basis dafür sind Quecksilberdampf-Lampen, also quasi ganz normale Leuchtstoffröhren, wie sie auch in vielen ...
[01:14:54] Stephan: Im Grunde wie Neonröhren.
[01:14:56] Jasper: Wie Neonröhren nur ohne die Phosphorbeschichtung, die das UV-Licht in sichtbares Licht umwandelt und wenn man diese Phosphorbeschichtungen weglässt, dann strahlen unsere Quecksilberdampflampen 254 Nanometer UV-C-Strahlung ab und 254 Nanometer ist sehr nah an dem Absorptions-Peak von DNA. DNA absorbiert am besten so mit 260, 265 Nanometern und da ist eben 254 Nanometer sehr nah dran. Das heißt man kann mit diesem Quecksilberdampflampen extrem gut Mikroorganismen abtöten.
[01:15:29] Stephan: Genau, man kann gut desinfizieren damit, dafür ist es sogar vielleicht noch ein Ticken besser geeignet als die Far-UV-C-Strahlung, über die wir gleich sprechen, aber der Nachteil ist, es macht eben nicht nur die Mikroorganismen kaputt.
[01:15:41] Jasper: Genau, es dringt zwar nicht so tief in die Haut ein wie UV-B-Strahlung, also es führt eben dazu, dass, dass es da zu, ja, Rötungen, Entzündungen kommt. Es juckt dann, es ist unangenehm.
Und gerade auch am Auge führt es dazu, dass es die äußersten Epithelschichten, die Cornea, die Hornhaut, dass es die eben auch reizt, was dann dazu führt, dass, genau, man kurzfristige Augenschäden hat.
[01:16:03] Stephan: Ist die ältere Technologie. Wir wissen, die funktioniert, aber wir können die nicht einfach in unsere Lampen integrieren oder zusätzliche Lampen zusätzliche Quecksilberdampflampen einfach auf Menschen in einem Raum runterscheinen lassen.
[01:16:16] Jasper: Genau, leider nein. Deshalb werden die vor allem in der Wasserdesinfektion eingesetzt, in Rohren, wo keiner reinguckt oder eben als upper room System, als Deckensysteme, die dann waagerecht unter der Decke UV strahlen, so dass durch die passive Luftzirkulation in den oberen Raumbereich dort die Luft und die Viren und Bakterien komplett abgetötet werden.
Und das war eben in den, ja, 50ern bis 60ern hat man das sehr erfolgreich bei Masern- und Tuberkulosis-, Tuberkulosebekämpfung eingesetzt. Fiel dann aber wieder aus der Mode durch verschiedene Gründe, durch bessere Impfstoffe, durch bessere medizinische Gegenmaßnahmen. aber ist bis heute in der Wasserdesinfektion Standard.
[01:16:56] Stephan: Enter Far-UV-C.
[01:16:58] Jasper: Enter Far-UV-C, genau.
[01:17:00] Stephan: Es gibt diese Nachteile bei der UV-Strahlung mit 254 Nanometern und wir kennen aber noch etwas kurzwelligere UV-Strahlung mit 222 Nanometern, die diese Nachteile nicht in dem gleichen Maß hat.
[01:17:14] Jasper: Genau richtig. Wenn man jetzt noch weiter im Spektrum runtergeht bis ganz zum Anfang vom UV-C-Spektrum, also zwischen 200 und 230 Nanometern, ist man in dem Bereich, der klassischerweise Far UV-C genannt wird, also der, der fernste Teil des UV-C-Spektrums und Far UV-C hat den Vorteil, dass die Energie zwar auch sehr hoch ist, aber diese Wellenlänge nicht primär von DNA absorbiert wird, sondern primär von der Peptidbindung, also von der Bindung in Proteinen. Und da unsere obersten Hautschichten der Haut eben aus sehr vielen toten Hautzellen bestehen, die sehr proteinreich sind führt das dazu, dass Far UV-C weder durch unsere obersten Hautschichten dringen kann noch durch unsere obersten Epithelschichten, den Tränenfilm, der auf der Hornhaut liegt, und damit eben für Menschen vermutlich komplett sicher ist.
[01:18:07] Stephan: Also da sind, wir haben die toten Hautzellen, die Kreatin haben und diese Proteine, die absorbieren die UV-C, die Far UV-C Strahlung einfach, so dass die nicht durchkommt und dadrunter Schaden anrichten könnte. Sie macht aber, wenn wir die Schicht jetzt nicht hätten, schon immer noch Schaden an, sie ist weiter weg vom Absorptionsmaximum von DNA, aber macht immer noch Schaden an DNA.
[01:18:35] Jasper: Richtig, das heißt wenn man keine, keine Haut hätte quasi und lange Zeit, lange Zeit Far UV-C-Exposition hat dann würde das auch da zu, zu Rötungen und zu DNA-Schäden führen, aber auch hier nicht im Bereich, dass es, es Hautkrebs verursachen könnte, weil, wie gesagt, es würde so oder so keine Stammzellen erreichen.
[01:18:56] Stephan: Viren sind auch beschichtet. Warum kommt das da durch?
[01:19:00] Jasper: Viren sind auch beschichtet, aber Viren sind extrem klein, Bakterien ebenso - ungefähr die Penetrationstiefe von Far UV-C ist im einstelligen Mikrometer-Bereich, je nach Intensität natürlich, aber Viren, die Dutzende bis vielleicht 100 Nanometer groß sind oder auch Bakterien ebenfalls in etwas größeren Bereichen, mehrere 100 Nanometer bis Mikrometer, die werden eben komplett UV-, von Far UV-C-Strahlen komplett durchdrungen und somit auch inaktiviert.
[01:19:30] Stephan: Genau, die werden komplett durchstrahlt und deswegen kann es auch an der DNA dieser kleinen Erreger Schäden anrichten und die inaktivieren.
[01:19:37] Jasper: Genau, aber gerade bei Viren nicht nur die DNA-Schäden, sondern auch die Protein-Schäden auf der äußersten Hülle, weil sobald man durch Far UV-C beispielsweise sämtliche Oberflächenproteine des Virus, genau, kann es eben auch nicht mehr in Zellen andocken und ist auch nicht mehr infektiös.
[01:19:52] Stephan: Seit wann kennen wir die Technologie?
[01:19:56] Jasper: Im Prinzip seit wir in der Lage sind Far UV-C zu generieren. Da gibt es auch mehrere Lampentechnologien, das sind auch Gaslampen. Seit den 90ern läuft die Entwicklung mit Krypton-Chlorid-Gaslampen und diese Krypton-Chlorid-Eximer-Lampen, werden die genannt, die strahlen mit 222 Nanometer, also ziemlich genau in dem 200 bis 230 Nanometer Far UV-C-Spektrum, und in den letzten, vielleicht den letzten zehn Jahren sind diese Lampen gut genug in Anführungsstrichen geworden, dass man angefangen hat, Experimente damit zu machen und Studien damit zu machen und eben gesehen hat, okay, die ist sicher für Menschen, die macht keine Hautschäden, aber gleichzeitig hat sie ähnlich gute Desinfektions-Performance wie die traditionellen 254 Nanometer Quecksilber-UV-C-Systeme.
[01:20:46] Stephan: Locker in der gleichen Größenordnung, vielleicht, Faktor 2, 3 kann immer leicht passieren, aber locker die gleiche Größenordnung.
[01:20:53] Jasper: Natürlich nach, nach Pathogen. Manche sind sensitiver für DNA-Schäden und nicht so sensitiv für Proteinschäden. Manche Viren sind sensitive für Proteinschäden an der Oberfläche, aber nicht so sensitiv für DNA-, RNA-Schäden, aber ungefähr in der gleichen Größenordnung.
[01:21:08] Stephan: Ja, wie du sagst im Moment die Technologie, die wir dafür benutzen, Krypton-Chlorid-Eximer-Lampen. Krypton eigentlich ziemlich unreaktiv, aber wenn man da Energie reinsteckt, dann bildet sich eben doch ein Komplex, und wenn dann wieder es abfällt, dann, dann wird eben ein Photon mit der entsprechenden Wellenlänge abgegeben.
Die Photonen desinfizieren dann, und, das wissen wir mittlerweile aus Laborstudien, dass wir verschiedenste Erreger damit auch desinfizieren können. Wo sind wir jetzt in der Pipeline von Far UV-C? Was muss noch passieren, damit das zu einer Technologie wird, die wir in Zukunft vielleicht an verschiedenen Standorten, sag auch gerne was dazu, wo es geeignet sein könnte, einsetzen?
[01:21:53] Jasper: Zum Ort kann ich kurz etwas sagen. Im Prinzip alle Orte, an denen man close contact transmission, also Übertragung zwischen zwei, direkt zwei Menschen unterbinden möchte. Was getan werden muss: einiges noch. Kurz: viel, aber es gibt so 3, 4 große Säulen, die, an den einfach noch Arbeit gemacht werden muss, um das zu demonstrieren. Zum Einen brauchen wir noch tatsächlich gute epidemiologischen Daten, die zeigen, wenn wir UV-Systeme mit entsprechender, mit entsprechender output power installiert haben, wie sehr unterbinden wir tatsächlich Transmission?
Das zweite ist, sind Sicherheitsaspekte.
[01:22:31] Stephan: Lass uns da kurz bleiben. Da läuft im Moment eine Studie zu, ist aber noch nicht veröffentlicht. Weißt du irgendwas darüber?
[01:22:39] Jasper: Momentan gibt es, soweit ich weiß, zwei Studien, die zur, zur efficacy, also zur epidemiologischen Effektivität von Far UV-C laufen. Das eine ist die Studie in Nova Scotia in einem Altenheim und das andere ist eine Studie von Don Milton, der in einem Hotel mit quasi challenge trial-Aspekten des austesten möchte. Er isoliert Menschen in einem Hotel und lässt sie dann in Kontakt treten mit Influenza infizierten Personen und schaut und eben inwiefern hilft die Präsenz oder absence von Far UV-C, um Infektionen zu unterbinden oder eben auch nicht.
[01:23:19] Stephan: Ja, spannend. Wir wissen eben aus dem Laborstudien nur, das führt zu einer Log-Reduktion in der und der Größenordnung wenn man die Strahlungsmenge hat, aber wie's in der Praxis dann ausschaut muss man eben auch einfach austesten, wie viel, wie viel Transmissionsreduktion es dann am Ende macht.
[01:23:38] Jasper: Es gibt recht viele Studien, wie du sagtest, die einfach testen in einem Labor in der Petrischale: Wie gut desinfiziert, wie gut inaktiviert Far UV-C?. Und es gibt auch einige kleinere Tiermodelle, wo beispielsweise Luft durch einen Käfig geleitet wird, mit einem bestimmten, mit einem bestimmten Pathogen drin und dann geschaut wird, wenn wir Far UV-C zusätzlich dazu schalten, führt das dazu, dass weniger Tiere krank werden? Aber das sagt uns alles nichts darüber inwieweit das in einem menschlichen Setting, zum Beispiel in einem Altenheim, wenn man das da installiert, um zu verhindern, dass während der Influenza-Saison beispielsweise die Pfleger, die die Menschen dort anstecken, inwieweit es in solchen Kontexten gut funktioniert.
Und die Hoffnung ist eben, dass, dass diese Studien da mehr Klarheit bieten. Allerdings wird es vermutlich noch mehrere Studien brauchen mit dem Grund, dass letztes Jahr die exposure limits, also die Dosen, denen man ausgesetzt werden darf, dass die erhöht wurden, und vor der Erhöhung waren diese exposure limits noch ein Vielfaches niedriger als jetzt sein dürfen.
Und, ja, das Problem ist einfach: Die, die exposure limits 2021 waren einfach so gering, dass man vermutlich keinerlei Effekt erwartet. Zu den damaligen exposure limits ist man einfach von 265 Nanometer, also dem DNA-Absorptions-Peak, der eben Hautschäden macht, ist man ausgegangen und hat dann eine Funktion angewandt, die, je niedriger die Wellenlänge war, man zunehmend ein bisschen mehr exposure haben durfte.
Aber hat eben diesen Aspekt von Far UV-C ignoriert, dass es nicht durch die obersten Hautschichten dringen kann und erst 2022 wurde das nach vielen langen Debatten von den entsprechenden Sicherheitsorganen geupdated. Und die Exporte Limit steigen jetzt eben sehr, sehr stark an im Far UV-C-Bereich.
[01:25:21] Stephan: Ist das gleich in der EU und in Amerika?
[01:25:24] Jasper: In Europa sind die exposure limits noch nicht so hoch wie in den USA, werden aber vermutlich demnächst nachziehen. Die Organisation, die die exposure limits in der Regel immer anpasst, ist die ACGIH, die American Association of Governmental Industrial Hygienicists, also quasi ein Industrieverband im Bereich Arbeitsschutz und die meisten anderen Standards, so auch die Standards in der EU, passen sich in der Regel nach den ACGIH exposure limits an.
[01:25:50] Stephan: Die sind jetzt auch vor dem Hintergrund mit den Dosen hochgegangen, dass wir aus Tiermodellen, oder dass wir zum einen die theoretischen Überlegungen haben, die uns sagen, das sollte relativ sicher sein wegen dieser Absorptions-Maxima und auch wahrscheinlich, weil wir aus Tiermodellen wissen, wir können Mäuse mit ziemlich hoher, Dosis bestrahlen und es macht scheinbar keine Hautschäden.
[01:26:15] Jasper: Nicht nur Tiermodelle, auch menschliche Experimente, also die, die Sicherheits Daten sind deutlich besser als die efficacy-Daten. Wir haben schon gewisse Sicherheits- und safety-Daten, zum Beispiel im Bereich von Hautsicherheit, Augensicherheit aus Experimenten mit Nagern, aus Experimenten mit Menschen und auch aus teilweise selbst exposure-Experimenten mit extrem hohen Dosen: so 40 Mal höher als die aktuellen exposure limits, wo man eben auch gesehen hat, okay, das macht kein Hautschäden, es ist perfectly fine, aber dennoch gibt es noch einige Aspekte in der safety, die und das ist vielleicht der nächste Punkt als natürliche Überleitung, die noch offen liegen, beispielsweise: Was ist der Effekt auf Wunden, auf verschiedene Hauttypen?
Wenn man jetzt meinetwegen Neurodermitis hat, was ist der Effekt auf das Hautmikrobiom? Und auch als ziemlich wichtiger Aspekt, was ist der Effekt auf die Luftqualität, weil Far UV-C, alles unter 242 Nanometer, wo eben Far UV-C auch runterfällt, fängt an, Ozon zu generieren in der Luft, weil es eben, weil Sauerstoff das absorbiert und dann Ozon-Radikale bildet.
Und da ist eben noch eine offene Frage: Inwieweit führt diese erhöhte Ozon-Konzentration zu sekundärer Luftchemie, also das dann mit volatilen organischen Verbindungen aus der Atemluft reagiert und möglicherweise Sekundär-Smog generiert.
[01:27:35] Stephan: Sauerstoff, sobald du Ozon hast, reagiert das wieder relativ schnell weiter und diese freien Radikale, die du dann da produzierst, die könnten mit unterschiedlichen Substanzen reagieren.
Was ist mit dem Mikrobiom? Das ist eine häufige Sorge, auch so das Erste, wenn man mit Medizinern über sowas redet. Dann ist die Sorge, okay, aber was ist mit unserem Mikrobiom?
[01:27:55] Jasper: Ja, das ist tatsächlich, glaube ich, die Sorge, die, wie du sagtest, am häufigsten erwähnt wird, ist aber meines Erachtens nach das, was am unkritischsten ist von allen Sicherheitsbedenken, einfach aus dem Grund, zum Einen: Wir bestrahlen nicht unsere gesamte Hautoberfläche gleichzeitig, also vielleicht die Oberfläche, die, die Oberseite der Hände, Teile des Gesichts, aber überall, wo du Kleidung drüber hast, ist es komplett unkritisch. Zum Anderen: UV-Desinfektion ist immer line of sight und extrem anfällig für raue Oberflächen, das hat man, weiß man aus der Oberflächendesinfektion.
Oberflächen, die immer ein bisschen raus sind, sind sehr schwer mit UV-Strahlung komplett zu desinfizieren, weil sich in irgendwelchen Schatten immer Mikroben ansiedeln und sofern man nicht eine komplette spiegelglatte Oberfläche hat, ist sehr schwer. Schon wenn, wenn man nur eine zwei Mikrometer Erhebung hat, die schon Schatten wirft, ist in dem Schatten davon keine Desinfektion.
[01:28:48] Stephan: Und da kann das Mikrobiom weiter ...
[01:28:50] Jasper: Genau unsere Haut ist keine spiegelglatte Oberfläche, insofern erwartet man sowieso nicht, dass, wenn man beispielsweise unter Far UV-C arbeitet, seine komplette Haut desinfiziert, plus: Großteil des Mikrobioms lebt in Poren. Poren sind sehr tief, Poren sind so tief, dass Far UV-C da niemals reinkommt und man fasst sich sowieso ständig überall an, das heißt, man, man verteiltes Mikrobiom sowieso wieder selbst an Stellen wo, wo es vielleicht desinfiziert wurde.
Somit ist Far UV-C sehr wahrscheinlich für das Mikrobiom viel, viel weniger schädlich als beispielsweise Alkohol-basierte Hautdesinfektionsmittel, welche eben in die Poren dringen und potenziell viel größere Mikrobiomschäden anrichten.
[01:29:29] Stephan: Ja, und wo wir auch wissen, dass man relativ viel davon auch gut aushalten
kann. Also es gibt medizinische Fachkräfte, die das viele Male am Tag machen.
[01:29:41] Jasper: Ja nicht ideal, nicht ...
[01:29:43] Stephan: Kann zu Hautschäden führen.
[01:29:44] Jasper: Genau, nicht, nicht perfekt für das Mikrobiom, aber zumindest nicht bedrohlich.
Insofern gehe ich davon aus, dass die Mikrobiomsorgen sich nicht bewahrheiten und Aspekte wie sekundäre Luftchemie und eye comfort möglicherweise relevanter sind.
Wir wissen, es kommt nicht durch den Tränenfilm oder zum großen Teil nicht durch den Tränenfilm, aber möglicherweise führt es bei hohen Dosen über längere exposure dann doch zu Unwohlsein in den Augen, zu gewissen Reizungen und das muss man eben einfach noch evaluieren, aber sind letztendlich auch Probleme, aus denen man sich sehr gut herausengineeren kann, durch zum Beispiel zusätzliche Lüftung, womit Ozon dann wieder kein Problem wäre, oder durch bestimmtes Anbringen, dass es eben nicht in die Augen fällt. Über die Augen sind sowieso schon durch Augenbrauen und durch die Augenhöhlen sehr gut geschützt und erreichen nur einen Bruchteil des Lichtes, was von oben kommt, erreicht tatsächlich die Augen. Also das wird vermutlich alles kein Sargnagel für die Technologie, sondern ist einfach noch Evidenz, die gebraucht wird, in den nächsten Jahren generiert wird, um es für public health officials und policy makers ausreichend sicher zu machen, aber nichts, wo fundamentale große Zweifel bestehen.
[01:30:52] Stephan: Ein Sicherheitsaspekt wäre noch das Immunologische, also eine Sorge, die Leute haben, ist, glaube ich, dass unsere Umgebung dann zu steril sein könnte. Kann da was dran sein?
[01:31:05] Jasper: Vermutlich auch nicht aus den gleichen Gründen, warum das Mikrobiom vermutlich auch kein Risiko darstellen wird. Zum Einen Oberflächen werden weiterhin keimbelastet sein, man wird weiterhin Oberflächen anfassen und meinetwegen sich danach ins Gesicht fassen. Und es gibt eine Welt außerhalb des Büros, auch wenn es manchmal schwer, schwer vorstellbar ist. Tatsächlich UV-C selbst wenn man ist sehr großflächig einsetzen würde, desinfiziert nicht die gesamte Welt, sondern desinfiziert bestimmte Orte, an denen hohes Übertragungspotenzial ist, weil viele Menschen auf engem Raum zusammenkommen, beispielsweise Wartezimmer, beispielsweise public transport, Flugzeuge, Bahn meinetwegen sowas wie Kirchen, enge Bürogebäude, aber eben nicht alles.
[01:31:49] Stephan: Nicht unbedingt bei mir Zuhause.
[01:31:50] Jasper: Genau nicht unbedingt bei dir Zuhause, nicht unbedingt nicht unbedingt im Supermarkt.
[01:31:54] Stephan: Es wäre a priori komisch, wenn wir an einem Optimum wären.
[01:31:59] Jasper: Definitiv, ja.
[01:32:00] Stephan: Also, was ich damit sagen will: Es wäre komisch, wenn wir jetzt die perfekte Anzahl von Erregern in unserer Luft hätten.
[01:32:06] Jasper: Genau, genau, ja tendenziell was so Immunsystem angeht, ist es, soweit wir wissen, viel wichtiger, dass man als Kleinkind oder im formativen Alter des Immunsystems entsprechende exposure zu einer großen Vielzahl von Pathogenen hat und sowieso: Viel drin sein, wenig Kontakt mit Natur, Tieren und so weiter haben ist schon vermutlich 90 Prozent der Schädlichkeit. Wenn jetzt die Innenräume da noch zusätzlich mit Far UV-C ausgestattet sind, umgeht man noch einige der gefährlicheren respiratorischen Erkrankungen auch für Kinder, zum Beispiel RSV, aber kann halt trotzdem weiterhin die positive exposure haben, wenn man ein Kind in der Natur ist oder auf dem Bauernhof Tiere streichelt.
[01:32:46] Stephan: Ein Funken Wahrheit ist im Prinzip an der Sorge schon, weil man sagen kann: Unser Immunsystem braucht wahrscheinlich mehr als eine sterile Umgebung. Dann wendet es sich gegen alles Mögliche, auch völlig Harmloses, aber in dem Fall ist es halt so, dass die frühe Exposition, die Exposition in der Natur oder die Exposition sowieso in nicht bestrahlten Räumen und so weiter, die führt dazu, dass es eigentlich keine, wahrscheinlich keine Sorge bereiten muss in diesem Fall.
Sollen wir mit der Technik weiter machen?
[01:33:20] Jasper: Ja, sehr gerne.
[01:33:20] Stephan: Im Moment benutzen wir ja die Eximer-Lampen, wie du sagst.
[01:33:23] Jasper: Genau.
[01:33:24] Stephan: Was ist der Nachteil an denen?
[01:33:26] Jasper: Der Nachteil ist viele Nachteile wo fang ich an? Nein, ganz so schlimm doch nicht, aber im Prinzip sind sie zu teuer und nicht performant genug, selbst wenn die, nicht selbst wenn, aber sobald die Sicherheits- und epidemiologischen Daten vorliegen und alles sieht gut aus, werden wir plötzlich in dem air borne free disease utopia leben, weil einfach die Lampentechnologie noch nicht so weit ist, dass man das im großen Stil überall einbauen kann. Eximer-Lampen sind sehr teuer. Momentan kosten sie mehrere Hundert bis Tausend Dollar pro einzelne Lampe.
[01:34:02] Stephan: Davon brauche ich eine, mehrere?
[01:34:04] Jasper: Davon brauchst du mehrere, denn eine Lampe hat eben auch nur einen relativ normalen Lichtkegel, den sie unter sich bestrahlt und desinfiziert - vielleicht ein paar Quadratmeter, wenn's hoch kommt.
Und selbst die Minimalkosten, wenn man davon ausgeht, okay, man eskaliert die Produktion hoch, was bei Gaslampen auch nicht so perfekt funktioniert wie bei solid state lighting wie zum Beispiel LEDs, sind die Minimalkosten immer noch viel, viel zu hoch im Vergleich zu sichtbarem Licht und beispielsweise normaler Raumbeleuchtung, also vielleicht so 100, 200 Dollar pro Lampe, was weniger ist als 1000 Dollar, aber nicht so viel, dass man leicht große Mengen an Gebäuden damit ausrüsten kann.
[01:34:40] Stephan: Das würden vielleicht Krankenhäuser machen oder so was, aber das ...
[01:34:44] Jasper: Richtig, es gibt Nischeneinsätze dafür, Krankenhäuser beispielsweise, aber nichts, was großflächig Verwendung findet.
[01:34:50] Stephan: Und ich glaube, allzu lang halten die auch nicht mal.
[01:34:53] Jasper: Nicht allzu lang, ungefähr ein bis drei Jahre, wenn man sie acht Stunden am Tag laufen lässt.
[01:34:59] Stephan: Ja, ziemlich wenig für die meisten Leute, also von den LEDs sind wir es gewohnt, dass wir die 20, 30 Jahre lang benutzen.
[01:35:05] Jasper: Richtig, wenn sie richtig installiert sind. Genau und Nachteil ist, Auswechseln ist auch sehr schwierig, weil die Lampen sehr sensitiv sind die haben sehr teure spezielle Filter, die sichergehen, dass nur Far UV-C-Bereich die Lampe verlässt.
[01:35:19] Stephan: Über 230 Nanometer nichts.
[01:35:20] Jasper: Genau, nichts über 230 Nanometer, was dann wieder in den Bereich von, Haut- und Augenreizung führt.
Und das ist einfach eine Technologie, die für Forschung und und für Nischenbereiche möglicherweise gut funktioniert, aber nichts, was großflächig extrem skalierbar ist aus Kostengründen aus Performancegründen, denn die haben auch einen Effizienzlimit, brauchen relativ starke Kühlung, weil maximal 1 bis 4 Prozent des eingehenden Stroms auch tatsächlich in nutzbares Far UV-C-Licht umgewandelt wird und sind relativ unhandlich und nicht miniaturisierbar, also man hat immer so ein, weiß nicht, faustgroßes Modul mit so kleinen Glasröhren drin sitzen, das kann man nicht einfach überall verbauen.
[01:35:58] Stephan: Genau der Traum wäre dann also, dass wir Licht emittierende Dioden haben, die neben den Wellenlängen, zu denen sie jetzt ausstrahlen können - ich glaube, in den normalen LEDs, die so verbaut sind, haben wir einfach drei verschiedene, RGB - dass da vielleicht noch eine vierte hinzukommen könnte, die Far UV-C macht oder dass man separate Glühbrinen, separate Lampen dafür hat.
[01:36:19] Jasper: Richtig, wie das später genau eingebaut wird, weiß man natürlich nicht. Wie du sagtest, die ultimative Vorstellungen, das ultimative Endziel wäre quasi komplett günstige UV-Strahlung, zusätzlich zu sichtbarem Licht für nur wenige Cents Aufpreis. Aber die LED-Entwicklung im Far UV-C-Bereich hat große Hürden.
Und das ist das Thema, an dem ich momentan meine meiste Zeit verbringe. Wie kann man den Weg bisher nicht existenter solid state Far UV-C Leuchtkörpern zu irgendwann hoffentlich marktreifen Produkten beschleunigen?
[01:36:52] Stephan: Was sind die größten Hürden? Es sollte theoretisch möglich sein?
[01:36:56] Jasper: Ob es theoretisch möglich ist, ist eben auch eine der Fragen, die noch gelöst werden muss. Sowohl blaue LEDs als auch ultraviolette LEDs basieren auf Galliumnitrit.
[01:37:06] Stephan: Es gibt schon ultraviolette LEDs, aber die sind mehr so bei 270, 280 oder sowas.
[01:37:09] Jasper: Genau, richtig. Die bisherigen UV-LEDs, die es schon gibt, sind im UV-A-Bereich, im UV-B-Bereich, zum Teil im längerwelligen UV-C-Bereich runter bis vielleicht so 250, 260 Nanometer. Leider gibt es mehrere physikalische Gründe, weshalb unterhalb von 250 Nanometern die bisherigen ultravioletten LEDs und die Materialien, die dafür verwendet werden, plötzlich sehr stark an Performance nachlassen.
Und es gibt da so eine massive, massive Klippe bei 250 Nanometern, unter der es sehr schwer ist, mit LEDs UV-Licht zu generieren.
[01:37:46] Stephan: Ist das nicht-Physikern relativ zugänglich erklärbar, warum das so ist?
[01:37:51] Jasper: Ich weiß nicht, ob relativ gut erklärbar. Dann wiederum: Ich bin auch kein Physiker und ich hab mir das
auch ...
[01:37:57] Stephan: Ich bin auch nur Chemiker.
[01:37:58] Jasper: ... genau, auch nur angelegt. Alle Physiker im Orient schauen jetzt auf uns herab. Es sind vor allem Gründe mit dem Dotieren.
Bei LEDs bei Halbleitern muss man bestimmte Verunreinigung bestimmte andere Elemente einbringen, um bestimmte Charakteristiken ...
[01:38:18] Stephan: Wir haben Silizium, aber dann, das ist Gruppe 14 [im Periodensystem], wir brauchen noch was aus Gruppe 13 oder 15.
[01:38:21] Jasper: Genau, richtig, damit man eben Elektronen und und Löcher generiert, diesen halb leitet, die dann Sambre kombinieren und ein Photon aussenden. Und dieses Dotieren ist bei sehr Aluminium-haltigen Aluminiumgalliumnitrid woraus UV LEDs bestehen, ist einfach sehr, sehr schwierig.
Es funktioniert aus verschiedenen Gründen aber nicht. Gute Energien sind sehr hoch, man hat Probleme mit der Transparenz, weil das sind auch Wellenlängen-Bereiche, Far UV-C, wo sehr weniger Materialien transparent für sind. Far UV-C wird von vielen Dingen absorbiert dadurch, dass es hochenergetisch [ist].
[01:39:00] Stephan: Wenn du nur die LED hast, aber da ist natürlich irgendein Schutz drumherum?
[01:39:04] Jasper: Nicht nur Schutz, sondern die Halbleitermaterialien selbst und zum Teil intransparent für die Wellenlängen, die sie selbst generieren. Genau, es sind verschiedene, verschiedene materialwissenschaftliche Probleme, die es da noch gibt, aber an den wird mehr oder weniger fleißig geforscht. Es gab vor 20 Jahren ungefähr schon ein DARPA-Projekt in den USA, was UV-C-LEDs und Festkörper-Leuchtmittel zu UV-C erforschen wollte, aber damals war die Technologie davon nicht weit genug.
Inzwischen haben wir bessere Materialwissenschaften, können bessere semiconductor-, Halbleiter Kristalle züchten, sind da einfach weiter und sind jetzt quasi bereit für Forschung an den nächsten Generationen von Far UV-C LEDs.
[01:39:50] Stephan: Willst du eine Prognose wagen?
[01:39:53] Jasper: Nicht vor fünf Jahren, vielleicht in fünf bis zehn Jahren.
Es ist, es ist es sehr schwer zu abzuschätzen. Es ist auch abhängig davon, ob wir tatsächlich bei Aluminiumgalliumnitrid bleiben, bei AlGaN, ob das der Weg vorwärts ist, das gilt es gerade herauszufinden oder ob wir merken, okay, das hat so viele Probleme, wir brauchen ein anderes Material, und sobald wir dann an dem Punkt sind, dauert es noch mal länger, weil, historisch gesehen, von einem Basis-Halbleiter zu einem fertigen Produkt sei es jetzt AlGaN, sei es jetzt andere Galliumnitridverbindungen, hat immer vielleicht so 10, 20 Jahre gedauert. Muss man schauen. Es gibt noch einige andere Ansätze für solid state Far UV-C-Licht, zum Beispiel Frequenz-Verdoppeln, wo man Licht von doppelt so großer Wellenlänge nimmt, also beispielsweise 440 Nanometern und man Frequenz-verdoppelt, also man nimmt dann zwei Photonen von 440, sendet die durch ein Material, meinetwegen einen nichtlinearen Kristall oder einen bestimmten wave guide und am Ende kommt dann ein Photon der halben Wellenlänge, also 220 Nanometer, wieder raus.
Das wird beispielsweise im sehr alltagspraktischen Beispiel in grünen Laserpointern verwendet. Es gibt keinen grünen Laser, ist Sind einfach viel zu ineffizient.
[01:41:11] Stephan: Laser sind monochromes Licht.
[01:41:13] Jasper: Genau, Laser sind monochromes Licht. Es gibt sehr effiziente Emitter im roten Bereich, es gibt sehr effiziente Mittel im blauen Bereich, aber nicht im grünen Bereich.
Da sind einfach die Materialien nicht so gut und was man im grünen Laserpointer macht, weil die gibt es, mit denen kann man sich sehr gut selbst blind machen, das ist kein Problem, die sind definitiv performant genug. Man nimmt einfach ein Infrarot-Laser und setzt dann einen nichtlinearen Kristall davor, der das infrarote Licht Frequenz-verdoppelt, sodass man dann grünes hat, was vorne rauskommt.
[01:41:44] Stephan: Bei den LEDs ist es hauptsächlich wissenschaftliche Forschung an Unis oder gibt es da jetzt schon kommerzielles Interesse mit so einem Auge dadrauf, dass es vielleicht dann in ein paar Jahren, wenn wir wissen, dass könnte in vielen Orten eine gute Idee sein, interessant sein?
[01:42:00] Jasper: Sowohl als auch. Also viel davon ist einfach noch traditionelle akademische Forschung an den entsprechenden Halbleitermaterialien. Teil davon ist auch bestehende LED-Firmen, die beispielsweise schon UV-C-LEDs für Wasserdesinfektion verkaufen oder UV-LEDs für so Aushärtungsanwendungen im, weiß nicht, 3D-Druck-Bereich oder für Kunstharze, wo auch UV-Härtung verwendet wird.
Die haben natürlich auch interne Forschungs- und R&D-Labore, die an Far UV-C-LEDs schrauben, aber es gibt sehr wenig komplett Far UV-C-LED-fokussierte Organisationen, die nur daran arbeiten. Es gibt so ein, zwei Start-Ups in dem Bereich.
[01:42:41] Stephan: Vielleicht kommen zum Schluss noch mal zu deinem Arbeitgeber: Convergent Research. Du arbeitest ja für eine Metascience Organisation, nennt ihr euch.
[01:42:48] Jasper: Genau, part of the new science movement.
[01:42:51] Stephan: Genau, finanziert auch, glaube ich, von Eric Schmidt, war mal Chef von
Google. Was seht ihr da als eure Rolle in dem Bereich?
[01:43:00] Jasper: Wir sind selbst keine Forschungsorganisation und das, was wir im Biosicherheitsteam machen ist auch ein bisschen anders zu dem, was Convergent Research insgesamt macht. Als Metascience Organisation oder als new science org arbeitet, Convergent im Bereich von evolutionären und revolutionären Ansätzen, um bisherige Forschung anders zu gestalten, zu verbessern und Kernkompetenz von Convergent ist die Inkubation von sogenannten Focused Research Organisations oder FROs oder FROs. Das sind Forschungsvorhaben, Non-Profit, Non-Profit science Start-Ups quasi, die zwischen akademischer Forschung und Industrieforschung sitzen, also alles, was zu viel engineering-Expertise oder zu große Koordination und Kollaboration brauchen, um in academia mit den publishing incentives gut zu funktionieren, aber gleichzeitig zu early stage sind und nicht unbedingt kommerzialisierbar sind, sodass man kein Start-Up oder kein Unternehmen ...
[01:43:59] Stephan: Vielleicht, weil man nicht weiß, klappt das überhaupt?
[01:44:01] Jasper: Genau, oder weil es was ist, was man nicht verkaufen kann.
[01:44:03] Stephan: Ja, oder selbst wenn die Resultate nicht in irgendeiner Form patentierbar sind.
[01:44:07] Jasper: Genau.
Beispiele für solche FROs sind zum Beispiel das connectome mapping, dass man schaut, wie sind sämtliche Neuronen im Gehirn miteinander vernetzt oder das Heranzüchten und Verbreiten von non-model organisms, also Organismen in der biologischen Forschung, die nicht die Standard Hefe, Drosophila, Maus whatever sind.
[01:44:27] Stephan: Was macht ihr in der biosecurity branch von Convergent?
[01:44:32] Jasper: Genau, wir selbst inkubieren nicht diese, nicht diese FROs, sondern das Biosecurity-Team macht sogenanntes road mapping. Das heißt, wir schauen uns bestimmte Technologien an, bestimmte Biosicherheits-Interventionen und gucken ganz systematisch: Was müssen wir tun, um diese Technologie vom aktuellen Zustand zu dem gewünschten Endzustand zu bekommen?
Das ist eine Kombination aus Literaturarbeit, Experteninterviews, erstmal einen Überblick: Wie sieht der aktuelle Stand der Forschung überhaupt aus? Und dann eben sowas wie eine bottleneck analysis, dass man guckt: Was sind die großen Hürden? Was sollte man am besten finanzieren und erforschen? Wen kann man mit wem in Verbindung bringen, um Kollaboration zu fördern?
Und in dem Zuge schreiben wir gerade ein white paper, eine road map zu Far UV-C-Emittern, um dann eben funder und Forscher zu motivieren und zusammenzubringen und eben ein sehr koordinierten Push zu machen, um irgendwann, hoffentlich in den nächsten fünf Jahren schon zu den Far UV-C-LEDs oder any form of solid state Far UV-C zu kommen.
[01:45:36] Stephan: Das white paper gibt's noch nicht, aber kommt wahrscheinlich dieses Jahr.
[01:45:39] Jasper: Genau, kommt dieses Jahr.
[01:45:40] Stephan: Der Flaschenhals, also wo es am meisten stockt gerade, ist die Technik, würdest du sagen?
[01:45:46] Jasper: Würde sagen die Technik. Es ist nicht unbedingt das, was am längsten braucht. Das ist unklar. Epidemiologische Studien können sich ziehen, Sicherheitsstudien können sich ziehen. Es ist auch immer noch die Frage: Werden wir noch höhere exposure limits brauchen als wir die jetzt gerade haben, weil möglicherweise sind die aktuellen exposure limits nicht ausreichend, um close contact transmission zu unterbinden?
Und es gilt einfach zu schauen, wie lange einzelne Schritte brauchen. Wir fokussieren uns in Convergent hauptsächlich auf die Emitter-Seite, andere Organisationen pushen efficacy und safety research nach vorne und die Emitter-Seite ist aber definitiv der Aspekt, der noch die größten technischen Unsicherheiten aufwirft.
[01:46:28] Stephan: Vielen Dank, ich glaube das hat mir auf jeden Fall und, ich glaube, vielen Hörern geholfen, die Technik besser zu verstehen und sich schon ein bisschen darauf zu freuen. Also hoffentlich, hoffentlich wird das was.
[01:46:38] Jasper: Irgendwann dann.
[01:46:40] Stephan: Und gibt's noch andere Techniken im Bereich Reaktionen, die highlighten möchtest, bei denen du sagst, die halte ich für vielversprechend oder vielleicht über- oder unterbewertet?
[01:46:50] Jasper: Grundsätzlich würde ich sagen sind wir - und mit wir meine ich die scope sensitive biosecurity community insgesamt - am optimistischsten was Pathogen-agnostische Technologien angeht: irgendwas, was am besten noch physikalisch basiert ist, also was gegen alle Formen von Erregern funktioniert, am besten auf eine Art und Weise, wo der Erreger nicht irgendwie sich drumrum mutieren kann, das sind so was wie physikalische Barrieren, PPE, personal protective equipment, extrem gute Masken, das ist so was wie UV-Luftdesinfektion, ...
[01:47:21] Stephan: Selbst desinfizierende Masken vielleicht.
[01:47:22] Jasper: Selbst desinfizierende Masken, genau, Far UV-C-PPE. Irgendwann wird's die Kombi bestimmt auch geben. Sowas wie Metagenom-Sequenzierung als Detektion. Einfach alles, was gegen jede vorstellbare biologische Bedrohung funktionieren würde.
[01:47:38] Stephan: Wahrscheinlich aus einer Kombination aus: Es gibt einfach relativ viele potenzielle Erreger. Wir werden nicht genug Impfstoffe im Regal haben, die dann auch noch einer ausreichenden Menge, um im Ernstfall genug Leute zu erreichen, sondern diese physikalischen Maßnahmen, die man auch schon vorher installiert haben kann, die können gegen alles helfen.
Alles klar. Wenn jetzt jemand dieses lange Gespräch gehört hat und sich sagt, ja, das klingt nach einem wichtigen Probleme, ich würde auch dran arbeiten oder sich fragt, sollte ich daran arbeiten, könnte das was für mich sein? Was würdest du der Person raten, wenn sie, sagen wir mal entweder sich noch nicht für ein Studium entschieden hat oder schon in einem naturwissenschaftlichen oder einem sozialwissenschaftlichen Studiengang ist?
[01:48:25] Jasper: Insgesamt würde ich vorerst allgemein mit meinen Empfehlungen bleiben, weil, es ist vielleicht schon bisschen deutlich geworden, aber die Empfehlungen, was gerade irgendwie vielversprechend gilt oder woran gerade geforscht werden müsste, welche skills gerade gebraucht werden, das ist immer ein bisschen im Flux, hängt ein bisschen davon ab, welche Probleme gerade angegangen werden, selbst innerhalb einer Intervention.
Momentan würde ich vielleicht sagen, okay, wir brauchen Festkörper-Physiker für bestimmte Teilfragen von UV-C-Emittern, aber möglicherweise wird das in zwei Jahren mit irgendeinem Durchbruch-Paper schon gelöst. Und was wir dann brauchen werden ist Epidemiologen, die extrem gute efficacy studies aufsetzen können.
Insofern bin ich da ein bisschen hesitant konkrete Empfehlungen zu geben. Aber ganz allgemein: alles Dinge, die für möglichst viele Bereiche und für möglichst viele Interventionen anwendbar sind und als Karrierekapital allgemein viel, viel wert sind, so was wie Dinge modellieren können, gute quantitative Fähigkeiten haben.
Ich meine, ich habe als Background Virologe. Mein Kollege, mit dem ich daran arbeite, ist Physiker. Physiker allgemein findet man quasi überall, egal in welchen Bereich man schaut, aber letztendlich werden verschiedenste Backgrounds im Endeffekt gebraucht.
[01:49:34] Stephan: Wie wir vorhin gesagt haben, es gibt ja auch viele Fragen, an denen auch Ökonomen arbeiten können und all diese Organisationen, die daran arbeiten, die brauchen auch Generalisten, die alles managen und so weiter.
[01:49:46] Jasper: Es ist viel wichtiger, dass man einen guten Überblick über das gesamte Feld und über das gesamte Modell hat, weil letztendlich ist das Meiste an irgendeinem Punkt anwendbar, aber wenn man entsprechendes know how hat und das ist gerade bei Biosicherheit sehr wichtig, wenn man entsprechendes awareness für die negativen, Effekte hat. Eine gewisse downside risk awareness, eine gewisse Vorsicht mitbringt und auch awareness für infohazards oder Dual Use-Potenzial,, also dass man bestimmte Dinge oder bestimmte Technologien für sowohl positive als auch negative Effekte nutzen kann. Das ist eigentlich das Wertvollste und da würde ich einfach empfehlen, mehr darüber zu lernen: EA Forum, viele gute Artikel, die darlegen, was gute, also was gute Artikel, was gute weiterführende Texte sind in dem Bereich. Es gibt jetzt neulich ein Post zu kurzen Tests, die man machen kann, um zu schauen, ob Biosecurity-Arbeit einem liegt, ja, viel sowas wie Literaturrecherche machen, Zusammenfassung schreiben und allgemeine gute awareness darüber haben: was passiert momentan in der Welt? Wie ist der aktuelle Zustand von verschiedenen Technologien und verschiedenen Herangehensweisen an Biosicherheit und wo könnte ich da möglicherweise den Status quo so verändern, dass wir irgendeine Technologie, irgendeine Intervention schneller erreichen?
[01:50:57] Stephan: Und wenn man dann einen Schritt weiter ist als diese kurzen Tests, dann vielleicht so was wie ein Fellowship oder ein Praktikum bei einer der Organisationen, die daran arbeitet?
[01:51:05] Jasper: Genau, auch das ist immer stetig im Flux, je nachdem wie gerade das Geld fließt, wie gerade die Forschungsvorhaben und Forschungsprojekte Mitarbeit brauchen. Aber auch hier würde ich einfach die Augen offen halten, zum Beispiel Effective Thesis anschauen, eine Sammlung von Bachelor-, Masterarbeiten, potentiellen Doktorarbeiten zu wichtigen offenen Fragen in verschiedensten Bereichen.
[01:51:28] Stephan: Ist auch in allen anderen Bereichen relevant.
[01:51:30] Jasper: Genau, genau, nicht nur Biosicherheit und auch nach Fellowships schauen. Zum Beispiel Blue Dot, ehemals EA Cambridge, hat auch jährlich, oder halbjährlich glaube ich sogar, laufende Fellowships, wo es auch einen biosecurity track zum Beispiel geben wird, neben AI safety, AI governance. Also da, genau, einfach die Augen offen halten, schauen, was in dem aktuellen Moment, in dem man schaut, gerade so passiert und natürlich immer schön fleißig auf Konferenzen gehen und netzwerken und lernen, was andere Leute so tun, bei Vieles einfach situational awareness haben.
[01:52:01] Stephan: Ich danke dir ganz herzlich für das Gespräch.
[01:52:03] Jasper: Ich danke dir.
[01:52:04] Stephan: Hat Spaß gemacht.
[01:52:05] Jasper: Hat mir sehr viel Spaß gemacht. Tschüss.
[01:52:09] Stephan: Vielen Dank fürs Hören. Wenn du das Gespräch interessant fandest, hinterlasse gerne eine Bewertung im Podcast-Player deine Wahl oder empfehle den Podcast Auf der in der Episodenbeschreibung verlinkten Website findest du ein Transkript des Gesprächs und weiterführende Ressourcen.
Bei Fragen oder Anmerkungen und insbesondere dann, wenn du selbst über eine Karriere im Bereich Biosicherheit nachdenkst, kannst du mich gerne über das Kontaktformular auf der Webseite erreichen. Ich bin Stephan Dalügge. Tschüss und bis zum nächsten Mal.